Ein Medienprodukt wird Kanzlerkandidat der SPD. So war es 2009 mit Frank-Walter Steinmeier, so ist es jetzt mit Peer Steinbrück. Wieder eine sichere Bank für Angela Merkel. In einem beachtlichen Teil der Medien – von der Süddeutschen („Warum Steinbrück die beste Wahl ist“) über die Frankfurter Rundschau („Merkels gefährlichster Gegner“) bis zum Kampagnenmedium SpiegelOnline („Die beste Wahl“) – herrscht Zustimmung, Respekt, Jubel. Doch die Ernüchterung wird spätestens am Wahlabend 2013 groß sein. Wer sich bis dahin nicht betrunken machen will, sollte schon heute auf die Fakten schauen.
Denn Peer Steinbrück täuscht: Er gibt sich als unabhängig und kritisch gegenüber Banken und Spekulanten – und ist doch einer der ihren. Er gebärdet sich als schnoddrig, aber gradlinig und verantwortungsbewusst – tatsächlich leugnet er Verantwortung. Er wird als guter Wahlkämpfer dargestellt – doch er war es nicht und wird es auch nicht sein.
Aber der Reihe nach. Steinbrück ist ein miserabler Makroökonom. Noch im Jahr 2008, als die Signale schon erkennbar auf eine Konjunkturabschwächung hindeuteten, polemisierte er als Finanzminister gegen Konjunkturprogramme. Wenige Wochen später beschloss er sie dann im Kabinett Merkel mit. In seinem dicken Papier vom 26. September mit dem Titel „Vertrauen zurückgewinnen: Ein neuer Anlauf zur Bändigung der Finanzmärkte“ gibt er gleich auf der ersten Seite zu erkennen, dass er den Zusammenhang von Konjunkturbelebung und Schuldenabbau nicht verstanden hat. Er schreibt dort, die „2.000 Milliarden US-Dollar für Konjunkturprogramme“ weltweit seien gleichbedeutend mit neuen Schulden. Er nimmt nicht einmal jetzt, angesichts der Entwicklung in Griechenland und Spanien, die Zusammenhänge wahr: Wenn man die Wirtschaft kaputtspart, dann baut man nicht Schulden ab, sondern auf. Mit Steinbrück als Kanzler oder Vizekanzler werden wir an den Vorurteilen dieser minderbemittelten Ökonomen kleben bleiben. Zulasten aller Menschen, die einen Arbeitsplatz suchen oder Angst um ihren Arbeitsplatz haben.
In seinem Papier taucht auch kein einziger Hinweis darauf auf, dass er die Hauptursache der Euro-Krise verstanden hat: die Auseinanderentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Staaten. Steinbrück sieht die Relevanz der Binnennachfrage nicht und bringt wie Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Götzen Exportweltmeisterschaft Opfer.
Steinbrück hat als früherer Finanzminister auch die gravierenden Mängel auf den Finanzmärkten mit zu verantworten, für die er in seinem Papier nun wieder Korrekturen vorschlägt. In der Koalitionsvereinbarung 2005 wird der Deregulierung das Wort geredet. Es wird der Ausbau des Verbriefungsmarktes gefordert. Die Finanzmarktaufsicht soll mit Augenmaß vorgehen – also ein Auge zudrücken. Das alles und vieles mehr seien vordringliche Maßnahmen zur Stärkung des „Finanzplatzes Deutschland“.
Steinbrück betrieb dieses Geschäft, obwohl damals, zwischen 2005 und 2008, die Krise deutscher Finanzinstitutionen schon erkennbar war. Sie hatten schon im Februar 2003 von Kanzler Gerhard Schröder die Unterstützung für eine sogenannte Bad Bank gefordert. Die 2007 auffliegende Krise der Industriekreditbank und die Blase bei der Hypo Real Estate mussten für die Bankenaufsicht, für die wiederum der Bundesfinanzminister zuständig ist, absehbar gewesen sein.
Und jetzt schreibt dieser dafür Verantwortliche in seinem Papier, „aus einem verhältnismäßig kleinen Problem mit US-Immobilienkrediten“ habe „sich eine Finanz- und Bankenkrise“ entwickelt. Das ist unglaublich. Das ist der geläufige Versuch, die Entstehung der Finanzkrise auf die USA abzuschieben.
Banker sind bei ihm gut aufgehoben
Steinbrück ist wie auch Merkel in den Fängen der Finanzwirtschaft. Unter Schwarz-Rot wurde die IKB mit zehn Milliarden Euro aufgefangen. Zehn Milliarden an Steuergeldern für eine lächerliche Bank, die man ohne Folgen für die Gesamtwirtschaft hätte in die Insolvenz gehen lassen können. Im Fall der HRE wurden bereits über 100 Milliarden Euro öffentlicher Gelder aufgewendet, um eine einzige private Bank zu retten. Wer solche Hypotheken auf uns und unsere Jugend lädt, sollte sich in sein Kämmerlein zurückziehen. Die FAZ hat sich bereits treffend geäußert: „Die Taten von früher beruhigen die Banker offenbar mehr als sie Steinbrücks Worte von heute beunruhigen. Vielleicht wählen sie den Mann sogar.“
Die Banker sind bei Steinbrück in der Tat gut aufgehoben, SPD-Anhänger nicht. Das wird einer der Gründe dafür sein, dass Steinbrücks Ergebnis bei der Bundestagswahl 2013 jämmerlich schlecht sein wird. Die SPD wird nämlich nur gewinnen, wenn sie eine wirkliche Alternative zu Angela Merkel und Schwarz-Gelb darstellt und es ihr gelingt, die eigenen Sympathisanten zu mobilisieren. Nur so wird es möglich sein, die feste Verankerung der Kanzlerin bei den meinungsführenden Medien auszugleichen. Steinbrück als Person und Politiker besitzt nichts, was diese Mobilisierung möglich macht.
Albrecht Müller machte bis Mitte der neunziger Jahre für die SPD Politik. Er ist heute Herausgeber von nachdenkseiten.de
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