Die Angst ist groß und unbegründet

Donogene Insemination Die Sozialtherapeutin Petra Thorn über den Umgang mit nicht-biologischer Vaterschaft

FREITAG: Frau Thorn, Sie bieten als einzige Therapeutin in Deutschland Seminare für Paare an, die sich ihren Kinderwunsch mittels einer Fremdsamenspende erfüllen möchten. Wer hat bei heterosexuellen Paaren die größeren Probleme damit - die Mütter oder die Väter?
PETRA THORN: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Es entstehen ja für Männer und Frauen ganz unterschiedliche Fragestellungen in diesem Bereich. Der Mann muss sich damit auseinander setzen, dass er zwar sozialer Vater wird, aber seine Gene nicht an das Kind weitergeben kann. Die Frau muss sich damit auseinander setzen, dass sie mit dem Samen eines anderen Mannes schwanger wird und nicht von dem Mann, den sie liebt und mit dem sie eigentlich ein Kind haben möchte.

Empfinden Männer eine solche Schwangerschaft als Untreue?
Wenn Paare bewusst darüber sprechen, taucht dieser Begriff eher selten auf. Ein Bild, das Männer häufiger verwenden, ist der Vergleich mit einem Kind, das ihre Frau aus einer früheren Partnerschaft mitbringt und das sie selbstverständlich annehmen würden. Ich denke, das ist der Versuch, sich für eine Form von Familie ein inneres Bild zurechtzulegen, für die wir als Gesellschaft kein Bild haben.

Spielen Fantasien um die Person des Samenspenders eine Rolle?
Ja, eine ganz große - vor allem für die Frau während der Schwangerschaft. Diese Fantasien sind nur menschlich, denn wir alle tendieren ja dazu, über etwas Unbekanntes, das für uns sehr wichtig ist, viel nachzudenken. Bei der Samenspende können sie eine sehr große Bandbreite einnehmen. Das reicht von Ängsten darüber, wie der Spender - und infolgedessen auch das Kind - aussehen mag und ob es auch gesund ist bis hin zu sehr positiven Fantasien, in denen die Spender stark idealisiert werden.

Sie plädieren dafür, die Kinder über die spezifische Form ihrer Herkunft aufzuklären - warum?
Die donogene Insemination ist eine Form, eine Familie zu gründen, sie ist legitim und sie ist in Deutschland erlaubt - weshalb sollte man mit Kindern nicht genauso offen darüber sprechen wie mit Kindern, die adoptiert sind?

90 Prozent der Eltern tun es nicht.
Häufig spüren Kinder atmosphärisch trotzdem, dass in ihrer Familie etwas anders ist, dass ihre Eltern mit bestimmten Themen anders umgehen, als es in anderen Familien üblich ist. Wir haben mittlerweile Erfahrungsberichte, die das sehr deutlich zeigen. Zum Beispiel gab es eine Familie, in der ein Kind nicht Medizin studieren sollte. Später wurde ihm klar, dass seine Eltern dagegen waren, weil es aufgrund der Blutgruppen hätte feststellen können, dass sein Vater nicht der genetische Erzeuger war.

Meist raten die Ärzte den Eltern, ihren Kindern zu verheimlichen, woher sie stammen. Halten Sie das für richtig?
Es ist in unserem Kulturkreis üblich zu wissen, von wem wir genetisch abstammen. Warum sollte dieses Recht dieser Bevölkerungsgruppe vorenthalten werden? Die Rechtsprechung etwa in Schweden, Österreich oder in der Schweiz sieht vor, dass jeder Mensch das Recht hat zu wissen, von wem er abstammt. Aus psychologischer Sicht ist die genetische Identität Teil unserer Identität, genauso wie die soziale - deshalb sollten die Kinder Bescheid wissen. Die Bedeutung des sozialen Vaters wird dadurch nicht abgemildert.

Ist das die Angst der Eltern, die bislang in vielen Fällen der Aufklärung der Kinder entgegensteht?
Diese Angst ist groß, und sie ist - wie bei Adoptivkindern auch - unbegründet. Die Kinder wissen: Das ist der Mann, der mich großgezogen hat, der für mich im Alltag da ist, und das andere ist einfach der genetische Erzeuger. Interessanterweise steigt die Aufklärungsquote bei Eltern, die sich in Seminaren mit dieser Frage beschäftigen, bis auf 90 Prozent.

Was wollen Kinder über ihren genetischen Erzeuger wissen?
Das ist ganz unterschiedlich: Es gibt Kinder, denen es reicht zu wissen, wer ihr Vater ist und dass es daneben eben noch einen genetischen Erzeuger gibt. Andere haben ein großes Interesse, mehr über ihren genetischen Erzeuger zu erfahren.

Was momentan kaum möglich ist.
In der Tat ist es im Moment so, dass die Unterlagen, wie alle medizinischen Unterlagen, nach zehn Jahren vernichtet werden können. Rund die Hälfte der Ärzte tut das auch tatsächlich, d.h. nach zehn Jahren kann niemand mehr nachvollziehen, von wem ein Kind abstammt. Deshalb brauchen wir aus meiner Sicht eine gesetzlich geregelte Dokumentationspflicht, die beispielsweise angelehnt ist an die gesetzliche Regelung zur Dokumentation von Adoptionsakten.

Das Gespräch führte Karin Nungeßer

Das nächste "Informations- und Vorbereitungsseminar zur Familienbildung mit Spendersamen" findet am 15./16. Mai in der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt statt. Nähere Informationen unter www.pthorn.de oder unter Telefon 0 61 05 - 22 629.


Kinderwunsch per Internet

Adressen von Kliniken, die in Deutschland Spendersamen-Inseminationen durchführen, finden sich unter www.donogene-insemination.de. Hinweise zur Selbstsemination gibt es bei den Frauengesundheitszentren, z.B. unter www.ffgz.de. Bei der Sperm Bank of California existiert seit 1983 ein Programm, das es per Spendersamen-Insemination gezeugten Kindern ermöglicht, ihren genetischen Erzeuger später kennen zu lernen. Sperma-Lieferungen nach Deutschland sind möglich, weitere Informationen unter www.thespermbankofca.org. In der Kopenhagener Storkklinik führen Hebammen Inseminationen durch - auch mit dem Sperma anonymer Spender; deutschsprachige Infos dazu unter www.storkklinik.dk/4_de.


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