Die Causa Uli Hoeneß

Steuerhinterziehung Soll er nun ins Gefängnis oder doch nicht? Wenn dem Präsidenten des FC Bayern München das Gefängnis erspart bleiben sollte, ist Misstrauen durchaus geboten
Ausgabe 29/2013

Wenn man böse sein wollte, könnte man sagen: Die inoffiziellen Verlautbarungen darüber, was den geständigen Steuerhinterzieher Uli Hoeneß demnächst erwartet, sind eine Art Testballon. Die Justiz will herausfinden, wie die Öffentlichkeit – nach neuestem Oppositions-Sprech: das „deutsche Volk“ – auf eine eventuell milde Behandlung des Missetäters reagiert.

Das wäre, wie gesagt, böse. Aber die Sache selbst beruht auf Umständen, die keineswegs ungewöhnlich sind. Keiner Zeitung, deren Polizeireporter auf Zack sind, bleibt verborgen, was in den Räumen von Polizei und Justiz gedacht wird. Ob und wie es ins Blatt kommt, ist eine andere Frage. Aber ob das, was im Blatt steht, immer dem entspricht, was Leser oder Nichtleser dazu meinen, ist noch eine andere.

Kurzum: Es ist verständlich, warum amerikanische Geheimdienstler sich besonders um Privatleute kümmern. Um zu erfahren, was in den Behörden, in Botschaften und Ministerien, auch im Kanzleramt vor sich geht, braucht die NSA keine aufwendigen Apparaturen, die im Schleppnetz-Verfahren zu Werke gehen.

Wofür eine Gefängnisstrafe?

Zurück zum Fall Hoeneß. Wenn dem Präsidenten des FC Bayern München das Gefängnis erspart bleiben sollte – dem Vater von Steffi Graf blieb es nebenbei bemerkt bei einem ähnlichem Vorwurf damals nicht erspart, aber er war eben nur Vater – so ist zunächst Misstrauen hinsichtlich der Gründe durchaus geboten. Genannt wird die Verjährung jenes Teils versteckten Geldes, der den Gesamtbetrag schließlich über jene Höhe tragen würde, bei der eine Haftstrafe unausweichlich ist. Verjährung ist ein undurchsichtiges Kapitel: Wann beginnt sie, wodurch kann sie unterbrochen werden? Wohl dem, der sich einen guten Anwalt leisten kann. Im Prozess entscheidet zuletzt nicht so sehr, was im Gesetz steht, sondern was zur Überzeugung der Richter vorgetragen wurde.

Vor allem aber, was sollte der 60-jährige Hoeneß im Gefängnis? Die italienischen Volkshelden Dario Fo und Beppo Grillo haben soeben in dem Gesprächsbuch Fünf Sterne (bei Klett-Cotta), in dem zumeist nur drin steht, was nördlich der Alpen in Talk-Shows verhandelt wird, wieder einmal die Idee favorisiert, Gefängnisse seien überhaupt nur für schwere Gewalttäter da. Alle übrigen sollten sofort entlassen werden. Nun ja. Aber wer wollte bei Hoeneß das Ziel Resozialisierung definieren? Oder sollte Milde für ihn das allgemeine Rechtsempfinden verletzen? Da läge die Vorstellung von Rache nahe. Aber wer nähme da Rache? Der Staat, die Öffentlichkeit, wir alle?

Es kommt auf das richtige Timing an

„Das Auge des Gesetzes“, wussten die 68er, „sitzt im Gesicht der herrschenden Klasse.“ Dazu gehören schon die mächtigen Aufsichtsratschefs, die über Hoeneß und den FC Bayern mitentscheiden. Aber wenn die, wie bereits geschehen, sich für den Präsidenten ausspechen, sein Verbleiben im Amt befürworten, vorausgesetzt, er muss nicht hinter schwedische Gardinen, agieren sie dann im Interesse der herrschenden Klasse? Oder befinden sie sich nicht vielmehr in Übereinstimmung mit Tausenden und noch mehr einfachen Leuten, die von der Herrschaft so weit entfernt sind wie Hertha BSC vom Gewinn des Tripel. Oder sollten sie die Übereinstimmung geradezu suchen und begrüßen den Testballon der Justiz, um zu sehen, ob sie damit auf dem richtigen Weg sind?

Auf jeden Fall wird ein Prozess gegen Üli, nein, sorry, Uli Hoeneß, wenn es denn dazu kommt, nicht vor der Bundestagswahl stattfinden, aber gegebenenfalls wahrscheinlich vor der Herbstmeisterschaft der Bundesliga. Sollte der FC Bayern München dann nicht auf Platz 1 stehen, hätte sich der Fall für die meisten Interessierten ohnehin erledigt. Brot und Spiele. Daumen rauf, Damen runter. Das reicht.

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