Die Generalprobe für den Angriff auf den Irak

Im Gespräch Franz-Josef Hutsch, Ex-Major der Bundeswehr und Zeuge im Milosevic-Prozess, über private US-Militärfirmen im jugoslawischen Bürgerkrieg

FREITAG: Was hat Sie grundsätzlich dazu bewogen, im Prozess gegen Milosevic als Zeuge der Verteidigung auszusagen?
FRANZ-JOSEF HUTSCH: Als die Berater von Milosevic an mich herantraten, etwas mehr über diesen ominösen Hufeisen-Plan von 1998/99 zu erfahren, dachte ich, einen Beitrag zur Wahrheitsfindung leisten zu können. Bezogen auf einen Krieg, von dem ich immer den Eindruck hatte, er sei sehr stark von der NATO inszeniert gewesen ist. Aber vor dem Haager Tribunal wollte ich nicht das Instrument einer Seite sein. Es gab einerseits den so genannten Hufeisen-Plan, andererseits aber auch Massaker - und ich habe beide Phänomene recherchiert. Insofern war klar, dass ich kein typischer Zeuge der Verteidigung bin. Ich bin aber auch nicht der typische Zeuge der Anklage. Ich bin Kriegsreporter. Und als solcher habe ich beobachtet, geforscht und berichtet.

Warum haben Sie sich entschlossen, in einem Augenblick auszusagen, in dem es die meisten Zeugen ablehnen, vor dem Tribunal zu erscheinen, weil Milosevic das Recht auf Selbstverteidigung aberkannt wurde?
Ihre Frage impliziert, ich hätte entscheiden können, ob und wann ich aussage. Beides lag aber nicht in meiner Hand. Ich bin vom Tribunal als Zeuge vorgeladen worden, weil mich Slobodan Milosevic auf die Zeugenliste gesetzt hat. Es gab vor diesem Hintergrund nur zwei Möglichkeiten: Entweder hätte man mich von der Zeugenliste streichen müssen - oder ich wäre zwangsweise vor das Tribunal geführt worden. Die Einzigen, die einen Nutzen daraus ziehen konnten, hätte ich mich verweigert, wären jene gewesen, die mich in den letzten Tagen vor meiner Aussage bedrohten und forderten, nicht in den Zeugenstand zu treten.

MPRI und die beiden Operationen "Blitz" und "Gewittersturm" in West-Slawonien und in der Krajina

Sie haben in Ihrer Aussage über die private amerikanische Militärfirma "Military Professional Resources Inc."(MPRI) gesprochen. Wer hat eigentlich in Ex-Jugoslawien derartige Privatunternehmen, so genannte PMFs, engagiert - und wer hat sie bezahlt?
Die MPRI ist die private Militäragentur schlechthin, die sogenannte dreckige Jobs für die CIA oder generell für die US-Nachrichtendienste erledigt. Die Firma arbeitet in allen möglichen sensiblen Bereichen, in denen man ein offizielles Auftreten der Vereinigten Staaten verhindern will. Da kann es zu grotesken Situationen wie 2001 kommen, als MPRI auf der einen Seite die mazedonische Armee ausgebildet hat, finanziert durch das Pentagon, also ganz offiziell - auf der anderen Seite aber auch die albanische UÇK in Mazedonien unter ihren Fittichen hatte.

Wer waren da die Auftraggeber?
Das kann man jetzt nur mutmaßen, aber es spricht vieles dafür, dass es die CIA war. Dieses amerikanische Doppelspiel auf dem Balkan führte unter anderem zu der Groteske, dass im August 2001 von Camp Bondsteel im Kosovo aus US-Fallschirmjäger 17 Ausbilder der MPRI zusammen mit UÇK-Kämpfern aus Aracinovo evakuierten - kurz bevor der Ort durch die mazedonische Armee eingenommen wurde.

MPRI war während des Jugoslawien-Krieges offenbar auch in Kroatien und Bosnien. Wissen Sie, wer hinter diesem Auftrag stand?
Nach meinen Recherchen waren auch da US-Dienste beteiligt. In Bosnien wurde MPRI ja ganz offiziell engagiert, um die Armee der bosnisch-kroatischen Föderation zu reformieren - das war Teil eines internationalen Hilfsprogramms und passierte nach dem Abkommen von Dayton, das Ende 1995 unterschrieben wurde. Aber MPRI war auch schon vorher in Bosnien. Ebenso wie in Kroatien. Als die kroatische Armee im Dezember 1994 praktisch besiegt war, wurde sie dank MPRI reorganisiert und in die beiden Operationen "Blitz" im Mai 1995 und "Gewittersturm" zur Vertreibung der Serben aus West-Slawonien beziehungsweise der Krajina im August 1995 geführt. Während meiner Recherchen war ich auf dem Gefechtsstand einer kroatischen Brigade, auf dem die Kommandosprache Englisch war. MPRI hat nicht nur die Militäroperationen geführt, sondern auch dafür gesorgt, dass es zugleich NATO-Luftangriffe auf serbische Stellungen gab. Das würde man militärisch als "Close Air Support" für Bodentruppen bezeichnen.

MPRI leugnet das ...
Ich habe selbst gesehen und gehört, wie ein amerikanischer MPRI-Offizier einem kroatischen Brigadekommandeur bei den Angriffen auf Glina während der Operation "Sturm" Anweisungen gab.

Es heißt in der bisher umfassendsten Studie von Peter W. Singer über private Militärdienstleister, dass sie auch deshalb in Bosnien eingesetzt wurden, um dort den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Ging es da um eine Art Taliban-Formation auf dem Balkan?
Diese Kämpfer, von denen etliche in Afghanistan ausgebildet wurden, waren in Bosnien in Mudschahedin-Brigaden zusammengefasst. Aufschlussreich ist, dass 1996, als diese Leute demobilisiert werden mussten, amerikanische Werber von MPRI auftauchten, um die Mudschahedin in die Türkei zu schicken, wo sie zu Flugleitpersonal ausgebildet wurden, das vom Boden aus Luftangriffe auf Erdziele steuert. Ab Anfang 1998 sind diese für einen modernen Luftkrieg unverzichtbaren Spezialisten zur UÇK ins Kosovo geschickt worden. Die Amerikaner haben sich also bereits 1996 auf Luftangriffe im Kosovo vorbereitet. Gerade dieser Umstand ist es, der mich von einem inszenierten Krieg sprechen lässt.

Wie hat MPRI während des Bosnienkrieges eventuell mit den Mudschahedin kooperiert?
Eine direkte Kooperation konnte ich nicht nachweisen. Aber es gibt Beweise dafür, dass MPRI versucht hat, Ausrüstungen in die UN-Schutzzone Srebrenica zu bringen. MPRI ist an die Soldaten des dort stehenden niederländischen Blauhelm-Bataillons herangetreten und wollte Material und Personal zur Verfügung stellen, um den serbischen Funkverkehr abzuhören. Der niederländische Kommandeur, Tom Karremanns, hat das damals mit dem Hinweis auf die Neutralität der UNPROFOR (UN-Schutztruppe für Bosinien-Herzegowina - d. Red.) abgelehnt. Das hat er mir persönlich bestätigt.

Es handelt sich bei MPRI also um eine eindeutig amerikanische Organisation.
So ist es. Um die enge Verknüpfung von MPRI und US-Militärs noch einmal zu verdeutlichen: Ein US-Offizier oder Unteroffizier nimmt unbezahlten Urlaub von der Army, engagiert sich für zwei oder drei Jahre bei MPRI und wird dann in die Army reintegriert. Zum einen stellt die ihre Führungskräfte unbezahlt frei, um für MPRI zu arbeiten. Zum anderen tut das der Karriere dieser Militärs keinen Abbruch, im Gegenteil.

Es geht demnach keineswegs nur um pensionierte Generäle oder Offiziere wie immer behauptet wird?
Nein.

Das Raçak-Massaker und die OSZE-Beobachter von "DynCorps"

MPRI ist nicht die einzige Privatagentur, die in Ex-Jugoslawien tätig war oder immer noch ist. Die Firma CACI etwa - berüchtigt durch den Folterskandal von Abu Ghraib im Irak - führt seit einiger Zeit "antiterroristische Verhöre" in Bosnien und im Kosovo durch. Dann gibt es noch die Halliburton-Tochter "Kellog Brown Roots", die ebenso engagiert ist wie etwa die Agentur "DynCorps". Meines Wissens stellte DynCorps auch das US-Kontingent der "Kosovo Verification Mission" (KVM) im Herbst 1998 - kurz vor Beginn der NATO-Luftangriffe. Angeblich waren 150 von 200 Beobachtern Mitarbeiter dieser Firma. Können Sie das bestätigen?
Ja, das deckt sich absolut mit meinen Recherchen.

Neutrale Beobachter?
Natürlich nicht. Die meisten Amerikaner und Briten haben nicht als neutrale Verifikateure gearbeitet, sondern vor allem Aufklärung für die amerikanische Zielplanung betrieben.

Aber das bedeutet doch alles, dass diese privaten Agenturen im Prinzip außerhalb des internationalen Rechtssystems agieren. Wer kontrolliert die denn?
Niemand.

Wir haben es demnach eindeutig mit einer Privatisierung von Kriegführung zu tun. Welche Konsequenzen hat das für die Aufarbeitung der Kriege in Ex-Jugoslawien?
Wir müssten anfangen, genau das kritisch zu durchleuchten. Ich wundere mich ja stets von Neuem, dass so viele Dinge immer noch hingenommen werden. Nehmen wir mal den Ranta-Report zum Massaker von Raçak (*). Ein Bericht, der eindeutig sagt, es habe keine Schändungen der Leichen gegeben. Nur Verunstaltungen durch wilde Hunde. Die Süddeutsche Zeitung hat, ohne dass sie einen Reporter vor Ort hatte, detailliert beschrieben, wie einem Mann die Ohren abgeschnitten worden seien. Matthias Rüb ging in der FAZ noch deutlich weiter: Er schrieb von Enthauptungen und ausgestochenen Augen. Er berichtete dies so genau, als hätte er die Leichen in Raçak gesehen. Dabei war er zu diesem Zeitpunkt in Budapest. Wir korrigieren nicht einmal diese Dinge in der deutschen Presse.

Die meisten Journalisten waren 1999 willfährige Helfer der NATO, doch darüber wird nicht diskutiert. Wie wir dann das Engagement von privaten Militäragenturen aufarbeiten wollen, ist mir schleierhaft. Aber das wäre dringend notwendig, wenn wir nicht immer wieder in die gleiche Falle schlingern wollen. Das beste Beispiel ist doch, dass der jüngste Irak-Krieg bis ins Detail der Inszenierung des Kosovo-Konfliktes gefolgt ist. Der war - wenn Sie so wollen - die Generalprobe für den Angriff auf den Irak. In diesem Zusammenhang ist es doch aufschlussreich, dass die Verifikateure der OSZE, die Raçak untersucht haben, nahezu allesamt Amerikaner waren.

Alles Angehörige der Agentur "DynCorps"?
So ist es. Nur ein Detail noch zum Thema Raçak, das von einem absolut ungewöhnlichen Verfahren zeugt. Wenn Beobachter zu einem Einsatz aufbrechen - ob von der UNO, der OSZE oder der EU beauftragt -, stammen sie prinzipiell aus mindestens zwei Nationen. In Raçak aber gab es seinerzeit rein amerikanische Patrouillen.

Das Gespräch führte Mira Beham

(*) Am 15. Januar 1999 wurden in der kosovarischen Ortschaft Raçak 45 Albaner getötet. Die Schuld an diesem Massaker wurde serbischen Sicherheitskräften gegeben, aber sie konnte weder durch den Bericht der Ranta-Kommission noch spätere Recherchen zweifelsfrei nachgewiesen werden.


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