Das Projekt gilt als eine der größten Ingenieursleistungen weltweit. Chinas Süd-Nord-Wasserumleitung, die auf eine Vision Mao Zedongs zurückgeht, soll Wasser aus dem Süden in die wasserarmen nördlichen Regionen bringen. Auch nach Peking, das mit Wassermangel zu kämpfen hat.
Die Bauarbeiten für diesen Verbund haben bereits 2002 begonnen. Wenn sie voraussichtlich 2050 in allen Abschnitten abgeschlossen sein werden, sollen 45 Millionen Kubikmeter Wasser, größtenteils aus den Reservoiren des Jangtse-Flusses, pro Jahr in den Norden fließen – eine Wassermenge, wie sie der Gelbe Fluss in Nordchina führt. Anfang Juni ging der erste Abschnitt im östlichen Teil des Vorhabens in seine Testphase. Der Zeitung China Daily zufolge wird
y zufolge wird dieser Sektor Ende des Jahres den Betrieb aufnehmen und Wasser aus Jiangdu in der am Jangtse-Fluss gelegenen Provinz Jiangsu in die am Großen Beijing-Hangzhou-Kanal gelegene Provinz Shandong leiten.Außerdem sind eine Mittel- und eine Weststrecke geplant, wovon Erstere schon 2014 wirksam werden und Wasser aus der Provinz Hubei in Städte wie Peking und Tianjin transportieren soll. Besagte Weststrecke wird eines Tages Wasser aus dem Oberlauf des Jangtse in den Gelben Fluss befördern, allerdings befindet sich dieser Teil des Megaprojekts noch in der Planungsphase.Trocken wie im Nahen OstenWasserknappheit bedrängt die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt allein schon deshalb, weil auf deren Territorium 20 Prozent der Weltbevölkerung leben, diese aber nur über etwa sieben Prozent der globalen Trinkwasserreserven verfügen. Experten prophezeien, bei gleichbleibendem Verbrauch dürften die vorhandenen Wasservorräte schon 2030 die Nachfrage nicht mehr decken. In einigen Regionen ist die Lage bereits mit der teils prekären Versorgung im Nahen Osten vergleichbar. Da in diesen Gebieten jedoch 45 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts entstehen, können weiter verknappte oder versiegende Ressourcen der Ökonomie schwer zusetzen.Der Süden dagegen verfüge über 77 Prozent des nationalen Wasserdepots, meint Debra Tan von der Hongkonger Non-Profit-Initiative China Water Risk. „Zudem gibt es dort mehr Oberflächenwasser als im Norden, weil der von weniger Flüssen durchzogen wird. Man hat keine andere Wahl, als auf das Grundwasser zurückzugreifen. Nur erneuert sich dieses Reservoir nicht so schnell, wie es verbraucht wird.“ Angesichts dieser Umstände kann der Sinn einer Umverteilung der Wasserressourcen nicht bestritten werden. Doch gibt es Verzögerungen und Rückschläge, vor allem aber harsche Kritik wegen der ökologischen und sozialen Folgen.Ma Jun, Direktor des Instituts für Öffentlichkeits- und Umweltangelegenheiten in Peking, dazu einer der bekanntesten Umweltaktivisten Chinas, wurde kürzlich von China Daily mit der Aussage zitiert, das Projekt werde das Ökosystem des Jangtse beeinträchtigen und dessen Wasserqualität verschlechtern. „Man wird mit der Umleitung des Wassers zwar den Norden besser versorgen, aber irreversible Konsequenzen für das Ökosystem in Kauf nehmen müssen.“ Die chinesischen Behörden haben eingeräumt, dass diese Lasten für die Umwelt nicht zu umgehen seien. 17,4 Milliarden Yuan (etwa 2,2 Milliarden Euro) habe man bereits ausgegeben, um die Verschmutzung des Jangtse in Genzen zu halten. „Doch wir zahlen viel weniger, als wir gewinnen“, ist Zhang Jinsong, der Vizedirektor des gesamten Projekts, überzeugt.Debra Tan von China Water Risk entgegnet: „Zunächst hatte man sich wohl einfach gedacht, wir bringen das Wasser von den Flüssen im Süden in den Norden, dann müssen wir das Grundwasser nicht aufbrauchen. Das mag eine richtige Strategie sein, wirft aber die Frage nach möglichen Schäden für die Ökosysteme der Flüsse auf.“ Es komme hinzu, dass auch im Süden mit Wasserknappheit zu rechnen sei, weil es auch beim Jangtse Niedrigwasser-Periode gebe. Erst 2011 kam es zur größten Trockenperiode seit 50 Jahren. Schuld waren zu geringe Regenmengen. Umweltschützern zufolge hat auch die gewaltige Drei-Schluchten-Talsperre negative Auswirkungen auf den Wasserpegel des Flusses. Letzten Endes könne auch der Wandel bei meteorologischen Mustern Folgen für das Projekt haben, meint Debra Tan. „Unser Wetter hat sich verändert. Wegen des Klimawandels hat es während der vergangenen Jahre im Norden mehr und im Süden weniger geregnet, sodass man dort inzwischen von Dürreperioden spricht. Niemand kann das beeinflussen. Daher wundern sich im Süden jetzt viele, weshalb man Wasser in den Norden umleiten sollte – eine durchaus vernünftige Frage.“Ein „Weißer Elefant“?Das Projekt hat auch soziale Implikationen: Hunderttausende wurden bereits umgesiedelt. In den Provinzen Hubei und Henan, wo das Wasser der Mittelroute entlangfließen soll, mussten gut 350.000 Menschen die Gegend um die Danjiangkou-Talsperre verlassen. Viele der Betroffenen beklagen sich über die mangelnde Qualität ihrer neuen Wohnungen und Einbußen beim Lebensunterhalt. Anfang des Jahres erregte ein Fall öffentliche Aufmerksamkeit, bei dem ein Dorfvorstand wegen Identitätsdiebstahls zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Er hatte unter falschem Namen versucht, wegen mutmaßlicher Umsiedlungen Kompensationszahlungen herauszuschlagen.In Depeschen von US-Diplomaten, die 2008 vor den Olympischen Spielen in Peking verschickt und danach von Wikileaks veröffentlicht wurden, stößt das Projekt Wasserumleitung auf Polemik und Widerspruch. Wenn die chinesische Regierung die Wasserkrise ernsthaft anpacken wolle, heißt es da, „dann müssen Speicherung und landwirtschaftliche Nutzung verbessert werden, anstatt auf eine teure Wasserverteilungslösung zu setzen.“ Das Vorhaben erinnere an einen „Weißen Elefanten“, da die Folgekosten die ursprünglichen Investitionen und den Nutzen weit übersteigen würden. Obwohl sich das abzeichne, sei nicht damit zu rechnen, dass die Regierung ihre ambitionierten Pläne aufgebe. Vermutlich ein zutreffender Eindruck, schließlich wird in Peking argumentiert, 500 Millionen Menschen würden von diesem Ressourcen-Transfer profitieren.Debra Tan von China Water Risk weist daher darauf hin, dass die Regierung keineswegs alternativlos agiere, sondern an weiteren Wassersparlösungen arbeite. „Sie treibt die Wasserentsalzung in den Küstenstädten voran und zeigt sich an Wiederaufbereitungs- und Recyclingplänen für die Städte interessiert. Ich denke, man muss sich das alles im Zusammenhang ansehen, bevor man polemisiert.“