A–Z Diplomatie Deutschland schickt seinen besten Mann zur Beziehungsarbeit nach Athen: Otto Rehhagel. Was er über die hohe Kunst der Diplomatie wissen sollte. Unser Lexikon der Woche
Auto 1964 mischte sich auf den deutschen Straßen ein Kraftprotz unter all die Käfer. Er klang sehr amerikanisch und sah auch so aus: der Opel Diplomat. Er maß fast fünf Meter und war mehr für den Highway gebaut als für die Landstraße. In seinem Inneren röhrte ein V8-Motor von Chevrolet aus Detroit, ein Klassiker der Automobilgeschichte, bis heute der meistgebaute Motor überhaupt. Wer fuhr so ein Schiff? Der, der es sich leisten konnte. Oder eine repräsentative Limousine zum Vorfahren brauchte. Seinem Namen gemäß war der Opel Diplomat in den sechziger und siebziger Jahren sehr beliebt bei Botschaftern und Diplomaten. Auch bei Regierungsbesuchen kam er häufig zum Einsatz. Doch dann kam die Ölkrise. Und mindestens 20 Liter
kam die Ölkrise. Und mindestens 20 Liter Benzinverbrauch auf 100 Kilometer war selbst der betuchten Kundschaft zu viel. Zudem zog sie dem US-Abkömmling deutsche Luxusmodelle vor: die Mercedes S-Klasse und die 7er-Reihe von BMW. Mark StöhrBBasketball Lange Jahre dachte man Diplomatie und Sport nur bei einer Disziplin zusammen. Als Ping-Pong-Diplomatie ist in den Siebzigern der Versuch in die Geschichtsbücher eingegangen, China und die USA mittels Tischtennis näher zusammenzubringen. Allerdings gibt es seit Kurzem – und noch bevor ein ehemaliger deutscher Fußballtrainer zum ➝Sonderbotschafter aufstieg – Konkurrenz auf dem Gebiet der Sport-Diplomatie. Dennis Rodman, Ex-Basketball-Profi und Rebound-Spezialist der legendären Chicago Bulls, der sich schon mal nackt für seine Autobiografie (Bad as I wanna be) ablichten lässt und seine Sex-Erlebnisse mit Madonna ausplaudert, wenn es der Aufmerksamkeit dient – dieser Dennis Rodman fuhr also Anfang März nach Nordkorea, um dort nicht nur ein Basketballspiel zu sehen. Sondern er führte, nun ja, politische Gespräche mit Kim Jong-un, dem er lebenslange Freundschaft versprach. Anschließend berichtete Rodman im US-Fernsehen über die Gespräche und überbrachte eine Botschaft an Barack Obama. Sie lautete: „Call Kim!“ Jan PfaffEErdbeben Manchmal muss erst eine Katastrophe passieren, um verfeindete Staaten wieder miteinander ins Gespräch zu bringen. Eine Naturkatastrophe zum Beispiel. Das war 2008 bei dem Erdbeben im chinesischen Sichuan so, als 80.000 Menschen starben – und China die japanische Regierung bat, Soldaten in die zerstörte Region zu entsenden. Keine Selbstverständlichkeit angesichts des Historikerstreits über das Ausmaß der japanischen Kriegsgräuel. Der Begriff „Erdbebendiplomatie“ fiel erstmals im August 1999. Damals hatte östlich von Istanbul ein furchtbares Beben gewütet. Die ersten Rettungsteams kamen ausgerechnet aus Griechenland. Den eindrücklichsten Fall von Erbebendiplomatie gab es aber 2003 zwischen Iran und den USA. Nach der Erdbebenkatastrophe in Ban mit 30.000 Toten landeten erstmals seit der gescheiterten Geiselbefreiung von 1980 wieder US-Flugzeuge auf iranischem Boden. Die Annäherung zwischen den beiden Erzfeinden war nur nicht von Dauer. MSHHonorarkonsul Ihm gehört ein Learjet, ein Hubschrauber, eine Yacht, ein Penthouse an der Copacabana, eine Ranch und eine Insel mit Pfauen: Hans-Hermann Weyer alias Consul Weyer und adoptierter Graf von Yorck ist ein gemachter Mann. In den Achtzigern und Neunzigern zog er als „der schöne Consul“ durch die Talkshows und benahm sich peinlich. Ein Angeber, der sich damit brüstete, immer Diplomatenpässe von fünf Staaten gleichzeitig in der Tasche zu haben, meistens finsterste Diktaturen. Weyer verdiente Millionen damit, dass er aus Provinzunternehmern Honorarkonsule machte und ihnen so ein bisschen Jetset schenkte. Am Honorarkonsul klebte immer das Schildchen „neureich“. Heute sind andere Titel begehrt: Botschafter einer Hilfsorganisation etwa oder Ehrendoktor. MSIImmunität An sich ist die diplomatische Immunität als Schutz vor Verfolgung in fremden Staaten eine gute Idee. Papst Alexander VI. meinte 1496 etwa zornig, ohne diesen hätte er die „gottlosen Bastardzungen“ königlicher Gesandter ausgerissen.Die seit 1961 allgemein geltende und auch Familienangehörige umfassende Immunität garantiert die Handlungsfähigkeit von Diplomaten. Sie dürfen nicht in Geiselhaft genommen werden, bei Rechtsbrüchen werden sie einfach ausgewiesen. Das lädt aber auch zu Missbrauch ein, wie Ordnungshüter in Hauptstädten zu berichten wissen. So wurden 2011 in Berlin 18.886 Verkehrsordnungswidrigkeiten Diplomatenfahrzeugen zugeschrieben. Auch ein nordkoreanischer Diplomat als Wildfischer durfte nicht belangt werden. Außerdem werden immer wieder Fälle bekannt, in denen Hausangestellte von Diplomaten keinen Lohn bekommen haben oder Gewalt ausgesetzt waren. Vor Gericht kam keiner der Dienstherren. TPJJob Diplomatie als Beruf: Die Erwartungen an Job-Bewerber für den höheren Auswärtigen Dienst sind hoch, wie das Auswärtige Amt betont: „hervorragende intellektuelle Qualifikation, überdurchschnittliche Fremdsprachenkenntnisse, ausgeprägte soziale und interkulturelle Kompetenz und eine robuste Verfassung“. Man soll „jederzeit an jedem Platz der Welt einsetzbar sein“, wird für den Dienst an Deutschland alle drei, vier Jahre versetzt – gern auch in Krisengebiete. Ein abgeschlossenes Hochschulstudium ist natürlich ebenso Bedingung wie die Bereitschaft, sich und den Partner einer Sicherheitsprüfung zu unterziehen. Zum Auswahlverfahren gehören zudem eine politische Analyse und Prüfungen in Recht, Wirtschaft, Geschichte, Politik, Allgemeinwissen. Jemand interessiert? TPMMittel „Der Zweck heiligt die Mittel“ – das berühmt-berüchtigte Zitat stammt von dem Diplomaten Kardinal Richelieu (1585–1642), bekannt vor allem durch Alexandre Dumas’ Die drei Musketiere. Er ist zum Stereotyp des Strippenziehers und Intriganten geworden. Für die Stärkung der französischen Zentralmacht bekämpfte der Kleriker die Hugenotten. Im Dreißigjährigen Krieg koalierte der Katholik zeitweise mit protestantischen Kräften, um Spanien zu entmachten. Bündnisse nach Zweckmäßigkeit und das Ausschalten von Gegnern brachten viele Akteure gegen Richelieu auf. Durch sein enges Spionagenetz, konnte er mehrere Komplotte gegen sich aufdecken. Ob es die im „Musketier“-Stoff erwähnte Diamantennadel-Affäre um eine untreue Königin wirklich gab, ist nicht belegt. In seinem politischen Testament erklärte Richelieu seine bevorzugte Taktik: „Es ist viel besser, die Menschen durch Mittel zum Ziel zu führen, die unmerklich ihren Willen gewinnen, als durch solche, die sie erst durch Zwang zum Handeln bewegen.“ TPPPartner Ein Freund erzählte mir: Wenn er mit seinem Kumpel verabredet ist und seine Freundin ihn am Telefon fragt, wo er sich gerade herumtreibt, antwortet er: „Ich gehe mit meinem Hund Gassi.“ Er begründet das so: Seine Freundin möchte Zeit mit ihm verbringen und würde anfangen, sich Fragen zu stellen, wenn er ehrlich wäre. Ist er lieber mit anderen unterwegs als mit mir? Man könnte diese kleine Telefonlüge daher vorbeugende Diplomatie nennen. Verzwickter wird es, wenn sich beide versprochen haben, total offen zu sein. „Du kannst mir alles sagen.“ Man meint es ja auch so – theoretisch. Aber will man alles wissen? Wieso macht es dir gar nichts mehr aus, ein Wochenende allein segeln zu gehen? Bist du da wirklich allein auf dem Boot? Transparenz im Zwischenmenschlichen ist riskant. Man muss die Wahrheit und ihre Konsequenzen aushalten können. Noch bitterer ist nur noch der Versuch, in blumigen Worten zu überbringen, dass nichts mehr zu retten ist. Maxi LeinkaufSSonderbotschafter Angela Merkel hat es so gewollt: Otto Rehhagel reist Ende März im Auftrag der Kanzlerin für drei Tage nach Athen, um die deutsch-griechischen Beziehungen zu verbessern. Vorgesehen sind Gespräche mit dem Staats- und dem Ministerpräsidenten. Drunter macht es „König Otto“ nicht. Seit er Griechenland 2004 zum Europameistertitel führte, trägt man ihn dort auf Händen, getreu seinem Motto: „Die Griechen haben die Demokratie erfunden. Ich habe die demokratische Diktatur eingeführt.“ Rehhagel funktioniert bestens als Alleinherrscher, doch als Diplomat? Arme Griechen. Er wird ihnen mit seinen Anekdoten die Zeit stehlen. Vielleicht packt er sogar seine berühmteste Plattitüde aus: „Die Wahrheit liegt auf dem Platz.“ Darauf kann es nur eine Antwort geben: Ja, auf dem Syntagma-Platz! MSTTricks Was wäre die Diplomatie ohne ihre Tricks? Das können Schönfärbereien sein, um niemanden vor den Kopf zu stoßen. So lobte Außenminister Westerwelle beim Staatsbesuch in Afghanistan das gute Verhältnis zum Kollegen Rassoul. Einige sehen auch in der durch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erstrebten UN-Anerkennung einen solchen Schachzug. Der Nahostkonflikt solle damit wieder auf der internationalen Agenda an Aufmerksamkeit gewinnen.Richtig kritisch erwies sich Bismarcks Trick mit der Emser Depesche, der den Deutsch-Französischen Krieg auslöste. Ganz nach Plan. Bei einer persönlichen Unterredung mit dem Preußenkönig Wilhelm I. verlangte der französische Botschafter 1870 den preußischen auf den spanischen Thron. In einer Pressemitteilung, sie sollte „den Eindruck des roten Tuches auf den gallischen Stier machen“, so Bismarck, kürzte er die Ereignisse stark zusammen. Man habe auf den König diplomatisch ungebührlich Druck ausgeübt. Das rief derartige öffentliche Empörung in Frankreich hervor, dass sich die Regierung zur Kriegserklärung gezwungen sah. In wenigen Wochen wurden ihre Truppen geschlagen – der Weg zur von Bismarck betriebenen deutschen Reichseinigung war geebnet. TPZZwischenfälle Die Liste diplomatischer Zwischenfälle ist lang. Meist sind es das Protokoll verletzende Äußerungen oder Handlungen. „¿Por qué no te callas?“ – „Warum hältst du nicht die Klappe?“, fragte zum Beispiel König Juan Carlos während des Iberoamerika-Gipfels 2007 in Santiago de Chile. Gerichtet war seine freche Frage an Hugo Chávez, weil dieser die Rede von Spaniens Premier mehrfach unterbrach. Der König wurde zur Ordnung gerufen und verließ den Saal.Aber auch Handfesteres findet sich unter den diplomatischen Zwischenfällen. Die XYZ-Affäre, die von 1787 bis 1800 Spannungen zwischen den USA und Frankreich hervorrief und nur knapp am Kriegsausbruch vorbeischrammte. Drei zunächst ungenannte französische Diplomaten erhoben derartige Forderungen, dass die Amerikaner die Wut packte. Ein anderer „Zwischenfall“ war gewollt: Das im Juli 1914 von Österreich-Ungarn an Serbien ausgestellte Ultimatum, eigene Verfolgungsbehörden gegen anti-österreichische Gruppen auf serbischem Territorium einzusetzen, führte am 28. Juli zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Trotz Zugeständnissen konnte Serbien der Verletzung seiner Souveränität nicht zustimmen. TP
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