Am Anfang war es pure Ungeduld. Statt der üblichen Lieferzeit von ein bis zwei Tagen oder dem Gang zum Buchladen lockte die Möglichkeit: „Jetzt als Download verfügbar“. Zwei Tastendrucke weiter und das „Buch“ war in meinen Händen. Zwar in der eher virtuell anmutenden Gestalt eines Cover-Bildchens mit „Neu“-Fähnchen im nicht minder virtuellen Buchregal der Kindle-iPad-App – aber trotzdem. Ein Hauch von Science-Fiction. War das nicht etwas, von dem wir immer geträumt hatten? Instant-Access zu einer riesigen, mehrsprachigen Bibliothek? Ein Moment, in dem ich schwarz zu sehen begann für die Zukunft der „physischen Medien“. Und damit der Untergang all derer, die damit handeln. Wird es in Zukunft ganze Städte ohne Buchläden geben?
Wie häufig, wenn die Zukunft der Zivilisation auf dem Spiel steht, ist man selbst mit technischen Details beschäftigt. Das E-Book auf dem iPad nämlich hat seine eigene „Physis“. Apples Touchscreen will gestreichelt und gezärtelt werden, damit es die richtigen Dinge tut. Das Blättern mit der bereits zum Markenzeichen gewordenen Wischbewegung ist schnell gelernt. Andere Dinge dauern etwas länger. Wo genau muss man wie lange tippen, um ein Lesezeichen zu erzeugen? Um zum Inhaltsverzeichnis zu springen? Und dann wieder zurück? Kurz fühlt man sich mit dem E-Book ans Lesenlernen erinnert.
Mit der ersten Routine entdeckt man die großen Differenzen: Beim E-Book gibt es keine zufallenden Seiten mehr, man muss es nicht irgendwo einklemmen, man muss es nicht halten, man kann es auf dem Küchentisch oder der Matratze einfach aufstellen. Man kann die Größe der Buchstaben und der Seiten an Geschmack und Sehvermögen anpassen. Man kann schadlos markieren und unterstreichen, was das Zeug hält. Man kann sich sogar anschauen, was andere markiert haben. Und man kann sich für jedes Wort, das man nicht versteht, eine lexikalische Erklärung einblenden lassen, ein Tipp genügt.
Darüber hinaus erleichtert die digitale Form ein paar eher verpönte, aber nicht minder verbreitete Lesetechniken: Man kann den Text nach bestimmten Namen und Worten durchsuchen lassen, was ungeheuer hilfreich ist, wenn man ein vierbändiges Fantasy-Werk liest und nach zwei Wochen Lesepause nicht mehr weiß, wer noch mal genau diese Figur war und was sie eigentlich im Schilde führte. Und noch besser: Wer wie ich zu den Menschen gehört, denen ein Zuviel an Spannung den Lesegenuss verdirbt, muss nun nicht mehr hilflos „nach vorne“ blättern, um ein bisschen Auflösung zu erhaschen, sondern kann gezielt nach den entsprechenden Stellen suchen, um dann entspannt an der Ursprungsstelle weiterzulesen.
An ein paar Dinge gewöhnt man sich nur schwer wie die Abwesenheit von Seitenzahlen. Auch lässt sich die „Dicke“ eines Buches, und wie weit man darin schon gekommen ist, nur mit einer Verlaufsleiste einblenden. Dazu noch bauen sich die Seiten immer unterschiedlich auf; das gute alte Gedächtnis, das sich automatisch merkt, ob bestimmte Sätze oben rechts oder unten links stehen, läuft auf einmal hohl – von der Möglichkeit der Volltextsuche in vorzeitige Pension geschickt.
Es gibt viele Fragen, die die E-Book-Ausbreitung nach sich zieht. Wichtige und unwichtige. Wird es bald den solarbetriebenen Kindle „für die Insel“ geben? Werden unsere Enkel den in diversen „Stores“ hinterlassenen Datenmüll ausräumen wie wir die Dachböden unserer Großeltern? Wird man E-Books demnächst weiterverkaufen dürfen? Ausleihen ist seit Ende letzten Jahres möglich.
Die Autorin besitzt seit April 2011 ein iPad2 3G
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