Um die Achtziger-Jahre-Band Bananarama etwas abgewandelt zu zitieren: Robert De Niro wartet – aber nicht in einer Fantasiewelt, sondern in einem Hotelzimmer. Ich stehe mit dem Presseagenten draußen. De Niro telefoniert gerade noch. Der Agent lugt immer wieder hinein, um zu sehen, wann er fertig ist. Von der Nähe zu dem Star ist der Pressemann völlig überwältigt und möchte auf keinen Fall stören. Er erzählt, er sei mit De-Niro-Filmen aufgewachsen, Taxi Driver sei der Grund gewesen, warum er diesen Beruf überhaupt ergriffen habe. Wir sind uns einig, dass man so etwas besser nicht erwähnen sollte. De Niro könnte einfach die Tür zumachen und uns aussperren.
Nach London ist De Niro gekommen, um über seine neue Rolle als Ex-Mafiaboss zu sprechen, der sich im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms unter neuer Identität in Südfrankreich niedergelassen hat. Das scheint eine passende Rolle für ihn. Im Laufe der vergangenen 40 Jahre haben wir De Niro als zischenden Vito Corleone, aufbrausenden Jake LaMotta, schmierigen Rupert Pupkin und in einer langen Reihe weiterer Charaktere kennengelernt. Mit anderen Worten: Wir haben keine Ahnung, wer er eigentlich ist.
De Niro schleudert seine Arbeit auf die Leinwand und zieht sich wieder zurück – unwillig, der Welt das Werk zu erklären oder über sein Image zu wachen. „Bei jedem anderen Schauspieler habe ich irgendeine Ahnung, wie er im wirklichen Leben ist“, sagte Billy Bob Thornton einmal. „Aber bei Bob De Niro hab ich absolut keine.“ De Niro ist der Moby Dick unter den amerikanischen Schauspielern, er taucht mit Wucht auf und verschwindet dann wieder.
Knüppel über den Kopf
An dieser Stelle wäre es nun schön, De Niros jüngsten Film als spätes Meisterwerk loben zu können – einen Film, der Erinnerungen an seine Vorgänger wachruft. Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Malavita – The Family erinnert so sehr an Good Fellas, dass er Martin Scorseses Gangster-Klassiker als eine Art spaßige Ergänzung in Szene setzt. Doch De Niro fährt als Mafia-Größe Giovanni Manzoni größtenteils im Leerlauf. Regisseur Luc Besson setzt auf slapstickartige Gewalt und Akkordeon-Musik. Man schießt, schwingt Baseballschläger, und die gierigen Amerikaner fallen über Franzosen her. Ich torkelte irritiert aus dem Kino, als hätte man mir den Baseballschläger über den Kopf gehauen.
Das Telefonat ist zu Ende. De Niro bedeutet mir einzutreten, wie ein wortkarger Zahnarzt, der den letzten Patienten des Tages zu behandeln hat. Er trägt eine Brille mit silbernem Gestell und ein braunes Hemd. Sein einst geschmeidiger Körper ist weicher geworden. Er ist jetzt 70 und weiß, dass die Uhr tickt und er keine Zeit zu verlieren hat. Das Beste an Luc Besson sei, dass er seine Filme schnell abdrehe, sagt De Niro. Besson schreie „Action“ und „Cut“, und fertig sei man.
Die Erfahrung habe ihn gelehrt, dass so für gewöhnlich das beste Ergebnis entstehe. Es gebe die Gefahr, zu viel über eine Rolle nachzudenken und sich in Details zu verlieren. „Früher machte ich mir über jede einzelne Einstellung Gedanken. Heute ist das selten der Fall. Es klappt eher mit dem ersten Take, als dass es nicht klappt.“ Und wenn man einen bestimmten Aspekt an einer Figur unbedingt ausdrücken will? De Niro zuckt mit den Schultern. „Dann braucht man vielleicht zwei Takes.“
Schon nach drei Minuten Gespräch komme ich mir vor wie im falschen Film. Es ist, als würde der Papst die Jungfräulichkeit Marias infrage stellen. War es nicht De Niro, der die Kunst des Method Acting, des Völlig-in-die-Figur-Eintauchens, in ungeahnte Höhen führte? Für seinen mit einem Oscar als bester Nebendarsteller ausgezeichneten Part in Der Pate 2 lernte er Sizilianisch. Und den Oscar als bester Schauspieler für Wie ein wilder Stier gewann er 1981, indem er so viel zunahm wie noch nie ein Schauspieler vor ihm und ein Jahr professionelles Boxtraining absolvierte. Er ist bekannt für obsessive Recherchen und dafür, dass er auf jedes winzige Detail achtet.
Kann es sein, dass ihm auf eine bestimmte Weise nichts Schlimmeres hätte passieren können, als berühmt zu werden? Schließlich ist sein Gesicht dadurch bekannt und seine Deckung dahin. „Ja, das stimmt. Es kann schon schwierig sein“, räumt er ein. „Am Anfang war es schwer, mit all der Aufmerksamkeit umzugehen. Als Schauspieler kann man bestimmte Dinge wie Recherchen nicht so leicht machen, weil alle einen kennen. Der Vorteil besteht aber darin, dass die Menschen entgegenkommender sind und einem offener gegenübertreten. Wenn man sie nach ihrer Arbeit fragt, glauben sie, man würde sie verewigen. Das macht sie ehrlicher.“
De Niro vergleicht seine Arbeit mit der eines Malers oder eines Schriftstellers. „Beim Malen oder Schreiben hat man das fertige Produkt aber sofort vor sich, ohne irgendetwas dazwischen. Mit Filmen ist das anders, denn man selbst kommt in dem Film vor. Man muss also mit einer ganz anderen Situation zurechtkommen.“ Bezeichnenderweise ist De Niro der Sohn einer Schriftstellerin und eines Malers. Seine Mutter schrieb Erotika für Anaïs Nin und Groschenromane für ein Krimimagazin. Sein Vater – Robert De Niro Senior – war abstrakter Expressionist und Gelegenheitslyriker. Er gehörte zu einer New Yorker Kunstszene, zu der auch Leute wie der abstrakte Maler Mark Rothko und der mutmaßliche Pate der Pop-Art-Bewegung, Larry Rivers, zählten. De Niro stimmt zu, wenn man sagt, dass er in einem sehr bohemehaften Umfeld aufwuchs.
Kam Jackson Pollock öfter sturzbesoffen vorbei und hat bei den De Niros fröhlich in den Kamin gepinkelt? „Nein, nein, nichts dergleichen“, sagt er. „Mein Vater traf sich nicht mit Pollock. Der Einzige, mit dem er wirklich befreundet war, war Larry Rivers. Aber er war nie einer der Stammgäste im Cedar Tavern, der Szene-Kneipe dieser Zeit.“ Seit einer Weile arbeitet De Niro an einer Dokumentation über seinen Vater, der 1993 starb, ohne je einen breiteren Erfolg für seine Arbeit erlebt zu haben. De Niro sagt, er habe den Film in erster Linie für sich und seine eigenen Kinder gemacht – als eine Art Familiengeschichte.
Mit dem Namen des Vaters
Im Atelier seines Vaters hat er alles genau so gelassen, wie es bei dessen Tod war. Nichts wurde verändert. Aber vielleicht sollte man das nicht zu sehr psychologisierend deuten. Hat er Ähnlichkeiten festgestellt zwischen seiner Art zu schauspielern und der Art, wie sein Vater malte, während er die Dokumentation drehte? „Ja, bestimmte Dinge schon. Ich habe allerdings nicht oft gesehen, wie mein Vater malte.“ Aber manchmal habe er ihn doch beobachtet. „Vielleicht gibt es da eine Verbindung zwischen uns. In der Art, ein Problem genau in den Blick zu nehmen und jeden Aspekt der Situation zu untersuchen, bevor man sich entscheidet, wie man es angehen will. Ich bin mir nicht sicher. Ich habe nie wirklich mit ihm darüber gesprochen, wie er malte. Das hat mich damals nicht wirklich interessiert.“ Er zuckt die Schultern. „So läuft das. Kinder interessieren sich nicht. Das ist sehr schade.“
Was sagte sein Vater zu seinem Erfolg? „Oh, er freute sich für mich. Er war stolz. Vielleicht war ein Teil von ihm auch ein bisschen neidisch, weil er das Gefühl hatte, selbst ein großer Künstler zu sein.“ Er verstummt für einen Moment. Dann fährt er fort: „Sein Name war groß da draußen. Aber sie meinten nicht ihn, es war eben mein Name.“
Als er 30 wurde, war De Niro bereits ein Star. Er hatte einen elektrisierenden Auftritt in Martin Scorseses Hexenkessel, wo er in Zeitlupe durch die Bar stolziert, während „Jumping Jack Flash“ aus der Jukebox dröhnt. Das war der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Scorsese und ihm. Später taten sie sich dann zusammen, um Taxi Driver zu drehen, eine Tour durch das Inferno Manhattans Mitte der siebziger Jahre. Gedreht nach einem brillanten Drehbuch von Paul Schrader. De Niro spielt den einsamen Travis Bickle, gertenschlank, mit stechenden Augen und voller angestauter Aggressivität, die er nicht mehr unterdrücken kann.
Ich tippe darauf, dass dies sein wichtigster Film ist, den er heute am liebsten wieder aufgreifen würde. „Ja, ich hatte diese Idee“, erklärt er. „Ich sagte, warum schreiben wir nicht etwas? Und ich sprach mit Paul und Marty. Paul versuchte auch etwas. Ich habe vergessen, ob es ein Drehbuch war oder nur ein Entwurf. Aber irgendwie hatten wir das Gefühl, dass es nicht das Richtige war. Es zündete nicht.“ Er denkt nach. „Aber mich würde interessieren, was Travis heute so macht. Der Typ hat etwas, all die Wut und Entfremdung. Die Stadt kann so etwas mit dir machen. Marty und ich sind gebürtig aus New York – und selbst wir können uns da fremd fühlen.“
Dass es eine Fortsetzung geben könnte, versetzt mich in freudige Aufregung. Manche Filmkritiker vertreten die Ansicht, dass Travis am Ende von Taxi Driver stirbt und dass es sich bei der unscharfen Schlusssequenz – der Mörder als Held, wie er wieder hinterm Steuer sitzt – nur um eine Fantasie aus dem Jenseits handelt. De Niro blinzelt hinter seiner Brille. „Sie meinen das Ende des Films? Nun, das ist eine interessante Theorie. Ich weiß, dass das nicht die eigentliche Intention war, aber es ist als Interpretation völlig berechtigt.“
Als De Niro anfing als Darsteller, trainierte er mit Stella Adler, der legendären New Yorker Schauspiellehrerin. Sie beschrieb ihn als den besten Schüler, den sie je hatte. Als ihr Name fällt, entspannt De Niro sich. Er spricht von ihren Methoden. Die Method School habe sie als „zu nachsichtig“ empfunden, als einen „zu großen Personenkult“. Das geschriebene Wort sei ihr heilig gewesen. „Bei Theaterstücken war sie rigoros: Das Stück ist das Stück, und der Autor hat das letzte Wort. Du änderst kein einziges, denn es ist in Stein gemeißelt. Die großen Stücke haben eine Botschaft, und die ist politisch.“ Adler hielt einen Kurs für „Textbuch-Analyse“, erinnert sich De Niro. „In dem kochte sie ein Stück auf seine elementaren Bestandteile herunter und baute die Figuren von da aus auf. Ich hatte so etwas noch nie erlebt.“
Es ist interessant, ihn über Theater sprechen zu hören. Ich hatte immer den Eindruck, dass er damit nichts anfangen kann. „Ich mag Filme“, sagt er und kichert kurz. „Ich würde Theater spielen, wenn ich ein gutes, modernes, neues Stück finden würde. Aber mit Film kann man mehr machen. Mir gefällt, dass man etwas erschaffen kann, es danach bearbeiten und am Schluss zusammensetzen wie ein großes Puzzle. Ein Theaterstück kann man höchstens auf Video aufzeichnen und ins Archiv stellen, Filme bleiben. Du bringst sie auf die Leinwand und da sind sie für alle Ewigkeit.“
Die Zeit für das Gespräch ist um, De Niro hat noch mehr Termine. Er stemmt sich aus der Couch hoch, schüttelt mir herzlich die Hand und sagt, es sei schön gewesen, mich zu treffen. Er habe das Gespräch genossen. Es klingt aufrichtig, aber er könnte natürlich genauso gut schauspielern. So ist das mit ihm. Man weiß nie, wann er spielt und wann nicht. Und das, nehme ich an, ist es, was ihn so einzigartig macht.
Xan Brooks ist Reporter und Filmkritiker des Guardian. Im Freitag war von ihm zuletzt ein Porträt von Thomas Vinterberg zu lesen
Junge aus New York
Robert De Niro wurde am 17. August 1943 in New York als Sohn des Malers Robert De Niro senior und der Schriftstellerin und Malerin Virginia Admiral geboren. Nach der Scheidung seiner Eltern 1945 wuchs er bei seiner Mutter im New Yorker Stadtteil Little Italy auf. Er verließ mit 16 Jahren die Schule und tourte mit Theaterstücken wie Cyrano de Bergerac durch die Südstaaten, bevor er ab 1960 in New York bei der renommierten Schauspiellehrerin Stella Adler Unterricht nahm.
Als Filmschauspieler nahm seine Karriere Fahrt auf, als er 1973 in Martin Scorseses Film Hexenkessel mitspielte. 1974 gab ihm Francis Ford Coppola dann die Rolle von Vito Corleone als jungen Mann in Der Pate 2. Dafür wurde er mit einem Oscar ausgezeichnet und die Kritiker feierten ihn als angemessenen Nachfolger Marlon Brandos, der zuvor Vito Corleone gespielt hatte.
Die zwei bedeutendsten Rollen seiner Karriere spielte De Niro dann 1976 in Taxi Driver und 1980 in dem Boxerdrama Wie ein wilder Stier, für das er ebenfalls einen Oscar erhielt. Beide Filme entstanden unter der Regie von Martin Scorsese. In den Neunzigern begann De Niro stärker kommerziell ausgerichtete Filme zu drehen, etwa die Thriller Kap der Angst (wieder mit Scorsese) und Heat von Michael Mann. Aktuell ist De Niro als alternder Pate in der schwarzen Komödie Malavita – The Family von Luc Besson in den Kinos zu sehen.
Als Privatmann lebt De Niro heute weitgehend zurückgezogen in seiner Heimatstadt New York. Viele Jahre gab er überhaupt keine Interviews. Von Hollywood hat er sich eher ferngehalten. „Ich gehe nur nach Los Angeles, wenn ich dafür bezahlt werde“, erklärte er einmal.
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