Ein Requiem auf ein lachsrosa Papier

Ein Jahr ohne „FTD“ Als die Financial Times Deutschland vor einem Jahr von der Bühne ging, sah das aus wie das große Fanal für das Zeitungssterben, das noch kommt
Ausgabe 52/2013

Morgen würden sie wieder loslegen, sagen sie sich. Es ist eine kalte Dezembernacht in einer Hamburger Partylocation, ein Jahr nach dem Ende ihrer Zeitung. Wie in den 14 Jahren zuvor treffen sich die Mitarbeiter der Financial Times Deutschland, jenes deutschen Ablegers des traditionsreichen, ebenfalls auf lachsfarbenem Papier gedruckten, britischen Wirtschaftsblatts – und sie feiern, verbrüdern sich mit den Chefs und machen wie immer kühne, trunkene Pläne für den Journalismus der Zukunft.

Wie damals ist das, ganz am Anfang, als noch Geld da war und Zooelefanten sie zum Fest begrüßten; als ihr englischer Chefredakteur auf der Tanzfläche immer sein Hemd abstriff. Es ist wie in jenem Jahr, in dem es bereits aufs Ende zuging, als schon bei Morgengrauen das Bier ausging und der Verlagsgeschäftsführer die Betriebsratschefin mit seiner EC-Karte zur Tankstelle schickte, um Nachschub zu holen.

Ganz sicher hatten sie schönere Feste als andere Zeitungen. Heute aber haben sie wenigstens noch ein Fest, wo sie doch jetzt schon ein ganzes Jahr lang keine Zeitung mehr haben, auch wenn sie gerade das für eine Nacht vergessen wollen. Zeitungen haben eine Seele, aber es gibt keine Ruhestätten für Zeitungsseelen, weswegen so ein Zeitungstod auch jetzt nichts Tröstliches hat.

Vielleicht deshalb läuft der Geist dieser Zeitung immer noch frei herum. Als die Financial Times Deutschland vor einem Jahr mit Aplomb von der Bühne ging, da sah das aus wie das große Fanal für das Zeitungssterben, das noch kommt. Die FTD war jung, als sie starb, sie wollte immer die modernste Zeitung sein. Am Ende haben ihr gerade die Traditionsleser gefehlt, die andere Zeitungen auch in diesen schlechten Zeiten hatten. Ein Umstand, der es jenen jetzt umso schwieriger macht, beherzt ein dauerhaftes Überleben zu sichern. Das kann man derzeit bei den Versuchen von SZ und FAZ beobachten, sich für die digitale Ära zu rüsten.

Bei der FTD hatten sie radikalste Ideen dafür, auch noch, als sie schon fast tot waren. Zum Beispiel wollten sie den restlichen Print-Abonnenten ein Tablet schicken und dann selbst die Druckerpressen für immer anhalten – für Deutschlands erstes rein digitales Ersteklasse-Medium. Journalismus ohne Kompromisse, weil er wie früher hauptsächlich vom Geld und vom Vertrauen seiner Leser lebt. Was für eine sinnvolle, realistische, zukunftsweisende Idee, auch wenn sie nicht mehr in FTD-Rosa verwirklicht werden wird. Denn schließlich hatte ihr Verlag keine Geduld mehr. Und andere Probleme.

Die FTD-Leser haben sich übrigens großteils völlig vom Zeitunglesen verabschiedet: Wenn nicht dieses Blatt, dann gar keins! Und die FTD-Mitarbeiter, die so oft geschrieben haben, dass man Veränderungen umarmen muss, haben nun ein Jahr lang gelernt, was das bedeutet. Vielleicht sind daher besonders viele Leute darunter, die schon ein wenig mehr über die Zukunft des Journalismus wissen als der Rest.

Und während in Hamburg ein fahler Wintertag heranbricht, feiern sie wie ehedem. In Hamburg geht es weiter, während unbemerkt ein fahler Wintertag heranbricht. Erst am Morgen zerstreuen sie sich in alle Richtungen. Ein Tag, an dem wieder ein bisschen Lachsrosa in die Welt kommt.

Lutz Meier war 13 Jahre bei der FTD u. a. als Medienredakteur und Paris-Korrespondent. Er ist freier Wirtschaftsreporter und bloggt unter blogs.stern.de/meiersmedienblog

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