Früher hießen sie Doktor Watson oder Robin, und ihre wichtigste Aufgabe bestand darin, den genialen oder anderweitig mit Superkräften begabten Helden der Geschichte noch heller erstrahlen zu lassen. In der Literatur begegnet man solchen Figuren mittlerweile selten, ihre neue Heimat haben sie im Fernsehen gefunden, als so genannte Sidekicks. Nun tragen sie Namen wie Elton oder Manuel Andrack, ihr Job ist jedoch weiter derselbe: dem Selbstdarsteller die Bühne zu bereiten. Auch Henryk M. Broder suchte vor nicht allzu langer Zeit einen solchen Sidekick, um mit ihm kamerabegleitet durchs deutsche Land zu touren und am Ende daraus die ARD-Reportage-Serie Entweder Broder zu basteln. „Ich habe lange überlegt, wen ich bitten könnte, mit mir auf Deutschland-Safari zu gehen. Meine erste Wahl wäre Barbara Schöneberger gewesen, aber ihr Management war dagegen“, erklärt er auf der Website der Sendung. Wie ernst auch immer das gemeint ist, am Ende entschied sich Broder jedenfalls für Hamed Abdel-Samad.
Der ist so ziemlich das genaue Gegenteil der Schöneberger: nicht blond, nicht laut und auch ein lockeres Mundwerk will man ihm nicht nachsagen. Abdel-Samad antwortet stets ruhig und bedacht, wenn er etwas gefragt wird, und beginnt Gespräche offenkundig nur dann, wenn es ihm wirklich ernst damit ist. Man weiß nicht, ist es bloß Schüchternheit oder doch die streng religiöse Erziehung, die er genossen hat?
So penibel Abdel-Samad seinen Bart meist auf ein elegantes Drei-Tage-Niveau trimmt, so perfekt beherrscht er auch sich selbst, wenigstens in der Öffentlichkeit. Einzig das professorale Wippen auf den Fußballen deutet manchmal daraufhin, dass er das Stillstehen nicht gewöhnt ist. Wäre auch seltsam, denn Hamed Abdel-Samad hielt sich bislang noch nirgends allzu lange auf. Geboren wurde er in Gizeh, er wuchs als Sohn eines Imams in einem ägyptischen Dorf auf, zum Studieren ging er erst nach Kairo, dann nach Augsburg, er forschte in der Folge in Erfurt und Braunschweig, verbrachte einige Zeit in Japan, lehrte dann in München – wo er schon wieder nicht zur Ruhe kam. Sein erstes Buch Mein Abschied vom Himmel erschien 2009 und wurde bald zum Gegenstand einer Fatwa. Manchmal handelt es sich dabei zwar nur um eine PR-Aktion einer islamistischen Kleinstgruppierung. Doch in diesem Fall nahm Abdel-Samad die Drohung ernst. Er fühlte sich nicht mehr sicher, verzog nach unbekannt.
Die Universität verließ er im selben Jahr, um sich fortan ganz dem Schreiben zu widmen. Vor kurzem wurde sein zweites Buch veröffentlicht, in dem es nun nicht um die eigene Vergangenheit, sondern um die Zukunft seiner Religion geht. Der Untergang der islamischen Welt: Eine Prognose prophezeit den Muslimen düstere Zeiten: Der islamistische Terrorismus gilt Abdel-Samad nicht als Zeichen baldiger Machtübernahme, sondern als finales Aufbäumen einer aussterbenden Religion. Wenn er selbst die These seines jüngsten Werks erklärt, dann wählt der Autor ein ums andere Mal die Metapher des Zuges in die Moderne, den die islamische Welt verpasst habe und dem sie deshalb nun die schlimmsten Verwünschungen hinterher schicke.
Man mag es Hamed Abdel-Samad nicht übel nehmen, dass sich beinahe alle Interviews mit ihm ähneln. Schließlich wollten all die Medien bislang Dasselbe von ihm wissen. Nämlich wie das war, im Alter von vier Jahren von einem Teenager missbraucht zu werden, im Alter von elf Jahren von einer Gruppe Jugendlicher missbraucht zu werden, später radikal islamistisch zu denken, dann nach Deutschland zu kommen, eine 18 Jahre ältere, spirituell interessierte Lehrerin zu heiraten, einen psychischen Zusammenbruch zu erleiden, vom „Glauben zum Wissen“ zu konvertieren und schließlich wegen des Buches, in dem er all das schildert, bedroht zu werden. Womöglich schützt sich Abdel-Samad mit gewissen Standards von Antworten, die deshalb oft wie Bonmots klingen, auch einfach vor der Frage nach dem Zusammenhang zwischen seiner mit der Gewalt vertrauten Biografie und seinen Thesen über den Islam. Immerhin gab er in der konservativen Schweizer Weltwoche freimütig zu: „Ich arbeite nicht mit Statistiken, sondern mit meinen Augen und Ohren. Und was ich beobachte, ist eindeutig.“
Etwas Besseres als die Deutschland-Safari mit Henryk M. Broder hätte Hamed Abdel-Samad mithin nicht zustoßen können. Nicht nur, weil Entweder Broder wie jede TV-Sendung Werbung für ihn und seine Bücher darstellt, um die ein freier Autor nun einmal nicht herum kommt. Sondern auch, weil Abdel-Samad nun endlich wieder beobachten darf, andere Fragen beantworten und auch stellen kann und vor allem: unterwegs ist – auch wenn er sich in dem sowohl farblich als auch motivisch grell ausgestatteten Auto von Entweder Broder anfangs noch sehr fremd zu fühlen scheint. Zum Unterwegssein gehört eben auch, dass man weiß, wann man den Zug alleine abfahren lässt. Zwar ist sich Abdel-Samad nicht zu schade, Broders Hündin Wilma zu säubern: „Wenn meine Familie in Ägypten das sehen würde: Ich putze den Arsch eines Hundes von einem Juden.“ Als Henryk M. Broder jedoch als mobile Stele verkleidet das Bürgerfest des Berliner Holocaust-Mahnmals beehren will, hält Hamed Abdel-Samad ein: „Da mache ich nicht mit. Das ist meine Grenze. Bis hierher und nicht weiter.“ Zum Dirigieren einer bayerischen Blaskapelle lässt er sich dagegen nicht allzu lange bitten. Da lacht er dann zur Abwechslung auch mal verhältnismäßig laut und lange.
Katrin Schuster lebt in München. Sie schreibt seit 2005 vor allem für das Kulturressort des Freitag
Kommentare 11
Augsburg!! der Arme.....
Abdel-Samad. Deutschland hat seinen House Negro gefunden:
Es muss für einige ganz schon ärgerlich sein, wenn da ein aufgeklärter und intelligenter Muslim so viele unliebsame Wahrheiten ausspricht. Als Islamophobiker kann man ja ihn ja schlecht abstempeln. Also besser ignorieren, lautet wohl die Devise. Oder man greift zu stumpfsinnigen Beleidigungen, wenn man schon keine Argumente hat.
Die (relative) Sprachlosigkeit hier spricht Bände. Wo bleibt (nur z. B. ) Herrn "Muhabbetci" `s Meinung?
Anstatt bei dieser Problematik so sorgfältig als möglich zu differenzieren, um zu Klarheiten und folglich zu gemeinsamen Lösungskonzepten zu kommen, wird von den Befürwortern der Islamischen Kultur hier in der Community tatsächlich immer nur plakativ alles Symptomatische der Missverhältnisse mit unsinnigen Schuldzuweisungen oder Beleidigungen zugekleistert !
Das macht doch die ganze Sache nur noch viel schwieriger und die Kritiker berechtigt misstrauischer !
Liebe Vorkommentatoren,
Wahrscheinlich ist Ihnen nicht aufgefallen, dass Frau Schuster ihr Porträt vielschichtig und differenziert aufbaut, sie den ruhigen, eben aus seiner Sicht berichtenden Hamed Abdel-Samad, der dabei aber fair bleibt und nicht beleidigt, vorstellen möchte. - Da kann auch jeder, der dessen Ansichten nicht, oder nicht völlig teilt, ganz gelassen bleiben, zuhören, aufnehmen und sich Gedanken machen.
Herr Abdel-Samad hat schon viel erlebt und noch viel mehr geglaubt und gemacht in seinem Leben, er ist ein vielschichtiger Mensch.
Übrigens sind die Thesen, nämlich dem Islam eine umfassende "Aufklärung" zu wünschen und diese zu fordern, ziemlich nahe bei den Absichten der Hauptströmungen der Euroislams, von Frankreich, über den Balkan, bis zur korankritischen Schule von Ankara in der Türkei. Das ist ja das gemeinsame Endziel. Der wahhabitische Islam hat doch in Europa überhaupt keine Chance unter den Muslimen. Dafür aber, über die Gewinnabschöpfung, bei den westlichen Autofreaks, die sogar zum Zigarettenholen raffiniertes Öl brauchen, umso mehr. Die finanzieren ihn, und ermöglichen zumindest der Führungsschicht ein Leben, das in den meisten Fällen nicht ihrer Leistung für die Geselschaft dort entspricht.
Umgekehrt schießt es sich in diesen Ländern am Besten mit dem westlichen Waffenarsenal und es besteht ein nie endender Hang der Oberschichten und Mitteleschichten dort, sich mit den Gütern der asiatisch-westlichen Konsumproduktion auszustatten. - Ich glaube nicht, dass Donnerstag, little Louis und nemequitte, leichtertig auf die Wirtschaftsrealationen mit dieser Art Islam verzichten wollten, denn der sichert auch Daimler, sogar in Notzeiten, wenn Kapital gebraucht wird.
Ein Europa ohne Ansehen der Religionen und Glaubensüberzeugungen, in dem aber jeder, das sollte besonders betont werden, ohne große Mühe seinen Platz finden kann, das ist das Ziel der Muslime Europas.
Abdel-Samad spricht vornehmlich über seine Erfahrungen in der arabischen Welt und Ägypten, denn dort sind die Bemühungen um einen Anschluss an die Moderne viel weniger weit. Die Gründe dafür sind so vielfältig, das füllte mindestens eine zehnteilige Artikelserie im Stile des Dekalogs. Er ist ehrlich besorgt, dass eigentlich sehr junge, dynamische und bevölkerungsreiche Länder hinter der Weltentwicklung zurück bleiben, weil alte Traditionen, die Herrschaft von Sippen und Militärmachthabern und verquaste, so gar nicht im Koran stehende Traditionselemente, dort eine Besserung aufhalten. Diese Klage wird seit undenklichen Zeiten von arabischen und ägyptischen Intellektuellen geführt, sogar in halbamtlichen Kairoer Zeitungen. Leider haben diese Leute dort so wenig Einfluss und so wenig Zuspruch, wie hier die Mahner zu mehr Besonnenheit und nicht-denunziatorischer Kritik.
Stumpfsinnig beleidigt hat Abdel-Samad hier, beim "dF", weder redaktionell, noch aus der Community, irgend jemand.
Für Hendrik Broder scheint er sich allerdings zu Recht, zu schämen. Weil der nämlich kaum Grenzen kennt und gerne Leute vorführt. - Manchmal glaubt er das nur und führt sich vor. - Stil und Auftreten, vor allem die Art der Sprache, machen übrigens auch den Unterschied, wenn man miteinander ins Gespräch kommen will, um dann etwas zu ändern.
Daher geht es eben in der Islamkonferenz, wie Herr Abdel-Samad ausführt, um praktische Überlegungen und nicht um Polemik.
An der Uni in München, ist er derzeit nicht als Mitarbeiter geführt:
www.jgk.geschichte.uni-muenchen.de/personen/ehemalige/abdelsamad/index.html . Dort schließt er wohl noch sein Projekt, eine Dissertation über das Bild der Juden in ägyptischen Schulbüchern ab.
Grüße
Christoph Leusch
@Columbus
Ich bezog mich nicht auf Katrin Schuster, deren Artikel ich vollkommen o.k. finde, sondern auf "Iranopoly". Halten Sie "House Negro" etwa nicht für eine Beleidigung?
Schön zu wissen, Donnerstag,
Nein, den Clip zu Malcolm X, El Hajj Malik el-Shabazz, hätte ich nicht eingestellt, weil er auf Samad nicht passt.
Aber er passt auf die Verwendung Samads in den Medien.
Dort muss er, um seine durchaus bedenkenswerten Gedanken überhaupt vortragen zu können, mit Broder in einer beschämenden Klamotten-Serie unterwegs sein und mit der Begründung, er stimme Sarrazin zwar nicht zu, kämpfe aber für dessen Meinungsfreiheit, - Dabei gab es da gar keinen Kampf, denn die Publikation war sorgfältig marketingtechnisch vorbereitet und völlig generalstabsmäßig von großen Verlags- und Medienhäusern geplant-, in Erscheinung treten. - Sonst würde ihn niemand kennen, niemand einladen und niemand hören. So sieht es aus.
Nur nebenbei: Was denken Sie, wie, und mit welchem Beiwerk, zu Abdel-Samad bei PI und den Pro-Foren oder bei der neuen Berliner "Freiheitspartei" gedichtet wird?
Ich denke, es fahren Leute mit Abdel-Samad spazieren, denken Sie doch nur einmal an Broders letztes Aufregerbuch, die wollen nicht einen aufgeklärten und europäischen Islam, einen Fortschritt in den arabischen Ländern, die wollen gar keinen Islam.
Liebe Grüße
Christoph Leusch
Wenn man keine Argumente hat, Iranopoly, dann haut man einfach mal unter die Gürtellinie!
Es wird Ihnen nichts nützen!
Ich lese und höre lieber Hamed Abdel-Samad als Ihre bösartigen Seitenhiebe auf Deutschland und Schönrednerei des iranischen Regimes hier zu verfolgen!
Jemand wie Hamed Abdel Sama wird jedenfalls weit mehr für das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen in diesem Lande bewirken als Ihr Bombardement dieses Forums!
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Zu dem ausgesprochen dümmlichen Artikel von Frau Schuster später mehr: wofür sollte der jetzt so in etwa gut sein?
Damit man überhaupt mal sieht, worauf sich Frau Schuster bezieht, hier ein paar Ausschnitte:
www.youtube.com/watch?v=kyOwi2pnFFw=1=PLA7619BB2DBDFAF97=1
www.youtube.com/watch?v=wbO9QlQeW5Y=1=PLA7619BB2DBDFAF97=2
www.youtube.com/watch?v=nNh__JwpI3E=1=PLA7619BB2DBDFAF97=3
www.youtube.com/watch?v=mz0MLVUjf98
www.youtube.com/watch?v=IZZ1PeqgEYg
Mehr bei youtube.
"Der wahhabitische Islam hat doch in Europa überhaupt keine Chance unter den Muslimen", andererseits regiert immer noch Geld die Welt :-((, und was son schönes neues Sofa oder n Herd undn Kühlschrank ausmacht (in meinen Wahl- und Abstimmentscheidungen) das sieht man hier in der Türkei.