Ein wenig müde?

Ministerpräsident Reinhard Höppner Gelegentlich die Politik neben sich her laufen lassen

Manchmal sieht es aus, als sei er kleiner geworden, schmaler. Die Auftritte neben dem, in den anhaltinischen Wahlkampf geeilten, breit lächelnden Gerhard Schröder zwingen Reinhard Höppner in die Rolle des von der Seite aufblickenden Gefolgsmanns, ein wenig geehrt vom hohen Besuch, ein bisschen erhöht, aber viel zu leise, um dem Kanzlerauftritt die unverwechselbar landespolitische Sicht hinzuzufügen und so die eigene Person und die Landes-SPD in gleißendes Licht zu setzen.

Aber Höppner ist kein Mann der Show, was ihm von West-CDU-lern mit Ambitionen auf anhaltinische Ministersessel, wie dem ehemaligen Bahnchef Ludewig, schon einmal die wenig liebevolle Bezeichnung "Laienspieler" einbringt. Allerdings soll nicht nur Höppner zum politischen Leichtgewicht gestempelt werden, sondern die ganze Schar von Ostpolitikern, die mit dem geschmähten sozialen Gewissen auch künftig Wähler gewinnen will. "Mit sozialen Wohltaten kann man kein Land aufbauen", heißt es für das mittelständische CDU-Volk. Das hindert die Christdemokraten allerdings nicht daran, im wahlkämpferisch ausstaffierten öffentlichen Raum mit schmollendem Kindermund zu fordern: "Mein Papi soll hier Arbeit finden". Die ebenfalls mit Kindern werbende SPD will Erreichtes gewürdigt wissen: "Unser Land hat die beste Kinderbetreuung".

Der Mathematiker Höppner weiß, dass allein mit den bekannten Vorzügen keine neuen Felder zu entdecken sind. Das war bislang seine Stärke: Nachdenken, Schlussfolgern und Strategien abseits vorgeformter Denkmuster suchen. Er war der richtige Mann, um ein Magdeburger Modell auf den Weg zu bringen - eine in Deutschland wenig geschätzte Spielart der Demokratie mit wechselnden Mehrheiten. Er war einer von denen, die in einer von CDU-Ministerpräsidenten abgewrackten Industrielandschaft für ein paar neue Konturen sorgten, allerdings viel zu wenige. Und sein Verständnis von Politik als vermittelnder, ausgleichender Kraft hat dazu beigetragen, die Ausgrenzung eines Fünftels der Wähler, der PDS-Anhänger nämlich, zu verhindern.

Aber die originellen Ansätze sind seltener geworden, die unkonventionellen Wege mühsam, die Zeiten für das Land bleiben hart, die Arbeitslosenzahlen wie erstarrt. Der Politiker Höppner hinderte den nachdenklichen Menschen Höppner nicht daran, das Tempo der Entwicklung in Beziehung zum Zustand der Seelen zu setzen. Die sind in Sachsen-Anhalt ein wenig angekratzt. Ewig hören zu müssen, dass die Städte im Land sich leeren, weil vor allem junge Leute der Arbeit hinterher ziehen, verhindert Großmäuligkeit. Und so wirkt der Ministerpräsident gelegentlich, als laufe die Politik neben ihm her. Seine Toleranz, die das fast entindustrialisierte, aus mehreren, unterschiedlich strukturierten DDR-Bezirken zusammengesetzte Land immerhin einte, wirkt nicht mehr zielstrebig.

Doch unverdrossen glaubt Höppner nach wie vor, seinen in der Nachwende-Volkskammer gepflegten Politikstil abseits von Kabale und Machtspielen beibehalten zu können. Die Debatte im Vorfeld der Wahlen mit seinem CDU-Konkurrenten Wolfgang Böhmer kam wie ein distinguierter wissenschaftlicher Disput daher, akademische Anreden und Floskeln inbegriffen. Der Amtsinhaber machte den Eindruck, als wolle er einen möglichen CDU-Koalitionär nicht verprellen. Das aber legt der Wähler als Schwäche aus - bloß nichts tun, was der Bundespartei schaden könnte. Wenn er dann noch auf die Vorstöße seines bisherigen Beinahe-Partners PDS, einen eigenen Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten anzumelden, mit der Bemerkung "die sind ja größenwahnsinnig" reagiert, dann stimmt die Richtung wohl nicht mehr. Statt rot-rot in rosiges Licht zu setzen, verkünden beide Parteien das Ende der Liebe, was bestenfalls einem Dritten nützen kann. Offenbar beherrschen die Wortführer in SPD und PDS nicht den gewandten Angriff, der den Gegner in die Defensive drängt und zum Reagieren zwingt, wo er agieren möchte.

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