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Kommentar Rabattpunkte sammeln mit gutem Gewissen

Wäre Geiz wirklich geil, wäre die Payback-Karte wohl eine Art Placebovariante von Viagra. Das größte deutsche Rabattunternehmen, Loyalty Partner, lockt seit einigen Jahren mit seiner Payback-Karte Punkte zu sammeln, die dereinst etwa in Zeitschriftenabonnements umgewandelt werden können. Es genügt, etwa beim Kaufhof Alltägliches einzukaufen oder bei Europcar das Auto für den Wochenendausflug zu mieten. Ein wertvolles System für die Händler: Die Kunden werden über ihren Sammel- und Spartrieb an die Payback-Unternehmen gebunden und Loyalty Partner kann individuelle Kundenprofile erstellen. Die elektronische Auswertung der Einkaufsvorgänge bei unterschiedlichen Händlern macht es möglich, genau nachzuvollziehen, wer was an welchem Wochentag um welche Uhrzeit für welchen Betrag gekauft hat, welche Regelmäßigkeiten es gibt und wie Konsumenten auf Weihnachtsgeld oder Steuererhöhungen reagieren. Das Beste: All diese Auskünfte werden freiwillig erteilt. Wer an einer solchen Ausforschung teilnimmt, unterschreibt die Einwilligung in die Sammlung und Auswertung der Daten durch Loyalty Partner und die Weitergabe der Erkenntnisse an die Partnerunternehmen. Wer mit Payback zahlt, kann sich auch gleich nackt auf den Marktplatz stellen. Datenschützern sind die »Bonusprogramme« deshalb schon lange ein Dorn im Auge, der Widerstand gegen die Karten wuchs - auch mit dem Hinweis, dass die Prämien den Verlust der informationellen Intimsphäre schwerlich aufwiegen können. Aber breite Akzeptanz ist für Kundenerforschung das A und O, und so ist seit einigen Wochen eine besonders perfide Spielart der Payback-Karte auf dem deutschen Markt: Die »unicef Friendship Karte«, eine kombinierte Payback- und VISA-Kreditkarte. Für je vier Euro Umsatz über VISA bekommt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen einen Cent. Die Payback-Punkte werden separat erfasst, die Einkäufe bei den angeschlossenen Unternehmen wie bei der normalen Karte individuell ausgewertet. Die Gefahr: Mit den zweieinhalb Promille am VISA-Umsatz als Spende an UNICEF erkauft sich Payback das Wohlwollen von Menschen, die dem überwachenden Rabattsystem sonst vielleicht skeptisch gegenüberstünden. Die bunte UNICEF-Karte vermittelt das Gefühl, mit einem wirklich guten Namen zu zahlen. Shoppen für den guten Zweck: Ein Marketing-Coup. Gemäß den Anzeigen von UNICEF und Payback, in denen über drei Viertel der ganzen Seite ein Mädchen strahlt, ist es »Die erste Kreditkarte, die nicht nur Sie zum Lächeln bringt.« Stimmt. Auch die Datensammler werden sich ins Fäustchen lachen. Noch nie war es so leicht, Menschen guten Willens zur Preisgabe ihrer Daten zu bringen.

Geiz ist nicht geil, mitunter aber datenschützend: Saturn akzeptiert zugunsten niedrigerer Verkaufspreise kein Rabattsystem - und keine Kreditkarten.

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