Eine Kiste Superpunk, bitte!

Musik Es gibt ein paar wenige Dinge, die muss man – ach was, man darf sie – nicht neu erfinden
Ausgabe 02/2019

Einmal Superpunk, bitte!“ hieß das dritte Album der 1996 gegründeten Band Superpunk. Wer so etwas, sagen wir, in einer Kneipe bestellen würde („Mach mal drei Superpunk, bitte!“), dem knallt man sicher drei Bier auf den Tresen. Beim Bier würde man dann Fußball gucken, darüber lamentieren, wie schlecht die Welt ist – und die Arbeit? Ohnehin ein Verbrechen.

Auf den Alben der Hamburger Band gab es herrlich euphorische Momente: verschwitzten Northern-Soul, gemischt mit einem deftigen Schlag Kellerpunk und Pub-Rock. Und die ganzen rebellischen Texte über das Sich-nicht-unterkriegen-Lassen, über das Im-Clinch-mit-der-ganzen-Welt-Liegen, über Niederlagen, die nicht ohne Hoffnung bleiben müssen. Da war der Schrei nach Gerechtigkeit zwischen den schmutzigen Tasten der Soul-Orgel; der Ruf nach der Weltrevolution, nicht morgen, sondern in drei Minuten; der Ruf nach neuen Zähnen; die Lust, Freund und Feind zu unterscheiden; die Lust, dem Fabrikanten mal amtlich die Fresse zu polieren (die Faust hatte die Band schon in ihrem Logo) – und vor allem: die schöne Selbstversicherung, damit nicht alleine zu sein.

All das liebte man, dafür fuhr man früher von, sagen wir, Wiesbaden sogar bis ins unterfränkische Aschaffenburg. Männerabende mit feuchtfröhlichem Revoluzzer-Appeal waren das. 16 Jahre lang konnte man all das mit Carsten Friedrichs, Tim Jürgens, Lars Bulnheim, Thorsten Wegner und Thies Mynther immer wieder erleben. Friedrichs hat die musikalische Grundidee der Band einmal so beschrieben: „Es ergibt sich so, wir hören halt gerne Soulmusik, sind aber nicht in der Lage, diese Feinheiten zu spielen, deshalb braten wir da so drüber.“ Und so klang es auf ihren Alben auch. Auf A bisserl was geht immer, Wasser Marsch, Einmal Superpunk, bitte!, Why not? und Die Seele des Menschen unter Superpunk. Rumpelgitarren, aber noch mehr Soul, Bläser, tolle Parolen wie „Ich weigere mich, aufzugeben“, „Die Zeit ist eine Säure, die die Liebe zerfrisst“ oder, noch besser, „Ich mag den Mann nicht, der ich bin“. Das klang so stark, dass sich Rocko Schamoni an seine Jugendliebe zu den Dexys Midnight Runners erinnert fühlte.

Schergel, schergel

Das war kein St.-Pauli-Hell’s-Bells-Stadionrock, das war der „Eric Cantona Stomp“ (noch so ein schöner Titel), mit dem sie es auf immerhin fünf Studioalben brachten – und der heute schmerzlich vermisst wird, auch wenn Friedrichs und Jürgens mit anderen Musikern als Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen nicht ganz von der Bildfläche verschwunden sind.

Doch jetzt sind sie wieder da. Nicht als Band, sondern als Box. Mehr ist Mehr (1996 bis 2012) heißt das feine Teil, in der Kiste befinden sich nicht nur alle fünf neu gemasterten Studio-Werke, sondern auch ein Live-Album und Raritäten wie Übungsraummitschnitte, alternative Mixe, Coversongs und Outtakes.

Beim Wiederhören dieser pumpenden Jungsmusik ist man angenehm wenig überrascht: Alles klingt wie immer, alles klingt gleich geil, alles schallt „Schrei-schrei, schepper-schepper, schergel-schergel!“. Nach Durchhören verfestigen sich zwei Weisheiten: Man muss Soulpunk nicht immer neu erfinden. Es ist gerade super, wenn sich die Songs ähneln. Die andere ist fast genauso wichtig: Man kann eine ehrliche Band nicht auf die Knie zwingen.

Info

Mehr ist Mehr (1996 – 2012) Superpunk limitiertes 7-LP/CD-Boxset (Tapete Records)

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