Einsam

Kommentar Eine Kulturstaatsministerin macht noch keine Kulturdebatte

Sie kam, sprach und siegte. Nur Stunden nach der ersten Begegnung mit ihrem neuen Chef fand sich Hamburgs ehemalige Kultursenatorin Christina Weiss auf der Plattform der künftigen Kulturstaatsministerin im Berliner Bundeskanzleramt wieder. Die Mischung aus Kompetenz und Eloquenz, die ihr schon aus zehn Hamburger Amtsjahren nachgesagt wurde, scheint beim Bundeskanzler Eindruck hinterlassen zu haben. Man fragte sich freilich, ob der wirklich genau hingehört hat, als sie ihm sagte, was sie als frisch Designierte sogleich der Presse mitteilte: Gegen die Eventkultur, gegen die Standortkultur, gegen die Trivialisierung, für das Schwierige, das Sperrige und das "Risikokapital" Kultur. So widerstandslustig hatte man den Kanzler in Sachen K in den letzten Jahren trotz vieler Intellektuellengipfel eigentlich nicht in Erinnerung.

Gegen all diese Weiss´schen Risiko-Definitionen ist nun nichts, aber auch gar nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Julian Nida-Rümelin sagte zwar nichts grundlegend anderes. Doch aus dem Mund des skrupulösen Differenzierers klangen solche Bekenntnisse immer wie durch die Mühle der formalen Logik gedreht. Leidenschaft kam da selten auf. Die Worte der streitbaren Literaturkritikerin, die nun seine Nachfolgerin werden soll, hallten aber deshalb so nach, weil sie in einen gänzlich leeren Raum gesprochen waren. Kulturpolitik kam bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen nur am Rande vor. Und auch sonst beschränkte sich die Debatte um den Zwitter des Kulturkommissars beim Chef meist auf Fragen der technischen Effektivierung des Amtes: Sollen ihm die Goethe-Institute "zugeschlagen" werden, kann man aus anderen Ressorts noch ein paar kulturverdächtige Referate abgreifen und so weiter.

Dass der Kanzler sich für das Amt keine Parteigröße griff, sondern eine Parteilose, die das offenbar bleiben will, ist kein Zufall. Seit "Kultur für alle"-Hilmar Hoffmann, der visionäre Lotse der SPD-Kulturpolitik, von Bord ging, hat die Partei nie wieder ein zeitgemäßes Konzept für das Politikfeld der Zukunft entwickelt. In Stadt und Land, wo sie damit ihre kulturelle Hegemonie begründeten, regieren Sparkommissare ohne den kleinsten Funken einer Idee, warum Kultur wichtig ist.

Nicht, dass es uns nicht hochwillkommen wäre, dass die Kultur im Bund nun jemand vertritt, die die Bücher auch gelesen und die Bilder auch gesehen hat, über die sie nun Grußworte fällen muss. Nur - alles ordentlich in den administrativen Griff zu kriegen wird nicht ausreichen. "Ich weigere mich, eine Debatte um´s Geld zu führen", hat Weiss nach ihrer einsamen Inthronisierung gesagt. Das wird ein frommer Wunsch bleiben. Aber wenn sie diese Debatte konterkarieren will, müsste sie eine um Inhalte anzetteln. Projekte wie den Hauptstadtkulturvertrag oder die Filmförderung kann man nur sinnvoll anschieben, wenn man eine Idee davon hat, was Kultur soll. Ohne diese Debatte könnte es der einsamen Ruferin auf dem Dach des Kanzleramtes sonst nach dem Motto gehen: Sie kam, sah´s und flüchtete.

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