Man nehme einen kleinen schwarzen Hund mit schielendem Dackelblick, der von einer isolierten Tierhorterin in einem Käfig gehalten wird. Dann einen Kameramann, der den Kleinen bei einem Dreheinsatz findet und vor dem finsteren Schicksal der Einschläferung rettet. Dazu seine Ehefrau, eine ökologisch engagierte Köchin und Foodbloggerin. Und schließlich das gemeinsam gegebene Versprechen dieser beiden an den auf den Namen Todd hörenden Hund, er könne nun für immer bei ihnen bleiben.
Es ist ein Setting wie aus dem Lehrbuch zur Emotionalisierung – und der dramatische Teil der Rührpartie folgt alsbald: Denn in der kleinen Wohnung in Los Angeles macht Todd die Nachbarn mit seiner Bellerei verrückt. Und als deshalb die Kündigung auf dem Ti
auf dem Tisch liegt, muss das junge Paar sich entscheiden, ob es das Versprechen bricht. Oder gemeinsam mit dem Hund umzieht an einen anderen Ort.Erzählt wird dies in Unsere große kleine Farm aus dem Off von ebenjenem Kameramann und Dokumentarfilmer, der seit 2010 auch Bio-Bauer ist. Seit 2013 hat John Chester schon einzelne Episoden aus dem Farmleben in Kurzfilmen veröffentlicht. Jetzt kommt die ganze Geschichte als breit angelegtes dokumentarisches Märchen zwischen launigem Plauderton und Emphase. Denn natürlich entscheiden sich John und Molly für den Hund. Und aus lange gehegten Träumen vom bäuerlichen Landleben wird ein Plan, der es in sich hat: Die beiden wollen ein paradiesartiges ökologisches Mustergut schaffen, das vor lebendiger Vielfalt überquillt: Hühner, Rinder, Ziegen, Schweine, Enten, Pflaumen, Aprikosen, Kräuter und, und, und.Doch erst mal sind da nur mithilfe wohlwollender Investoren erworbene 81 Hektar durch Monokultur ausgelaugtes südkalifornisches Hügelland. Landwirtschaftliche Expertise, um diese Ödnis wieder in ein blühendes Biotop zu verwandeln, fehlt beiden. Also wird ein Guru der Biodynamik als Berater angeheuert, der als Erstes alles noch vorhandene Grün zur Bodenbearbeitung beseitigen lässt. So geht nach sechs Monaten das erste Jahresbudget allein für Strukturinvestitionen drauf, ohne dass ein einziges Pflänzchen wachsen würde. Doch zum Glück aktiviert ein Online-Aufruf Praktikanten aus aller Welt, die bei der Wiederbepflanzung mithelfen. Und dann wird nach und nach eine ganze Arche Noah an Tierarten angeschafft, die uns der Film wie in einem aufgeklappten Bilderbuch vorstellt.Auch Wühlmäuse lieben ÖkoNatürlich (und zum Glück für den Film) klappt das ökologische Wirtschaften realiter nicht ganz so wie im idealistischen Konzept. Im Gegenteil: Das Zusammenspiel von Mensch und Natur produziert eine ganze Reihe an Katastrophen, von denen hier exemplarisch eine Auswahl genannt sein soll: Die leckeren Früchte locken riesige Schwärme von Staren und Schnecken an, die einmal fast die komplette Obsternte vernichten. Die ökologisch so wichtige Gründüngung ist auch für Wühlmäuse paradiesisch. Und ein Übermaß an Entenkot produziert eine giftigen Algenblüte im Trinkwasserteich. Zusätzlich brechen immer wieder Kojoten durch den Zaun und töten ganze Serien an Gänsen und Hühnern. Und dann erkrankt auch noch Öko-Mentor Alan York an Krebs.Statt Harmonie also erst mal eher Krieg, der in nächtlichen Überwachungskameras und Schüssen mündet. Doch mit der Zeit gibt es auch echten Fortschritt. Als nach fünf Jahren in einem Unwetter bei den Monokulturen der Nachbarn ganze Hänge unter den Regenfluten abrutschen, kann der lebendige Humus der „Apricot Lane Farm“ die Wassermassen speichern und an die Pflanzen weitergeben. Und nach acht Jahren und vielen Auf und Abs hat sich wirklich eine erstaunliche Vielfalt auch an wildem Leben angesammelt.Chesters chronologisch angelegtes und mit viel Sinn für Spannungsdramaturgie rhythmisiertes Drehbuch verzichtet darauf, diese Konflikte zu dramatisieren, schwingt sich aber – besonders in der deutschen Sprachfassung – im Einklang mit der begleitenden Musik manchmal zu argem Pathos auf, wenn Chester vom langsam wachsenden Verständnis der beiden Neufarmer für die Zusammenhänge der Natur und ihre Hierarchien erzählt.Weniger Einblicke gibt der Film in die beim „Farmen“ ja auch nicht ganz unwichtigen ökonomischen Zusammenhänge: So erfahren wir zwar, dass in einer guten Saison 225 Tonnen Obst und Gemüse produziert und verkauft werden. Aber was das für das Wirtschaften auf dem Bauernhof bedeutet, bleibt im Film ebenso unklar wie die Abmachungen mit den Investoren. Beim Blick von außen auf den Komplex „Apricot Lane Farm“ wird aber deutlich, dass John Chester auch ein guter Verkäufer ist, der der Farm offensichtlich zu eigenem Markenwert verhelfen will. So ist schon der erste Band einer geplanten Bilderbuchserie über das ländliche Leben auf der Webseite erhältlich. Auch Bourbon-Lemon-Marmelade (21 Dollar für ein Gläschen), Merchandising-Artikel oder Farm-Besichtigungen lassen sich dort kaufen. Und auf der recht langen Liste angebotener Jobs wird ein „Event und Holiday Coordinator“ gesucht, in Vollzeit.Es ist davon auszugehen, dass auch der Film (samt Hündchen Todd) Teil dieser Vermarktungsstrategie ist. Das ändert aber nichts an der Bedeutung von Unsere große kleine Farm als kraftvolles Statement dafür, dass eine andere Landwirtschaft nicht nur nötig und möglich ist sondern auch produktiv sein kann. Und vielleicht kann der vielfach preisgekrönte Film durch seine offensichtlichen Schau- und Unterhaltungswerte und den sentimentalen Überschwang ja doch ein Publikum jenseits der Ökoszene erreichen. Die großen Waldbrände, die die Erzählung rahmen und bisher knapp vor der Farm der Chesters endeten, sind ein Indiz für die Ernsthaftigkeit des Anliegens. Sie zeigen aber auch, dass 81 Hektar Grün-Idyll in der monokulturellen Wüste nicht mehr als eine winzige Oase sein können.Placeholder infobox-1