Erfolg ist Bestätigung

Ausstellung Eberhard Schlotter zum 90. Geburtstag: "Unterm Strich" zeigt in Darmstadt die Kritik am Glanz des Wirtschaftswunders, die ihn mit Arno Schmidt verband

Am 3. Juni ist der Maler Eberhard Schlotter 90 Jahre alt geworden. Die Kunsthalle Darmstadt nimmt das zum Anlass für einen Rückblick auf ein riesiges Lebenswerk. Eberhard Schlotter. Unterm Strich – der Titel der etwa 80 Arbeiten umfassenden Ausstellung führt ins Abseits. Die Ausstellung zieht keine Schlussbilanz, sondern präsentiert Werke zu drei Aspekten: Landschafts- und Architekturbilder, Bilder aus der Metzger-Serie und Illustrationen zu zwei Erzählungen von Arno Schmidt.

Wenn man den großen Saal der Kunsthalle betritt, ist man überwältigt vom Spannungsbogen zwischen den ruhigen Landschafts- und Architekturbildern auf der einen und den ebenso drastischen wie dramatischen Metzger-Bildern auf der anderen Seite. Schlotter malte die flächigen Landschafts- und Architekturbilder mit einer Mischung aus Farbe, Sand und Leim. Das gibt den fast monochromen Landschaftsbildern eine reliefartige Struktur, die – aus einiger Distanz betrachtet – plastische Effekte erzeugt.

Die Architekturbilder sind kontrastreicher und vielfarbiger gemalt, aber ebenso menschenleer wie die Landschaften. In den hellen, minutiös gearbeiteten Fassaden sind zwar Türen eingelassen, aber die sind verschlossen. Die Bildtitel werden oft ironisch gebraucht: Nur für Berufene heißt ein Bild, das eine helle Hauswand mit einer „Türe“ zeigt, die mit roten Ziegelsteinen zugemauert ist. Vor der Tür die gleißende Leere, dahinter das Nichts. Schlotter malte das oft. Die Häuser stehen für Unbehaustheit und Verlorenheit so wie die „leeren Kaufhäuser“, die zwar mit leuchtend bunten Farben und perspektivisch verwinkelt gemalt sind, aber sonst leer stehen.

Der Fleischer als Parvenü

Schlotters Kommentar zum Talmi-Glanz der Wirtschaftswunderwelt erkannte sein Freund Arno Schmidt: „Die Kulisse ist unser Schicksal! Wir tendieren zur Plakatwelt.“ Die Schau zeigt auch, wie sich Schlotter im erbitterten Streit zwischen abstrakter und figurativer Malerei auf einen dritten Weg begab. Er reduzierte zwar Häuser und Landschaften auf farbige Flächigkeit fast ohne perspektivische Tiefe, aber er unterlegte den Bildern einen Rest von figurativ abgebildeter Materialität, die mit handwerklicher Präzision gestaltet ist. Man meint, die Scharniere der ramponierten Holztüren knarren zu hören.

Einen Höhepunkt der Ausstellung bilden Bilder aus der Metzger-Serie von 1985/87. Der Metzger erscheint hier als Prototyp des reich gewordenen Spießers, der sich mit seiner Frau in der Halbwelt der Huren herumtreibt, während sich seine „selbstständigen“ Kinder in der Drogen- und Punkszene tummeln. Die farblich ätzende Drastik der Darstellung erinnert an Otto Dix und Johannes Grützke.

Von Arno Schmidt, der 1955 nach Darmstadt zog, hat Schlotter die Erzählungen Tina oder über die Unsterblichkeit und Schwarze Spiegel illustriert. Beides sind düstere Endzeitversionen, die Schlotters Radierungen in eine fast schwarze Unterwelt versetzten. Aus der Freundschaft mit Schmidt entstanden auch zwei Porträts, die den Dichter, der die Schattenseiten mit den Traumwelten der Menschen konfrontierte wie kein anderer, hinter einem feinen Grauschleier vor schwarzem Hintergrund zeigen. Parallel zur Ausstellung präsentiert die Galerie Netuschil in Darmstadt Arbeiten Schlotters, die im Museum nicht vertreten sind, sowie Bronze-Plastiken seines wenig bekannten Bruders Gotthelf.

Eberhard Schlotter. Unterm Strich, Kunsthalle Darmstadt. Bis 22. August, Katalog 27

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