Es bleibt nur der Tropf

Griechenland Heraus sparen aus der Finanzkrise funktioniert nicht. Doch der Austritt aus dem Euro wäre die schlechteste Variante - für Athen, aber auch für Frankreich und Deutschland

Ein Sperrfeuer von Dementis hat das nächtliche Geheimtreffen der EU- Finanzminister im luxemburgischen Chateau de Senningen würdig illuminiert. Geheimdiplomatie vom Feinsten und wieder ging es um die Euro-Krise. Ein Jahr und drei Sanierungsfälle später müssen alle Beteiligten eingestehen, dass die Schuldenkrise nicht bewältigt ist.

Standard and Poor’s, Moody’s und Fitch, die großen Drei der weltbeherrschenden Rating-Branche haben Staatsanleihen aus Athen erneut herab gestuft – diesmal fast auf Ramsch-Status. Sollte Griechenland wie geplant 2012 wieder auf die Märkte zurückkehren – es könnte An­leihen trotz Wucherzinsen nicht mehr unterbringen. 2012 wären regulär 27 Milliarden Euro zu refinanzieren, 2013 – 32 Milliarden. Ausgeschlossen. Jetzt zeigt sich, die Rettungsaktion war eine Fehlkonstruktion. Griechenland hängt mehr denn je am Tropf der Euroländer und des IWF und braucht ein zweites Rettungspaket, von 60 Milliarden Euro ist die Rede. Die Alternativen – Austritt aus der Eurozone oder Staatsbankrott (auch Umschuldung genannt) – klingen nicht verlockend. Wir erleben die Folgen des politischen Tauschhandels, der den Griechen aufgedrückt wurde: Kredithilfe gegen brutale Sanierung. Das Land muss offiziell immer härter sparen, um sich die Gunst seiner europäischen Geldgeber zu erhalten. Je mehr es tut, wie ihm geheißen, desto unerbittlicher wird wirtschaft­liche Erholung stranguliert. Im Vorjahr schrumpfte das griechische Bruttoinlandsprodukt um 4,5 Prozent – 2011 wird es um mehr als die prognostizierten drei Prozent nachgeben. Je mehr die Wirtschaft des Landes klein gespart wird, desto höher das Defizit, desto höher die Kredite – heraus sparen aus der Finanzkrise funktioniert nicht.

Da kein Kurswechsel winkt, bleiben nur finanztechnische Lösungen. Vulgärökonomen aller Couleur plädieren für die schlechteste aller Varianten – den Austritt aus der Gemeinschaftswährung. Das wäre die Totalkatastrophe für Athen und selbstredend keine Befreiung von der Schuldenlast, ganz im Gegenteil. Für Deutschland und Frankreich hieße das Bankenkrise. Diesmal würde der Steuerzahler direkt für die Verluste deutscher Banken aus griechischen Anleihegeschäften zur Kasse gebeten – ohne jede Chance, die Steuergelder jemals zurückfließen zu sehen.

Wollte man den Leidensweg der Griechen nicht mit einem weiteren bleiernen Rettungsring samt Sparpaket verlängern, bliebe nur der Schuldenschnitt – die Umschuldung in der einen oder anderen Form. Selbst die Bundesregierung wagt es inzwischen, derlei zu denken. Am einfachsten und am wenigsten effektiv wären verlängerte Laufzeiten für alle Staatspapiere oder eben doch ein Teilverzicht aller Gläubiger auf ihre Forderungen. Vor der Panik auf den Finanzmärkten, die dann eintreten kann, graut allen. Aus dem Dilemma gerät nur heraus, wer es wagt, Undenk­bares zu denken: Kredithilfen für Griechenland mit Auf­- lagen, aber diesmal ökonomisch sinnvoll. Das Land braucht eine Reform seiner gesamten Wirtschaftsstruktur und ein Umbauprogramm, das eine Perspektive innerhalb der EU bietet, über Ziegenkäse und Sandstrand hinaus. Das wäre machbar, wenn die EU-Eliten denn wüssten, was sie in und mit Europa wollen. Sie wissen es nicht und verspielen die Zukunft dieser Gemeinschaft.

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