Der Freitag: „Aversion“ ist Ihr erstes Album, das bei einem professionellen Musiklabel erscheint. In dem Stück „Die neue Antilopen Gang“ rappen Sie, Sie hätten Ihre Seele verkauft, es ginge jetzt nur noch um Erfolg und Geld.
Koljah: Früher haben wir unsere Musik auf unserer Webseite als kostenlosen Download angeboten, jetzt steht unser Album bei Media Markt. Das passt nicht in das Bild der Untergrundhelden, das sich manche vielleicht ausgemalt haben. Jetzt liest man plötzlich in bürgerlichen Medien Interviews mit uns und Rezensionen unserer Alben. Einige Leute checken nicht, dass wir manche Sachen früher einfach nur deshalb nicht gemacht haben, weil wir nicht die Möglichkeit dazu hatten.
Danger Dan: Ironischerweise haben wir aber mit unserem bisher radikalsten Album den Mainstream gestürmt.
Und, was halten Sie als ehemalige Untergrundrapper vom Mainstream?
Koljah: Ich glaube, dass in vielen Medien immer noch eine Art bildungsbürgerlicher Chauvinismus oder auch ein gewisser Klassismus mitschwingt, wenn es um Rap geht.
Inwiefern?
Koljah: Rap kommt häufig aus sogenannten bildungsfernen Schichten in der Gesellschaft, darüber wird sich dann amüsiert: „Rapper, das sind doch diese archaischen Machotypen und Rassisten.“
Danger Dan: Dabei schwingen ja genau da rassistische Stereotype mit. Einem Rapper mit Migrationshintergrund oder scheinbarem Migrationshintergrund wird von vornherein abgesprochen, er könnte gebildet sein.
Koljah: Als Kontrast zum „bösen“ Gangsterrap wird dann gern der „gute“ Rap gezeigt, in dem es um „schlaue“ Sachen geht.
Sie selbst werden im Moment auf Ihr Lied „Beate Zschäpe hört U2“ festgenagelt. Ihr Label-Manager Patrick Orth meinte gegenüber dem „Stern“, es handle von der Banalität des Bösen. Trifft es das?
Koljah: Ein Stück weit ja: Da haben wir auf der einen Seite Beate Zschäpe und auf der anderen Seite die Musik von U2, die absolut gesellschaftskonform und ja auch banal ist. Insofern passt es schon irgendwie. Aber es geht nicht allein um Zschäpe, sie steht für verschiedene Arten ideologisch fragwürdiger Leute.
Der freie Journalist und Montagsdemo-Redner Ken Jebsen hat Ihnen eine Abmahnung geschickt, weil Sie in dem Lied rappen: „Jeder kennt einen der von Verschwörung schwadroniert / Und er weiß wer die Medien und Börsen kontrolliert (…) Sie können sagen was sie wollen, sie sind schlicht Antisemiten / All die Pseudo-Gesellschaftskritiker / Die Elsässer, KenFM-Weltverbesserer / Nichts als Hetzer in deutscher Tradition / Die den Holocaust nicht leugnen, sie deuten ihn um.“
Panik Panzer: Mir war klar, dass sich einige der im Song erwähnten Leute auf den Schlips getreten fühlen könnten. Aber dass man dann echt anwaltlich gegen uns vorgeht, damit hätte ich nicht gerechnet.
Wenn man sich die Kommentare unter dem Video bei Youtube durchliest, denkt man, ein Lynchmob müsse jeden Moment vor Ihren Haustüren stehen. Hat Sie diese Heftigkeit überrascht?
Danger Dan: Ich komme damit zurecht, wenn es bei der großen Klappe bleibt und nicht körperlich wird. Dass Leute versuchen, uns öffentlich zu diffamieren, ist ja nichts Neues. Bedroht worden sind wir früher auch schon.
Panik Panzer: Ich hätte allerdings nicht erwartet, dass im Minutentakt psychopathische Aufsätze über Verschwörungen auf uns einhageln würden, mit denen man uns erklären will, was wir denn alles falsch sähen.
Danger Dan: Besonders traurig finde ich, dass ein Bekannter von mir jetzt ernsthaft glaubt, irgendwelche verschwörerischen Geheimbünde hätten uns in die Medien gepusht.
Koljah: Mich hat das nicht überrascht. Solche kruden Theorien sind in der gesellschaftlichen Mitte weiter verbreitet, als vielen vielleicht klar ist.
Danger Dan: Ein bisschen komisch finde ich auch, dass das Lied auf diese Zeilen beschränkt wird. Keiner erzählt jetzt beispielsweise von seinen eigenen Erfahrungen mit Faschismus. Alle reden nur von Jürgen Elsässer und KenFm.
Ob Sie wollen oder nicht, gelten Sie jetzt als gute, politische Rapper.
Danger Dan: Wir sind politische Menschen. Aber wir verfolgen kein politisches Konzept als Antilopen Gang. Wir sagen nicht: „So, wir schreiben jetzt dieses Lied, um in der Gesellschaft etwas Bestimmtes zu bewirken.“ Das ist nicht unsere Herangehensweise. Ich glaube, wir würden wohl alle unterschreiben, dass man Kunst nicht funktionalisieren sollte: Entweder man macht Kunst oder Politik. Alles andere wäre ein Widerspruch in sich. Wir machen einfach unseren Scheiß und haben Spaß dabei.
Aversion Antilopen Gang JKP / Warner
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