Exilanten auf Abruf

Im Gespräch Rachid Ghewielieb, offizieller Vertreter der Irakischen KP in Deutschland, über eine Opposition, die mehrheitlich wenig von einem Krieg gegen Saddam Hussein hält

FREITAG: Die irakische Opposition bietet oft ein widersprüchliches, zerrissenes Bild. Weshalb?
RASCHID GHEWIELEB: Wir haben es mit einem Spektrum zu tun, das von den Kommunisten, über die kurdischen Parteien bis zu islamischen Kräften reicht. Die Unterschiede ändern allerdings nichts daran, dass sich die Hauptkräfte in einem einig sind - sie wollen die Diktatur Saddam Husseins beenden, und sie wollen für die Zeit danach eine demokratische Ordnung. Das sagen im Übrigen auch die islamischen Kräfte - auch sie wollen ein pluralistisches System.

Es entsteht dennoch der Eindruck, dass Sie politisch relativ wirkungslos sind ...
Weil sich die Opposition im Lande selbst mit einem terroristischen Apparat konfrontiert sieht, der kaum Spielräume lässt. Es gibt außerdem eine permanente Einmischung der USA wie auch regionaler Mächte mit ihren Interessen, beides hat einen ungünstigen Einfluss auf die Opposition. Wenn wir versuchen, uns auf ein Minimalprogramm zu einigen, dann intervenieren die Amerikaner, um einen solchen Konsens zu sabotieren. Man will in Washington eigentlich keine starke Opposition im Irak oder im Exil, man will lediglich ein Vehikel für die eigenen Ziele. Die Amerikaner sagen den Oppositionsgruppen ganz klar: Eure Rolle beginnt erst nach Saddam

Was denkt die Opposition unter diesen Umständen über den angekündigten Militärschlag?
Eine absolute Mehrheit lehnt das kategorisch ab. Auch die Patriotische Union Kurdistans, eine der beiden großen kurdischen Parteien, hat gerade erklärt, sie wolle keinen Krieg. Der Hohe Rat für die islamische Revolution, dessen Vertreter kürzlich zum Treffen der sechs Oppositionsgruppen im US-Außenministerium in Washington waren, hat sich ebenfalls dagegen ausgesprochen. Es gibt nur eine Minderheit, die sagt, wenn Saddam dadurch gestürzt werden kann, befürworten wir einen Krieg.

Warum war Ihre Partei bei dem gerade erwähnten Treffen in Washington nicht dabei?
Die USA haben auch andere Parteien nicht geladen. Wir halten ohnehin wenig von Treffen, die nicht von irakischen Oppositionspolitikern selbst einberufen werden. Wir müssen uns nicht in Washington versammeln, wir können das auch in Irakisch-Kurdistan - gewissermaßen in befreiten Gebieten - tun. Und wir brauchen für unsere Verständigung niemanden, der uns diese Verständigung diktiert. Dank unserer Geschichte und Erfahrung sind wir reif genug, souverän zu entscheiden. Diese Konferenz in Washington blieb - wie zu erwarten - ohne Ergebnis.

Iraks Kommunisten (ICP), einst die größte Partei des Landes


1963 Nach einem Putsch der irakischen Baath-Partei gegen General Kassem werden Tausende Kommunisten ermordet. Die Repressalien enden erst, als es noch im gleichen Jahr zu einem Gegenputsch von Marschall Aref kommt.
1973 Als eine Nationale Front des Irak entsteht - die Baathisten haben 1968 unter Präsident al Bakr wieder die Macht übernommen - schließen sich die KP und die Kurdische Demokratische Partei (KDP) zunächst an.
1979 Die KP verlässt mit der beginnenden Diktatur Saddam Husseins die Nationale Front und geht in die Illegalität.
1993 Der V. Parteitag, abgehalten in Irakisch-Kurdistan, beschließt nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers eine Demokratisierung und Erneuerung der Partei, Hamid Mageed Mousa wird zum Sekretär des Zentralkomitees gewählt.
2001 VII. Parteikongress wieder in Irakisch-Kurdistan, die Delegierten plädieren für eine homogene nationale Opposition gegen den Diktator.

Warum gibt es innerhalb der Opposition eine exklusive Rolle des INC, des Irakischen Nationalkongresses, der von den USA immer in den Vordergrund gestellt wird?
Der INC entstand - gedacht als Dachorganisation für alle oppositionellen Kräfte - erst nach dem Golfkrieg 1991. Wir waren als KP anfangs auch dabei, bis klar wurde, dass der INC von den USA finanziert wird und nicht unabhängig ist. Deshalb haben eigentlich fast alle diese Dachorganisation wieder verlassen. Wer geblieben ist, unterhält heute aus Diplomatie eine Art virtueller Mitgliedschaft. Man darf nicht vergessen, dass es sich um eine in London ansässige Gruppierung handelt - ohne Basis im Lande selbst. Mehr ein Medienklub im Exil. Wir attackieren den INC nicht, weil für uns zuerst einmal zählt, dass jemand für den Sturz Saddam Husseins eintritt.

Wie ernst nehmen Sie Statements kurdischer Parteien, man wolle einem föderalen irakischen Staat? Hat eine solche Position auch nach einem eventuellen Sturz Saddam Husseins Bestand?
Ich glaube nicht, dass die kurdischen Parteien und das kurdische Volk die Separation wollen. Ich nehme diesen föderalen Gedanken ernst, auch wenn früher von Autonomie die Rede war - 1974 hat ja Saddam Hussein den Kurden eine Scheinautonomie eingeräumt. Nach 1991 haben wir gesehen, ein föderales System ist für den Irak die beste Lösung. Sollten die Kurden die gleichen Rechte haben wie die arabische Bevölkerung, werden sie diese Option unterstützen. Nur so ist ein demokratischer Irak denkbar.

Wie realistisch ist die Chance, im Lande selbst einen Regierungswechsel herbeizuführen, ohne Intervention von außen?
Es gibt in der Armee und der regierenden Baath-Partei durchaus Kräfte, die dazu in der Lage wären - viele wollen in der jetzigen Situation mindestens ihren Kopf retten. Einen Putsch zur Entmachtung Saddams kann man nicht ausschließen. Nur ist der irakische Diktator in der Vergangenheit vom CIA oft darüber ins Bild gesetzt worden, wenn es Umsturzpläne gab - die Betroffenen wurden enttarnt und hingerichtet.

Das Gespräch führte Lutz Herden

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