Galoppierende Schwindsucht

Kommentar Rente made in Austria

Die Sprache "lebt". "Pensionsreform" meint Pensionskürzung, und "Pensionsharmonisierung" heißt Nivellierung auf das niedrigste Rentenniveau. Und doch, so ganz hat man es nicht durchziehen können, so gibt es auch diesmal in Österreich wieder eine Reihe von Ausnahmen für eine bestimmte Klientel, seien es nun Bundesbeamte oder Landesbedienstete. Wohlgemerkt, vogelfrei sind inzwischen alle, aber manchen wird noch etwas Schonzeit zugestanden.

Die Pensionsreform gilt für alle, außer für jene, die vor dem 1. Januar 2005 schon über 50 sind. Das sind nicht wenig, vor allem nicht wenig Beamte. So gelang es der Regierung, die von den Christlichsozialen dominierte Beamten-Gewerkschaft ruhig zu stellen. Es ist allerdings noch offen, ob die sogenannte Schwerarbeiterregelung überhaupt verfassungskonform ist oder ob sie dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Und auch der bürokratische Aufwand zur Berechnung der Pensionskonten ist enorm. Eines aber ist klar: Der von der Regierung beschworene "sozialpolitische Meilenstein" ist ein konsequenter Schritt zur Schlechterstellung künftiger Pensionisten. In nicht ferner Zukunft werden die Alten alt ausschauen.

Österreichs Pensionssystem befindet sich im freien Fall, so wie in den Achtzigern wird es nie mehr sein. Fallschirme gibt es immer weniger. Wenn nun gar behauptet wird, die Jungen würden gerade jetzt wieder Vertrauen in die Altersvorsorge gewinnen, kann man da nur lachen. Der Sozialstaat leidet an galoppierender Schwindsucht. Die Finanzierungsprobleme, sie sind nicht nur akut, sie sind chronisch geworden. Und das Einzige, was auf monetärer Ebene einfallen kann, ist die Kürzung. Die ist ein länderübergreifendes Programm.

Natürlich hatte das alte System große und nicht zu rechtfertigende Ungerechtigkeiten durch die verschiedenen Pensionsregulierungen aufgewiesen. Das neue System ist indes ein einzigartiges und nach erfolgter Harmonisierung wohl einziges Todsparsystem. Es gleicht einem Schraubstock, wo die Schrauben stets fester angezogen werden. Und niemand soll sich einbilden, dass in einiger Zeit nicht wieder reformiert werden muss. Wir erlebten hierzulande soeben die vierte Pensionsreform in acht Jahren.

Dass die Pensionen nun gesichert seien, sagen die, die in drei Jahren sagen werden, was sie auch schon vor drei Jahren sagten: dass unbedingt etwas getan werden muss, um die Pensionen zu sichern. Die galoppierende Schwindsucht ermattet alle Betroffenen. Widerstand, noch dazu einer der Perspektive anzubieten hätte, ist nicht im Sicht. So liefert man sich dem "Schicksal" aus. Nicht Solidarität steht auf der Agenda, sondern ein "Rette sich, wer kann!" "Nach uns die Sintflut!", sagen jene, denen das Wasser bis zur Brust reicht. Es könnte schlimmer sein. Zweifellos.


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