A–Z Sascha Hehn Vom Sonnyboy zum Selbstironiker: Sascha Hehn spielt in einer neuen ZDF-Satire sich selbst. Das Lexikon der Woche rekapituliert Stationen der Karriere eines Traumsteward
Arzt Chirurgen sind die Künstler im OP-Saal. Draufgänger und Handwerker. Machos. Klausjürgen Wussow war in der Schwarzwaldklinik als Professor Klaus Brinkmann insofern passend ausgerüstet mit Skalpell und Säge. Aber Sascha Hehn? Was hatte Dr. Udo Brinkmann, so sein Serienname, bei der Behandlung eines offenen Bruchs verloren? Dieser Softie ohne Biss, aber mit Föhnwelle? Diese Blondine ohne Busen, aber mit Brusthaar? Udo Brinkmann war eine Figur wie aus einem Ärzteroman. Ein Halbgott in weißen Gesundheitsschlappen, nur ein bisschen wild. Ein Cabriofahrer, der nie über Rot fuhr. Sein Schlafzimmerblick bei der Visite wurde als erotische Verschleierung seiner Augen missinterpretiert. Dabei war er nur überfordert. Ein Sonnyboy für die Frau
er nur überfordert. Ein Sonnyboy für die Frau ab 50 ist entweder Zahnarzt oder Gynäkologe. Mitte der Neunziger fand Hehn seine wahre medizinische Identität: als Frauenarzt Dr. Markus Merthin in der gleichnamigen ZDF-Serie. Mark StöhrCCabrio Sein Rebellentum war vielleicht nicht für jeden sofort ersichtlich. Die pastellfarbenen Polo-Shirts und seine Föhnwelle ließen zunächst anderes vermuten. Doch jedes Mal, wenn der Arztsohn mit quietschenden Reifen vor dem spießigen Landhaus von Christa und Klaus Halt machte und sportlich-elegant aus seinem weißen Golf Cabrio sprang, um sich mit seinem Übervater zu streiten, schlug mein Herz höher. Sicher habe ich in den Achtzigern als Fünfjährige noch nicht alle Zusammenhänge und Udos Vielweiberei überblicken können. Aber ich wusste schon damals, dass er der Einzige war, der der heilen Brinkmann-Welt ein paar Abgründe verlieh. Und der Einzige, der Coolness und Style ins Glottertal gebracht hat. Mareike TerjungDDeutsch I Sascha Hehn verkörpert den teutonischen Urtypus: groß, blond, treu. Als potent-blonde Bestie stellte er Schulmädchen und Hausfrauen nach, gab dann den vertrauenswürdigen Arzt oder Steward. Angesichts der deutschen Sonderrolle ist es so konsequent wie ironisch, dass Hehn dann „Shrek“ seine Stimme gab. Er verlieh sie einem anderen, stets Unverstandenen, und machte Shrek so auch ein bisschen deutsch. Tobias PrüwerDeutsch II Hehns Vater Albert (1908-83) war Schauspieler und auf deutsche Paraderollen abonniert. Der erste Filmauftritt im Propagandastück Kameraden auf See schlug ein, und Hehn senior wurde gern als soldatischer Typ eingesetzt. Als Unteroffizier Rauscher im kriegsvorbereitenden Drei Unteroffiziere und als Oberleutnant in Stukas, beide Filme sind heute nicht mehr freigegeben. Auch nach der Befreiung blieb Albert Hehn den uniformierten Figuren treu. Als Wachtmeister bereiste er im Anatevka-Musical das Land. Im halbdokumentarischen Film Es geschah am 20. Juli spielte er einen Wehrmachtsoffizier, der die Hitler-Attentäter verfolgt. Als Commander Lindley gibt Hehn in der Raumpatrouille Orion den Kurs für seinen Sohn vor: Er lenkt einen havarierten Sternenkreuzer. TPIIronie „Ich habe gedacht, die wollen mich verarschen“, kommentierte Sascha Hehn in einem Interview seine Reaktion auf das Angebot des ZDF, sich in Lerchenberg selbst zu spielen (30. und 31. März, ZDFneo, 23.15 Uhr). Er habe sich gefreut, endlich mal Selbstironie zeigen zu können. Hehn weiß um die Rollen, in denen ihn die Leute am liebsten sehen. Er bezeichnete sich als „Volksschauspieler“ und war immer zufrieden, positiv besetzte Charaktere zu verkörpern, die Zuschauer glücklich machten. Deshalb stellt sich nun die berechtigte Frage: Sascha Hehn und selbstironisch – passt das zusammen? Kann der das überhaupt? In Lerchenberg schafft er selbst ein Bild von sich, das sich an seinem öffentlichen Image orientiert und es bricht. Er wird gezeigt als Casanova, selbstverliebter Quotengott und kritikresistenter Branchen-Dino. Ziemlich glaubwürdig. Wir wissen nicht, ob das ironisch ist, da wir ja Herrn Hehn nicht privat kennen, aber mutig ist es allemal. Das ZDF zeigt jedenfalls eine Portion Selbstironie, indem es sich selbst, wenn auch bloß fiktiv, hinter die Kulissen schauen lässt. Sophia HoffmannKKapitän Es schippert immer weiter. Der Kapitän verlässt das Schiff natürlich nicht freiwillig, aber er ist irgendwann alt. Das Boot sinkt trotzdem nicht, sondern der alte wird einfach ersetzt. Der neue steht auch lässig an der Reeling, blond, blauäugig, nur weniger Falten. Und weil es nicht irgendein Boot ist, sondern das Traumschiff, kann man hier auch mühelos den sozialen Aufstieg schaffen. Man braucht nur Geduld. Sascha Hehn hat sie bewiesen. Das erste Mal heuerte er Anfang der Achtziger auf dem Traumschiff an, nicht ganz unten, als Kajütenjunge oder so, sondern gleich als Chefsteward. Später wurde er dann Offizier. Kapitän, das sei Hehns „Lebenswunsch“ gewesen, erklärte Produzent Wolfgang Rademann. Hehn ist mittlerweile 57 Jahre alt. An Neujahr 2014 wird er das erste Mal als Kapitän Victor zu sehen sein. Die meisten seiner Zuschauer sind mit ihm älter geworden, eigentlich bekommt in dem Alter ja kaum noch jemand einen Job. Aber Traumschiff-Kapitän, das ist ja auch keine Stelle, das ist eine Berufung.Man sollte da möglichst wenig tun, viel zuhören, verständnisvoll nicken und Kurs halten. Sascha Hehn möchte noch mit 75 gen Süden schippern, sagt er. Seine Stammzuschauer schalten dann im Seniorenheim auch wieder ein. Maxi Leinkauf LLuder Sie waren alle jung und brauchten das Geld. Und so wirkten sie in Softpornofilmchen mit, deren Titel einfallsreicher waren als ihr Plot. Ex-Focus-Chef Helmut Markwort etwa in Engelchen oder Die Jungfrau von Bamberg, die CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl in Die Stoßburg – Wenn nachts die Keuschheitsgürtel klappern, Jürgen Busse in Die Jungfrauen aus Bumshausen oder Konstantin Wecker in Geilermanns Töchter. Im Schulmädchen-Report blankzuziehen, gehörte in den Siebzigern schon fast zum guten Ton. Auch Sascha Hehn hatte einen nicht unerheblichen Anteil an dieser kommerziellen Auswertung der sexuellen Revolution. Seine Produktionen hatten Namen wie Nackt und heiß auf Mykonos oder Die liebestollen Apothekerstöchter. Dem Vernehmen nach soll Hehn auch im wirklichen Leben kein Kind von Traurigkeit gewesen sein. „Ich war sozusagen das männliche Luder“, offenbarte er mal der Bild. Mit diesem Lotterleben sei Schluss gewesen, als er zum zweiten Mal nach einem Fahrdelikt zum Idiotentest antreten musste. Seine Lotterfilme kommen heute auch nicht mehr so gut an. Zu Nackt und heiß auf Mykonos schrieb ein User in einem Online-Videoportal: „Der Film ist sehr langweilig. Zu viele Kleider.“ MSPPrivat Viele Prominente halten sich über ihr Privatleben bedeckt. Das ist ja auch vollkommen legitim, verstärkt aber gleichzeitig das Interesse der Öffentlichkeit und der Medien um ein Vielfaches. So funktioniert das auch bei Sascha Hehn. Gibt man seinen Namen bei Google ein, erscheint unter den häufigsten Suchbegriffen an zweiter Stelle „schwul“ und an dritter „verheiratet“. Laut Eigenauskunft ist er weder/noch, viel mehr hat er lange nicht preisgegeben. In letzter Zeit sprach er häufiger über Privates, nun wissen wir, dass er seit mehr als zehn Jahren eine Freundin hat, die 25 Jahre jünger ist und keinerlei Drang verspürt, in der Öffentlichkeit zu stehen. Sie hätte laut seiner Auskunft „die Tapferkeitsmedaille verdient“, weil sie es so gut mit ihm aushalte. Hehn lässt durchscheinen, dass die beiden eine sehr liberale Beziehung führen, und bezeichnet sich als „Individualist“, weshalb das Modell Ehe für ihn nicht infrage käme. Mit der Familienplanung habe er abgeschlossen, er möchte nicht, dass sein Kind später fragt: „Bist du mein Papa oder mein Opa?“ Dieser unkonventionelle Lebensstil passt so gar nicht zur Rolle des romantischen Traummannes, für die er oft herhalten muss. Womöglich redet er auch deshalb so wenig über Romantik. SHSShrek Was haben Sascha Hehn und das gutmütige Märchenmonster Shrek gemeinsam? Die Stimme. Der Schauspieler synchronisiert den grünen Koloss in der deutschen Fassung des oscargekrönten Animationsfilms. Doch das ist offenbar nicht der einzige Berührungspunkt dieses auf den ersten Blick so ungleichen Paares. Shrek wurde wegen seiner Hässlichkeit oft zurückgewiesen und hat sich deshalb für ein Leben allein in einem Sumpf entschieden. Jeder, der sich ihm nähert, wird erst einmal vertrieben. Hehn ist nicht hässlich, er ist in einem landläufigen Sinne sogar das genaue Gegenteil davon. Sein Aussehen hat ihm viele Vorteile vor der Kamera und auch dahinter verschafft. Mit Mitte 30 war für ihn – er wird nicht müde, das in Interviews zu wiederholen – das Partyleben jedoch vorbei. Er verließ die Stadt und zog aufs Land in ein kleines Dorf. Dort besucht er Volksfeste statt Preisverleihungen, ein VW-Bus hat den Golf Cabrio ersetzt. Hehn sagte über die Parallelen zu der von ihm vertonten Filmfigur: „Shrek und ich haben beide eine Hütte, wir leben beide im Sumpf und wollen unsere Ruhe haben.“ Der eine zog sich in den Sumpf zurück, weil er so hässlich ist, der andere, weil er so gut aussieht. Es wird höchste Zeit, dass Sascha Hehn wieder in See sticht. MSWWürde Manche Film-Sachen sind einfach unter Sascha Hehns Würde. Würde er nicht machen, sagte er jüngst: „Wenn ich da so ins Fernsehen gucke und sehe, was manche Sender für Formate machen, in denen Menschen ihre Selbstachtung aufgeben und für wenig Geld versuchen, eine zweite Karriere in einem Camp im Dschungel zu beginnen, dann ist das schon sehr merkwürdig.“ Er spiele daher nur in Filmen mit, nach denen die Zuschauer „mit einem guten Gefühl und positiven Gedanken ins Bett“ gingen. Menschen besser zum Einschlafen zu bringen, sei die Aufgabe des Schauspielers, so Hehn. Zu seinem eigenen Schaffen äußerte sich Hehn nicht und ließ Erklärungen aus, wie viel Selbstachtung man braucht, um in hirnrissigen Klamotten mitzuspielen. Oder wie würdevoll es ist, in einem Erotikfilm vertreten zu sein, in dem ein Vergewaltigungsopfer als „selbst schuld“ bezeichnet wird – immerhin hatte sie einen Bikini an. Mit den auch nicht gerade Hochachtung auslösenden Heimat- und Herzschmerzfilmen sowie Arzt-Schmonzetten erfüllt Hehn wenigstens die selbst formulierte Aufgabe eines Schauspielers: Man schläft sofort ein. TPZZiele Das Leben am Existenzminimum sei gar nicht so schlimm, erklärte Hehn im Rahmen der Lerchenberg-Bewerbung. Das habe er auch erlebt. Das sagt nun ausgerechnet der, der als Traumschiff-Käpitän bald nur noch Luxusreisen macht. Und rät, man solle seine Ziele nicht zu hoch „schrauben“: „Ich finde es schön, wenn man gesund ist, zwei Beine und zwei Arme hat und wenn man arbeiten kann – egal, wo.“ Dass sich viele Schauspieler als Hartz-IV-Bezieher durchschlagen müssen, bleibt unerwähnt. Wahrscheinlich gehört Hehn auch nicht zu den mehr als 5.400 Facebook-Freunden, die die Mitte Februar gegründete „Aktion Künstlergagen“ schon gewinnen konnte. Sie veröffentlicht unverschämte Stellenangebote, um öffentlichen Druck zu erzeugen – wenn man schon keinen prominenten Fürsprecher hat.TP
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.