Halbtote Hühnchen

Kino Jim Jarmusch hat einen Zombiefilm voller merkwürdig matter Stars gedreht
Ausgabe 24/2019

Es sei kinderleicht, Hühner zu hypnotisieren, hat Werner Herzog mal erzählt. In Herz aus Glas hat er vorgeführt, dass es auch mit Schauspielern ganz gut funktioniert. Was Jim Jarmusch bei The Dead Don‘t Die mit seinem famosen Ensemble-Cast angestellt hat, ist leider nicht bekannt. Adam Driver, Bill Murray, Chloë Sevigny, Tilda Swinton und ein Dutzend anderer Großmimen schauen oft ziemlich hühnchenhaft in die Kamera. Die Frage ist eher, was Jarmusch mit sich selbst gemacht hat. Autosuggestion? Schlechtes Gras? Seine Zombiekomödie führt vor allem vor, was passiert, wenn lauter A-List-Promis nicht recht wissen, was sie in einem B-Movie sollen, weil der Regisseur nur damit beschäftigt ist, sich den nächsten nerdigen Untotenwitz auszudenken.

The Dead Don‘t Die spielt im fiktiven Städtchen Centerville an typischen Americana-Schauplätzen: Auto, Diner, Polizeiwache, Tankstelle, Motel. Fracking an den Polen hat die Erdachse verschoben. Die Natur reagiert weird: Lunare Energie holt die Toten aus der Erde, die durch die Straßen taumeln und die Bewohner des Ortes zombifizieren. Dabei wollen sie eigentlich nur Kaffee, Schokoriegel, Weißwein und WLAN.

Jarmusch macht schnell klar, dass seine Apokalypse ursächlich eine ökologische Katastrophe ist und der Mensch, ob untot oder lebendig, ein Konsum-Zombie. Subtext: Das fossile Zeitalter schafft sich selbst ab. Wir wissen es. Uns ist vollkommen klar, dass das schlecht ausgehen wird – das wiederholt der von Adam Driver gespielte Cop von Anfang an –, aber wir sind dazu verdammt, so weiterzumachen wie bisher. Dieser Fatalismus mündet in eine regelrechte Enthauptungsorgie, die mit Jarmuschs Ironie aber nie wirklich bricht.

Aus dieser Zeitdiagnose eine leicht angesplatterte Genre-Komödie zu machen, muss nicht zwangsläufig eine schlechte Idee sein. Dass ein Zombiefilm in Rhythmus und Tonfall eher halbtot daherkommt, kann man ihm auch schlecht vorwerfen, erst recht nicht, wenn sich der Regisseur gerade mit dem sorglosen Mäandern seiner Plots einen Namen gemacht hat.

Aber nehmen wir mal an, es ginge diesem Film (neben der Warnung vor dem Weltuntergang) um Humor – dafür gibt es durchaus Indizien. Der größte Lacher in der ersten halben Stunde ist Adam Driver in einem Kleinwagen. Jawohl, Driver fährt einen roten Smart Cabrio. Es ist wirklich lustig. Allerdings spielt in diesem Film auch Bill Murray mit, von der allerersten Szene an. Bis heute dachte man, Murray könne den Mund nicht aufmachen kann, ohne dass sich das Publikum biegt vor Lachen. Oh, doch, er kann!

Jarmusch versucht sich nicht erstmals am Genre. Sein Vampirfilm Only Lovers Left Alive funktionierte so gut, weil er im vorgegebenen Rahmen eine einfache Verschiebung vornahm: Seine Vampire waren Junkies. Und weil er eine Liebesgeschichte erzählte, die Jahrhunderte überdauert. Jetzt sind seine Zombies bloße Zitate von Zombies, die noch dazu eines wichtigen Signifikats beraubt werden. Jarmusch schafft durch die Totalzombifizierung der Gesellschaft den Wir-gegen-die-Konflikt ab, ohne den der Zombiefilm eigentlich nicht funktionieren kann. Die seit George A. Romeros Night of the Living Dead zentrale Dimension von Rassismus und Klassismus geht flöten. Sie verpufft in einem müden Witz über schwarzen Kaffee – was angesichts des ausgestellten Nerd-Wissens über die Filmgeschichte und der vielen expliziten Referenzen (Romero wird namentlich genannt) kaum zu fassen ist.

Um aus dieser Zom-Com-Nullnummer doch etwas Produktives zu schöpfen, hier ein Tipp für die Dachterrassenparty-Saison, wie man sich beim Smalltalk etwas Aufmerksamkeit sichern kann: The Dead Don‘t Die „irgendwie interessant“ finden. Fällt sonst garantiert niemandem ein.

Info

The Dead Don’t Die Jim Jarmusch USA 2019; 105 Minuten

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