Theo Zwanziger (64) baute sich einst als CDU-Politiker in Rheinland-Pfalz eine Hausmacht auf, die es ihm 2004 erlaubte, bis an die Spitze des DFB durchzumarschieren
Der Vorstand des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) besteht aus 47 Mitgliedern. Es gibt sportpolitische Beobachter, die das eher an das Regierungsgremium eines untergegangenen politischen Systems erinnert. Präsident des DFB ist Dr. Theo Zwanziger, ein 64-jähriger Jurist aus Altendiez im Rhein-Lahn-Kreis, der sich in den vergangenen Jahren den Ruf eines erfolgreichen Krisenmanagers erworben hat. Der DFB – mit 6,7 Millionen Mitgliedern der größte Sportfachverband der Welt – muss sich nämlich immer wieder der einen oder anderen Erschütterung erwehren. Manche dieser Krisen sind der Ta
ind der Tatsache geschuldet, dass der Verband eine ehrenamtliche Organisation ist – angesiedelt irgendwo zwischen Markt und Staat, aber einer Daueroffensive aus einem kapitalistisch geprägten Umfeld ausgesetzt. Auch dies nährt Vergleiche mit realsozialistischen Regimes.Die jüngste Krise nun trägt den Namen Manfred Amerell: Der frühere Schiedsrichter und Funktionär soll einen jüngeren Schiedsrichter, Michael Kempter, sexuell belästigt haben. Der Fall beschäftigt bereits die Gerichte, doch damit, wie Zwanziger den Vorgang bisher behandelte, hat sich der DFB-Chef keinen Gefallen getan. Der Meister des Krisenmanagements, der 2005 den Wettskandal um den Berliner Schiedsrichter Robert Hoyzer zu klären hatte, nach dem Tod von Nationaltorwart Robert Enke eine ergreifende Rede hielt und so manch andere Krise zu managen verstand, scheint sich diesmal verrannt zu haben.Gelernter Strippen-Zieher Dabei ist das DFB-Schiedsrichterwesen ein „Geheimorden“, wie Reinhard Rauball sagt, und der ist Chef der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Dieser Zusammenschluss der Profiklubs gibt sozusagen den kapitalistische Herausforderer des DFB. Im bezahlten Fußball war bislang einzig das Schiedsrichterwesen noch in der Hand des DFB-Schiedsrichterausschusses. Dessen Unprofessionalität und Hang zum Männerbündischen zeigte sich darin, dass die Beschwerde von Kempter über Amerell erst einmal vier Wochen liegen blieb. Während die DFL unter diesen Umständen mit ihrer Forderung nach mehr Transparenz im Schiedsrichterwesen prompt durchgekommen ist, stockt Zwanzigers Krisenmanagement.„Theo gegen den Rest der Welt“ oder „Das Ende der Zwanziger-Jahre“ lauten die Schlagzeilen, doch die Ursachen für den Konflikt liegen nur zum Teil in der Person Zwanziger begründet, mehr in der Organisation, der er vorsteht: Der DFB ist ähnlich männerbündisch organisiert wie das Schiedsrichterwesen und war in der Vergangenheit nicht über jeden politischen Zweifel erhaben. Zwanzigers Vorgänger war der CDU-Rechtsaußen Gerhard Mayer-Vorfelder. Vorher prägten Figuren wie Hermann Neuberger, der 1978 den NS-Helden Hans-Ulrich Rudel ins WM-Quartier einlud, oder Peco Bauwens, der nach dem WM-Sieg von 1954 das „Führerprinzip“ hochleben ließ, den Fußballbund.Mit Theo Zwanziger, CDU-Mitglied wie das Gros seiner Vorgänger, regiert das bislang liberalste Oberhaupt der DFB-Geschichte. Seinen Aufstieg verdankt er politischen Fähigkeiten, die ihm schon früh von Nutzen waren. Als junger rheinland-pfälzischer Landtagsabgeordneter zog Zwanziger 1988 mit an den Strippen, um den damaligen CDU-Ministerpräsidenten Bernhard Vogel zu stürzen. Zwanziger habe die Parteitagsdelegierten gegen Vogel „angestachelt“, hieß es damals im Spiegel.In Rheinland-Pfalz, wo er nach seiner Zeit im Landtag auch als Regierungspräsident von Koblenz wirkte, hat sich Zwanziger einerseits das strategische Vermögen erworben, auch in schwerfälligen Organisationen die Spitze zu erobern, andererseits hat er eine interne Hausmacht geschaffen, die es ihm 2004 erlaubte, Gerhard Mayer-Vorfelder herauszufordern.Ausgestattet mit präsidialer Machtfülle, hat er sich seither gegen Rassismus, Homophobie und Antisemitismus im Fußball eingesetzt und wurde mit Auszeichnungen wie dem Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland geehrt. Ein solches Engagement verschaffte dem Präsidenten Zuspruch und Respekt. An den Strukturen des DFB änderte dies wenig, sondern bewirkte eher das Gegenteil: Weil Zwanziger wusste, bei solchen – im Männerbund als heikel geltenden – Themen oft allein zu stehen, trat so etwas wie eine Verselbstständigung ein. Zwanziger glaubte zu oft, im Recht sein. So schienen Kritiker ein überflüssiges Ärgernis.Machterhalt, sonst nichts? Um gegen ein Scheitern gefeit zu sein, hat sich der Präsident gut vernetzt: Mit Angela Merkel kann er ebenso gut wie mit Claudia Roth. Die SPD schätzt die liberale Grundüberzeugung des Fußballchefs. Die Grünen machten ihn zum Festredner ihres Parteijubiläums. In jüngster Zeit aber setzt Zwanziger auf andere. Will er die Öffentlichkeit erreichen, wendet er sich nicht mehr an die Frankfurter Allgemeine oder den Kicker. Er hat sich beinahe völlig der Bild-Zeitung verschrieben. Spätestens hier zeigt sich, wie wackelig Zwanzigers System mittlerweile ist: Für einen Bündnispartner im Kampf gegen Rassismus und Homophobie kann Zwanziger das Boulevardblatt unmöglich halten. Geht es nur noch um Machterhalt? Es ist kein Zufall, dass der DFB-Vorstand auf 47 Mitglieder aufgebläht wurde. Schließlich gleicht sein Präsident Theo Zwanziger auch immer mehr Michail Gorbatschow. Sehr lange hat der sein Reich allerdings nicht zusammenhalten können.