In der Bankrottfalle

Bankenkrise Merkel, Sarkozy und die Euro-Rettungsgesellschaft spielen auf Zeit, weil die unaufhaltsame Pleite Griechenlands Banken und Millionen ihrer Kunden zittern lässt

Selten wurde bisher ein ­Europäischer Rat verschoben. Schon gar keiner, auf dem es um ultimative Antworten auf existenzielle Fragen der Staatenunion ging. Warum ausgerechnet jetzt das für den 17./18. Oktober anberaumte Treffen nach hinten verlagern? Es riecht nach Gnadenfrist. Die Slowakei ist beim Rettungsfonds EFSF erst einmal ausgeschert, dürfte aber wieder einschwenken. Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy haben in Berlin so etwas wie den Großen Sprung nach vorn angekündigt und vom „Gesamtpaket“ gesprochen, um die Schulden- und nun auch Bankenkrise ein- für allemal einzudämmen. Wovon offenbar – man abstrahiere vom innenpolitischen Firnis des Votums in Bratislava – das Gros der slowakischen Parlamentarier nicht überzeugt war. Und das zu recht.

Tatsächlich spielen Merkel, Sarkozy und die ganze schöne Euro-Rettungsgesellschaft auf Zeit. Es ist eingetreten, was lange in der Luft lag. Private Gläubigerbanken der staatlichen Großschuldner in der Eurozone stehen vor der Bankrottfalle. Niemand hat sie hinein getrieben – ausgenommen eigene Rendite-Erwartung und Hochrisiko-Spekulation. Mit Griechenland-Anleihen konnte man sehr lange sehr aussichtsreich engagiert sein. Erst recht, seit ab Juni 2010 eine Garantiemacht von allerhöchster Bonität aufgetaucht war: Die Europäische Union mit ihrem immer wieder aufgestockten EFSF. Doch irgendwann ist auch ein Gigant erschöpft und gerät an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Die sind aus Sicht nahezu aller Euro-Staaten – nicht nur der Slowakei – längst erreicht und werden unzulässig überschritten, sollte zur Staaten-Rettung nun auch die (seit 2008 zweite) Bankenrettung kommen.

Das weiß auch Sarkozy und will Mittel aus der EFSF einsetzen, um französische Institute wie BNP Paribas oder Société Générale vor dem Straucheln zu bewahren. Müsste der französische Staat allein einspringen, würde das seiner Schuldenquote einen Schub verpassen, so dass eine Herabstufung durch die Rating-Agenturen droht – und zwar umgehend. Also will Sarkozy die EFSF anzapfen. Doch er stößt auf den Widerstand Merkels, die einen solchen Präzedenzfall vermeiden will. Ohnehin wird bei einer europäischen Bankenkrise das Volumen des Rettungsfonds für einen solchen Belastungstest kaum ausreichen. Deshalb kursiert ja die Idee, Ressourcen der EFSF zu „hebeln“, um eventuell bis zu zwei Billionen Euro zu mobilisieren. Das aber liefe auf enorme Risiken für die EFSF-Staaten hinaus. Wer kann die derzeit eingehen?

Der Herbst 2011 ist nicht vergleichbar mit dem Oktober 2008, als auf den Crash der US-Bank Lehman Brothers reagiert werden musste. Die Haushalte der meisten EU-Staaten sind ausgelaugt und überschuldet. Bis auf die Slowakei, Slowenien, Finnland und Luxemburg gibt es kein Euro-Land, dessen Gesamtverbindlichkeit unter 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt – jenem Kriterium, das der Maastricht-Vertrag einst als unverzichtbar für die Stabilität eines Gemeinsamen Währungssystems definiert hat. Für die Abwehr einer Bankenkrise und des Übergreifens auf die Realwirtschaft fehlen schlicht die Mittel. Das heißt im Klartext, sehenden Auges einer Rezession entgegen schlittern, die schlimmer wäre als die von 2008/09. Vermutlich wurde der EU-Gipfel auch deshalb verlegt.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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