In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod

Medientagebuch Seit letzter Woche präsentiert ­Dieter Nuhr die ARD-Kabarett­sendung Satire Gipfel. Und die Sendung hat ein Problem mehr

Der 50-Jährige hat sowohl den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Kabarett (1998) gewonnen als auch den Deutschen Comedypreis (2003). Für ihn ist das Dynamik, für die ARD ein Problem. Zumal Nuhr sich nicht nur vom Kabarett verabschiedet hat – er scheint es zu verabscheuen. Keine idealen Voraussetzungen für ­einen Gastgeber des politischen Kabaretts im Ersten. Nuhr wagt es trotzdem, als Nachfolger des Dampf­parodisten ­Mathias Richling.

Als die Sendung noch Scheiben­wischer hieß, gab Dieter Hildebrandt von 1980 bis 2003 die Richtung vor. Der Anfang vom Ende begann mit einer Verlegung ins Spätprogramm, der Verkürzung auf 30 Minuten und personeller Unentschlossenheit. Bruno Jonas, Mathias Richling, Georg Schramm und Richard Rogler standen in wechselnden Konstellationen auf der Bühne. Was ein bisschen so war, als hätten Ulrich Wickert, Hanns Joachim Friedrichs und Anne Will gemeinsam die Tagesthemen moderiert. Richling blieb, Comedians wurden auf die Gästeliste gesetzt, ­woraufhin Hildebrandt 2009 den ­Namen zurückzog.

Das wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, eine andere Entscheidung zu treffen als die grammatikalisch eigenwillige Umbenennung in Satire Gipfel. Aber wie das ZDF sich nicht zu einer richtigen Literatursendung bekennen will und darum nach Lesen! und Die Vorleser nichts mehr im Programm hat, so verkauft die ARD den Unterhaltungsauftrag, der zu ihr passt, an Quotenhoffnungen, die nicht erfüllt werden.

Dieter Nuhr erreichte in seiner ersten Sendung 2,2 Millionen Zuschauer. Was sie zu sehen bekamen, war eine Bankrotterklärung. Angekündigt als „die Sendung für den gepflegten Freund des politischen Tourette-Syndroms“ nutzte Nuhr die Gelegenheit, Kabarett als „Kunstjammern“ in jene Ecke zu stellen, in die er schon den „Wutbürger“ verwiesen hatte und „die Grundhaltung im Öffentlich-Rechtlichen: Empörung“. Nirgendwohin konnte sich das Studio-Publikum der in Berlin aufgezeichneten und zuweilen grob geschnittenen Sendung flüchten, es musste lauwarme Reflexe auf Westerwelle, Talk-Flut, die Seligsprechung des Papstes ertragen („Vielleicht wird er ja wiedergeboren: als schielendes Opossum“).

Basislager der leichten Muse

Auch die Comedy-Gäste Tina Teubner und Matze Knop blieben mit ihren ­Alltagsstudien (Reformhaus, Pickel) im Basislager der leichten Muse. Andreas Rebers wagte sich „links und reich“ nach Afrika, doch allein Alfred Dorfer vermochte es, eine Pointe von ge­sellschaftspolitischer Relevanz zu ent­wickeln und kam zu dem vorläufigen Schluss, dass Unfreiheit nicht durchs Verbot entstehe, sondern durchs ­Angebot. Dorfer konterkarierte den ­liberalen Frontalunterricht Nuhrs, ­indem er hielt, was das Format verspricht.

Die ewige Litanei, das Kabarett sei tot, sein Publikum zu alt, das Feindbild unscharf, richtet sich mit unsinnigen Erwartungen an ein Genre, das in Deutschland gesellschaftskritisch und bühnenästhetisch nicht verortet ist. Anders als Comedy muss Kabarett über Tagesschau und Gürtellinie hinausreichen. Nuhr scheint es nicht zu können, die ARD nicht zu wissen, was sie wollen soll. Dieser Mittelweg aber führt nicht nur auf keinen Gipfel. Ein Segler geht auch nicht aufs Traumschiff.

NächsterSatire Gipfel am 17. Februar, 22.45 Uhr, ARD. Die aktuelle Sendung steht noch in der Mediathek: ardmediathek.de

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