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EU-QUELLENSTEUER Briten und Luxemburger blockieren weiter eine einheitliche Regelung

Die Gefahr, dass gut betuchte Steuerflüchtlinge von der EU zu einem Obolus für das Gemeinwohl gezwungen werden, hält sich weiter in engen Grenzen. Zwar mühen sich die 15 Finanzminister seit Jahren um eine gemeinsame Regelung, Kapitalerträge einheitlich an der Quelle zu besteuern. Doch ist ihr Eifer höchst unterschiedlich, weil des einen Steuersünder des anderen willkommener Anleger ist. Aktuell debattieren die Kassenwarte über einen Vorschlag der EU-Kommission, auch ausländische Anleger mit mindestens 20 Prozent Quellensteuer zu belegen, um so der Steuerflucht vorzubeugen.

Vor allem Großbritannien und Luxemburg, deren Finanzmärkte sich am üppigen Busen der Steuerflucht trefflich nähren, haben durch die Einführung einer europaweiten Quellensteuer viel zu verlieren. Ihre Regierungen bauen deshalb immer neue Hürden auf. Größter Stolperstein ist derzeit die Forderung des britischen Schatzkanzlers Gordon Brown, Euro-Anleihen weitgehend von der Steuer auszunehmen. Anderenfalls würde der Finanzplatz London, auf dem das Anleihegeschäft eine wichtige Rolle spielt, durch Kapitalabfluss schweren Schaden nehmen. Nur kleinere Anleger, die höchstens 40.000 Pfund in solche Wertpapiere investiert haben, sollen nach dem jüngsten britischen Vorschlag vom Fiskus geschröpft werden. Große Kapitalbesitzer und milliardenschwere Investmentfonds hingegen würden ihre Erträge nach wie vor steuerfrei kassieren.

Eine solche Schieflage, wettert der französische Finanzminister Dominique Strauss-Kahn, sei Francois Normalsparer nicht zuzumuten. Und auch dem Deutschen Hans Eichel schwant - trotz seines innigen Verhältnisses zur Finanzwelt - das Anliegen seiner Labour-Kollegen wäre dem Bürger schwerlich zu vermitteln. Die Luxemburger dagegen plagt nicht das soziale Gewissen. Sie schlagen Alarm aus eigenem Interesse: Wenn schon die Erträge bestimmter Wertpapiere ganz oder teilweise von der Quellensteuer ausgenommen würden, so müssten dazu die Anteile der Investmentfonds gehören.

Der Wunsch hat eine simple Erklärung: Auf dem Finanzplatz Luxemburg dürfen die großen Geschäfte bei der Verwaltung solcher Fonds nicht gefährdet werden. Da Hunderte gemischte Fonds sowohl Anleihen als auch Aktien enthalten, erscheint das nachgeschobene Ansinnen des Großherzogtums zumindest finanzpolitisch durchaus logisch.

Weiter durchlöchert wurde eine europäische Regelung durch die zahlreichen Steueroasen in Territorien mit Sonderstatus. Zwar haben die Franzosen schon wissen lassen, in ihren Übersee-Departements würde eine Quellensteuer gleichfalls erhoben. Auch die Regierung in Den Haag hat sich bereit erklärt, auf den niederländischen Antillen keine Steuerflucht zu dulden. Die Dänen signalisieren gleiches für die Faröer-Inseln und Grönland. Auf die Hinterbeine stellen sich aber auch in diesem Falle die Briten. Die vor der französischen Küste liegenden Kanalinseln und insgesamt 16 weitere Gebiete seien eigenständige Demokratien, belehrte Schatzkanzler Brown bei der jüngsten EU-Finanzministertagung seine Kollegen. Sie könnten daher ihre Steuerpolitik selbst bestimmen, sprich: ausländische Anleger weiterhin von jeder Quellensteuer freistellen. Und so bliebe jedem, der in Deutschland die Steuer hinterziehen will, die Möglichkeit, mit seinem Geldkoffer nicht wie gewohnt in Luxemburg Halt zu machen, sondern einige hundert Kilometer weiter zur Fähre nach Guernsey oder Jersey zu reisen.

Selbst wenn es den Finanzministern wider Erwarten gelingen sollte, all diese Hürden zu überwinden, halten die Widersacher einer einheitlichen Quellensteuer weitere Argumente in der Hinterhand. Eine reine EU-Regelung führe zur Steuerflucht in die Schweiz oder nach Liechtenstein, warnen nicht nur die Luxemburger, solange nicht auch mit diesen Ländern Regelungen ausgehandelt seien. Des weiteren pocht das Großherzogtum auf den EU-Beschluss, wonach die Quellensteuer an die Beseitigung des unlauteren Wettbewerbs bei der Unternehmensbesteuerung gekoppelt wird. Experten haben allerdings bislang erst eine Liste von 200 anrüchigen Einzelmaßnahmen aufgestellt, mit denen sich die Staaten durch Steuerdumping gegenseitig Investoren abjagen. Hier würden auch die Interessen anderer EU-Partner wie Irland oder Belgien tangiert, die sich bisher in der Steuerdebatte hinter dem Rücken der Briten und Luxemburger versteckt halten.

Selbst wenn sich die 15 EU-Staaten irgendwann auf eine einheitliche Quellensteuer verständigen sollten, bliebe immer noch das Mißverhältnis bei der Besteuerung von Arbeit und Kapital. Denn mehr als eine sogenannte Abgeltungssteuer erwartet niemand. Und deren Satz dürfte bei höchstens 20 Prozent liegen. Die Erträge bräuchten dann bei der jährlichen Steuererklärung nicht mehr berücksichtigt werden und würden mithin nicht der Steuerprogression unterliegen. Am heutigen Zustand, dass die Staatskassen vorwiegend mit Lohnsteuern gefüllt werden, will schließlich kaum jemand rütteln.

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