Es zischt und brummt und pfeift. Reza A. kocht Kaffee. Das geht so: Er füllt Kaffeebohnen ein, schäumt Milch auf, drückt ein paar Knöpfe, den Rest erledigt eine Cimbali, der Porsche unter den Kaffeemaschinen.
Die rund 300 Kaffee, die Reza jeden Tag macht und die an seinem Arbeitsplatz, dem Hamptons im bayerischen Memmingen, nicht einfach nur Kaffee heißen, sieht man ihm nicht an. Seine Uniform, marineblauer Pullover mit V-Ausschnitt, hellblaues Hemd und gestreifte Krawatte, lassen ihn wie den Rezeptionisten eines Nobelhotels wirken. Die schwarzen Haare: akkurat geschnitten und im Nacken ausrasiert. Breitschultrig und mit aufrechtem Oberkörper steht er hinter der Bar und nippt am Strohhalm einer Acqua-Panna-Flasche. Nur aus der Nähe sieht man, dass Reza erst 17 ist: Ein Rest Babyspeck säumt die Wangen. Wenn er lacht, hat er Pausbacken.
„Zwei Latte macchiato, einen Espresso und einen Milchkaffee mit laktosefreier Milch“, ruft ihm eine Kollegin zu. Reza legt los, seine Bewegungen sind bestimmt, manchmal ein wenig zu schwungvoll. Dann verschüttet er Kakaopulver, lässt Milchschaum über den Rand der Tasse laufen und stellt Gläser mit so großem Elan auf die Marmorplatte, dass sie scheppern. Reza hat es eilig.
Dass er Kaffee kocht, liegt an den Taliban. Er kommt aus Maidan Wardak, einer Provinz, die das afghanische Innenministerium als Hochrisikozone einstuft, so stark ist der Einfluss der Taliban. „Sie wollen unser gesamtes Dorf zerstören. Wenn sie könnten, würden sie uns alle umbringen“, sagt Reza, während er eine Orange in feine Scheiben schneidet – als Dekoration für ein Tee-Gedeck.
Die Taliban töteten seinen Vater, als Reza sieben war. Reza ging daraufhin mit einer Bekannten seiner Eltern nach Kabul. Um Geld zu verdienen für die Familie. Er fand einen Job in einer Bäckerei, als Teiganrührer. Ein wenig Geld war noch übrig, damit konnte er zwei Jahre zur Schule gehen. Zusammen mit 50 Mitschülern zwischen 8 und 15 lernte er lesen und schreiben. Der Unterricht fand auf dem Fußboden statt, ohne Tische und Stühle.
Nach zwei Jahren zog Reza weiter in den Iran, mehr Geld verdienen. Damals war er zehn. Ein Onkel lebte schon länger in Teheran und besorgte Reza einen Job in einer Schmuckfabrik. Mit 14 beschloss Reza, dass es nun Zeit war für den großen Sprung: Europa. Er nahm Kontakt zu einem Schlepper auf, „wie das alle machen“. 3.000 Euro verlangte der. Reza lieh sich Geld von seinem Onkel. Der Schlepper brachte Reza übers Mittelmeer und dann von Italien nach Österreich. Ab da musste er sich allein durchschlagen. Er nahm einen Zug nach Lindau, von wo er weiter gen Hamburg wollte. „Ich hatte gehört, dort leben viele Afghanen.“ Am Fahrkartenautomaten nahm ihn die Polizei fest. Sie durchsuchte und verhörte ihn, übergab ihn dem Jugendamt, er war ja erst 14. Drei Jahre ist das jetzt her. Über die Reise und seine Zeit in Libyen spricht Reza nicht gern.
Die Behörden schickten ihn an den Rand des Allgäus, nach Memmingen. Anfangs lebte er in einer Wohngruppe mit Betreuer. Dann zog er in ein Ein-Zimmer-Apartment der Jugendhilfe-Einrichtung um. Er muss einkaufen, kochen, putzen, waschen. Vier Stunden Deutschunterricht pro Woche erhielt er zu Beginn. Nach nur drei Monaten kam er in eine reguläre Hauptschule, achte Klasse. Er verstand erst wenig, büffelte aber jeden Nachmittag am Computer Deutsch. Nach eineinhalb Jahren schaffte er den Hauptschulabschluss.
Latte macchiato im Weinkelch
Er wollte weitermachen bis zur mittleren Reife. Doch die Lehrer rieten ab: Sein Deutsch sei nicht gut genug. Reza machte Praktika, unter anderem in einem Autohaus. Dort wäre er gern geblieben, doch der Inhaber wollte ihm keine Lehrstelle anbieten, wegen fehlender Sprachkenntnisse. Rezas damalige Betreuerin Helga Dittmann sagt: „Damals war nicht klar, wie es weitergehen soll. Reza erschien mir etwas orientierungslos.“
Eines Nachmittags ging sie mit Reza spazieren. Sie kamen am Hamptons vorbei: Café, Restaurant, erste Adresse am Marktplatz. Buchsbäume und Rattanmöbel auf der Terrasse, Schwarz-Weiß-Fotografien von Audrey Hepburn an den Wänden, die Speisekarte voller englischer Begriffe. Der Latte macchiato wird auf Wunsch im Weinkelch serviert, garniert mit einem Rosenblatt. Preis: vier Euro. Reza war skeptisch, doch seine Betreuerin schubste ihn durch die Tür und steuerte auf Inhaberin Christina Rau zu. Die ließ Reza ein Praktikum machen. Das lief so gut, dass Rau ihm eine Lehrstelle zum Restaurantfachmann anbot. Ein halbes Jahr ist das nun her.
Reza arbeitet fünf Tage pro Woche, um die acht Stunden täglich. Dafür bekommt er 125 Euro. Eigentlich ist die Ausbildungsvergütung höher, doch das meiste muss er an das Jugendamt abtreten, unter anderem für seine Unterkunft. Reza gibt kaum etwas für sich aus, hin und wieder leistet er sich Zigaretten. Eine Zeit lang ging er ins Fitnessstudio. Seit der Winter vorbei ist, spielt er draußen Fußball. Kostet nichts. Seinen vier Geschwistern schickt er regelmäßig Geld. Seit dem Tod der Mutter letztes Jahr fühlt er sich noch mehr für sie verantwortlich. Woran seine Mutter starb, weiß Reza nicht. Immer wieder hatte sie über Kopf- und Bauchschmerzen geklagt. Erst als sie eine Woche tot war, erfuhr Reza davon. „Er hat sich damals wochenlang in seinem Zimmer vergraben, bei heruntergezogenen Jalousien im Bett gelegen“, erinnert sich Dittmann.
Heute scheint die Lethargie verflogen. Reza räumt die Spülmaschine ein und scherzt mit einem Mann, der am Tresen Espresso trinkt. Gerade will er selbst an einem Cappuccino nippen, da ruft ihm ein Kollege schon die nächste Bestellung zu. Heute ist viel zu tun, die Sonne scheint, auf der Terrasse ist jeder Platz besetzt. Aber Zeit für eine Zigarette muss sein. Die raucht er am Küchenausgang neben den Mülltonnen. Der Stress stört ihn so wenig wie das dürftige Gehalt. „Klar hätte ich gern mehr, dann könnte ich meinen Führerschein machen. Aber wichtig ist jetzt erst mal, meine Lehre abzuschließen.“
Nicht alle sind so vernünftig. Immer mehr Ausbildungsplätze in der Gastronomie bleiben unbesetzt. 2015 meldete die Bundesagentur für Arbeit knapp 1.700 offene Lehrstellen als Restaurantfachfrau oder -mann. Deshalb fordert der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, die Liste der Mangelberufe um solche im Gastgewerbe zu erweitern. Eine optimale Ausgangslage für Flüchtlinge – eigentlich. Aber damit mehr Restaurants sie einstellen, sei Planungssicherheit unabdingbar, sagt die Dehoga-Geschäftsführerin Sandra Warden. „Es muss gewährleistet sein, dass ein junger Mensch, der eine Ausbildung beginnt, diese auch beenden kann. Im Idealfall sollte er mindestens zwei Jahre nach Ausbildungsabschluss das Recht auf eine Arbeitsgenehmigung haben.“ Seit Jahren fordern Wirtschaftsverbände diese „3-plus-2-Regel“. Ende Mai soll sie vom Kabinett beschlossen werden.
Im Allgäu beschäftigen viele Betriebe schon jetzt Asylbewerber als Lehrlinge. Das hat mit der hiesigen Industrie- und Handelskammer und deren Pilotprogramm „Junge Flüchtlinge in Ausbildung“ zu tun: Dank diesem konnten bereits über 90 Asylbewerber und Flüchtlinge einen Ausbildungsvertrag unterschreiben.
Rezas Chefin Christina Rau war die fehlende Planungssicherheit egal. „Ich wollte Reza eine Chance geben.“ Und das, obwohl Rau anders als die meisten ihrer Kollegen keine Probleme hat, offene Stellen zu besetzen. Auf einen Job kommen 20 Bewerbungen. Noch könnte ihr Reza jeden Tag wegbrechen. Bisher ist er nur „gestattet“, sein Asylverfahren läuft. Seit drei Jahren wartet er auf seine Anhörung. „In der Hinsicht bin ich enttäuscht von Deutschland. Ich hatte gedacht, wenn ich mich nur genug anstrenge, würde schon alles klappen.“ Er sagt das sehr leise, während er Gläser abtrocknet. Er will nicht als undankbar gelten.
Wie in der Puppenstube
Es ist nun vier Uhr nachmittags. Eine Pause hat er noch immer nicht gemacht, dafür darf er heute früher gehen. In Windeseile tauscht er seine Arbeitskleidung gegen Jeans, T-Shirt, Sneakers, schnappt sich seine Tasche und holt sich auf dem Weg nach draußen noch schnell sein Mittagessen ab. Der Koch hat es ihm in Alufolie verpackt.
Sein Heimweg führt durch Memmingens Altstadt: bunte Häuser, blank gefegtes Kopfsteinpflaster, Menschen sitzen in der Sonne. Puppenstubenatmosphäre mit Glockengeläut. Reza ist genervt von so viel Niedlichkeit. „Drei Jahre in diesem Kaff sind genug. Ich hätte jetzt Lust auf Großstadt.“ Sein Apartment liegt in einer Wohngegend am Stadtrand gegenüber einem Altenheim. Das Haus ist gelb und von viel Grün umgeben. Rattern unterbricht die Stille, hinter dem Haus verlaufen Bahngleise.
Rezas Wohnung ist geräumig. Die Nachmittagssonne taucht den Raum in warmes Licht. An der Wand hängt die afghanische Flagge, daneben eine leicht abgeänderte Version: gleiche Farben, andere Reihenfolge. Beide selbst gemalt. „Ich war mir nicht mehr sicher, wie die Flagge richtig geht“, sagt Reza mit vollem Mund. In Tennissocken auf dem Sofa lümmelnd schiebt er zwei Tortellini auf einmal in den Mund. Drei Schachteln Zigaretten liegen auf dem Tisch, bewacht von zwei Kuscheltieren, einem Hasen und einem Igel – Geschenke der Heimleitung. Im Regal steht Proteinpulver – und eine Flasche Wodka.
„Eigentlich schmeckt mir Alkohol nicht.“ Reza und die Religion, das ist kompliziert. „Ja, ich bin Muslim“, sagt er. Und schiebt zögerlich hinterher: „Auch wenn das hier alles nicht so einfach ist.“ „Das“ meint etwa den Ramadan, den Reza nach drei Tagen abbrechen musste. „Hier ist es zu lange hell, um den ganzen Tag zu fasten.“ Dann verschwindet er abrupt ins Bad, schnappt sich seine Fußballschuhe und verlässt die Wohnung.
Unten vor dem Haus wartet Tobi, sein engster Freund. Tobi ist ebenfalls 17, er wohnt nur eine Etage unter Reza. Vorher war er in mehreren Wohngruppen. „Ich hab in meiner Jugend ziemlich viel Scheiß gebaut“, sagt er. Fast jeden Nachmittag spielen sie Fußball. Der Platz ist eigentlich nur eine Wiese zwischen Wohnsiedlung und Gleisen. Am einen Ende wacht eine Jesus-Figur über die Spieler. Hier treffen sich Reza und Tobi mit drei weiteren Jungs aus Afghanistan, alle minderjährig, alle allein in Deutschland – so wie zurzeit um die 60.000 Jugendliche laut dem Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge.
Reza ist der stärkste Spieler der Gruppe. Schnell, wendig, konzentriert. Und vor allem: willensstark. Er und Tobi bilden ein Team. Eine Stunde kicken sie, dann wird es zu kalt. Reza geht zurück in seine Wohnung, um mit seinen Geschwistern zu skypen. Sobald sein Asylverfahren abgeschlossen ist, will er sie besuchen. Ein Ticket kostet etwa 800 Euro. Dafür muss er sieben Monate arbeiten. Oder zirka 42.000 Kaffee kochen. Wann hat Reza seine Geschwister zuletzt gesehen? Er weiß es nicht mehr genau. „Vor neun Jahren vielleicht.“
Zwei Wochen später: Reza hat Geburtstag, er wird 18. Tagsüber arbeitet er, den Abend verbringt er allein. Zum Feiern hat er weder Geld noch Lust: Denn am Wochenende muss er seine Wohnung räumen, im Apartment-Haus dürfen nur Minderjährige wohnen. Reza zieht in ein Asylbewerberheim um. Sechsbettzimmer. „Wie soll es hier schon sein?“, sagt er. „Wie in allen anderen Heimen.“
Einen Termin für seine Anhörung hat er noch nicht. Dafür aber etwas mehr Geld, da er nichts mehr ans Jugendamt abtreten muss. Er will nun endlich seine letzten Schulden abstottern – das Geld, das er sich bei seinem Onkel geliehen hat. Den Rest seines Lohns will er in ein Flugticket investieren. Nicht mehr nach Kabul, sondern nach Teheran. Dorthin sind seine Geschwister gerade geflohen, aus Angst vor den Taliban. Kurz zuvor hatte der deutsche Innenminister Teile Afghanistans für sicher erklärt, denn Ziel der Terroristen seien ja Funktionsträger, nicht normale Menschen. Rezas Vater war: ein normaler Mensch.
Kommentare 8
wie süß! Neoliberale Propaganda für Dummis. Und als linke Verpackung gibts ein bisschen menscheln frei Haus.
Oder ein Beispiel für jungen prekären Journalismus der ob er will oder nicht, in neoliberalen Denkmustern gefangen ist.
Da jubelt also eine irgendwie linkes Postille darüber, dass Schweinebranchen wie die Gastronomie oder das Hotelwesen jetzt tausende Selbstausbeuter geschenkt bekommen hat. Und das tollste ist: dank diesem Geschenks gibt es nicht nur kein Nachdenken darüber, warum diese Berufe keine Auszubildenen finden (momemt mal: stimmt das überhaupt oder ist das nicht auch wieder ein neoliberales Fachkräftemangel-Märchen!?!) und ob man nicht etwas an den Arbeitskonditionen ändern müsste.
Nein, dank diesem Geschenks wird nicht nur nicht darüber geredet, sondern es gibt dort zukünftig einen Lohndruck nach unten.
In den Großstädten werden wir in Zukunft vermehrt Döner für 99cent und multi kulti Kochbanane für 2,49€ essen können. Klasse.
Also Freitag-Redaktion, jetzt mal Butter bei die Fische: hat sich mit dem Autor ein Agent Provokateur der Bertelsmann Stiftung bei euch eingeschlichen oder lässt diese irgendwie linke Postille jetzt alle Masken fallen?
Solchen neoliberalen Quark verpackt mit menschelnden moralisierenden Doktus solltet ihr lieber der Zeit überlassen. Die können das besser.
PS: beim zweiten mal lesen wirds noch schlechter. Der Artikel wirkt wie product placement der INSM.
das solche Schreibe unter Wirtschaft publiziert wird, zieht einem echt die Schuhe aus.
War nicht mal der Anspruch im Wirtschaftsteil andere Wege und Blickwinkel aufzuzeigen? Weg vom neoliberalen Konsens der deutschen Wirtschaftsredaktionen?
Liebe_r Mccormick,
bei aller berechtigten Kritik an die "Flexibilisierung" des deutschen Arbeitsmarktes, an der politisch gewollten Schöpfung eines riesigen Niedriglohnsektors, an den weithin schlechten Beschäftigungsbedingungen in der Gastro – die duale Ausbildung in Deutschland ist eine Errungenschaft, ob Ihnen das nun gefällt oder nicht. Alle entsprechenden Erhebungen zeigen: Wer eine Ausbildung absolviert, der kann Arbeitgebern sehr viel anders gegenübertreten als Ungelernte, selbstbewusster, mit aussichtsreicheren Forderungen auf höhere Bezahlung, arbeitsrechtlichen Schutz, überhaupt auf ein sozialversicherungspflichtiges, unbefristetes Beschäftigungsverhältnis. Nicht zuletzt haben Gewerkschaft hier noch einen vergleichsweise leichten Zugang, um Menschen zu organisieren, um sie zur Mitgliedschaft zu bewegen. Zahlreiche kampfkräftige Ausbildungsvertretungen und junge Betriebsräte zeugen davon.
Ob Reza A. schon Mitglied einer Gewerkschaft ist? Ich weiß es nicht, vermute: Nein. Es gibt eben im Konkreten wie im Allgemeinen noch viel zu tun. Jungen Geflüchteten aber zuvorderst Zugang zur dualen Ausbildung zu verschaffen, das halte ich für zutiefst sinnvoll. Eine Ausbildung ist noch der beste Schutz vor Ausbeutung via Tagelöhnerei, Niedriglohnsektor und Leiharbeit – und inzwischen ja auch Abschiebung, vgl. die 3+2-Regelung.
Ich habe vor kurzem eine überaus engagierte Mitarbeiterin der IHK Schwaben kennenlernen dürfen, die Tag und Nacht für die Ausbildungsmarktintegration junger Geflüchteter arbeitet und durfte dabei auch einmal mehr lernen, dass Arbeitgeber und Unternehmer eben nicht immer "die bösen Ausbeuter" sind, ich weiß schon: Sie halten das für zutiefst naiv, und Angela Merkel hat alle Flüchtlinge sowieso nur "eingeladen", damit deutsche Arbeitgeber noch hemungsloser ausbeuten können usw. usw.... Aber mit schwarz-weiß-Brille sieht man eben nicht die Unternehmer, die auch Bürger sind, die einen Flüchtling in die Ausbildung nehmen, obwohl sie bisher befürchten mussten, dass er morgen abgeschoben wird und das Unternehmen mit einem unbesetzten Ausbildungsplatz dasteht: https://www.freitag.de/autoren/sebastianpuschner/ein-gespuer-fuers-matching
Dass, andererseits, die Ausbildungsvergütungen in vielen Branchen sehr viel höher sein sollten und müssten als sie sind, das ist freilich unbestritten.
Beste Grüße, S.P.
Kritik an der "Flexibilisierung" natürlich. Und die am Neoliberalismus überhaupt und insgesamt ist natürlich eh immer berechtigt.
Es gab im April in Pankow eine Jobmesse für Flüchtlinge, die beraten und vermitteln wollte.
Das war ein voller Erfolg und hat soll auch wiederholt werden. Wir dachten alle, nur so bringt man die Leute zueinander. Das Hauptproblem war eigentlich, dass zuwenig Frauen dort waren. Die saßen im Frauentreff mit ihren Kindern und hatten wieder weniger Zugang zu einer entsprechenden Möglichkeit.
https://www.berlin.de/ba-pankow/aktuelles/pressemitteilungen/2016/pressemitteilung.472302.php
Von vorn bis hinten gelogen:
... schafft alle Prüfungen, obwohl sein deutsch (oder sein schwäbisch?) noch nicht gut genug sei?
Für Arbeit "um die acht Stunden täglich" bekommt er 125 Euro im Monat - und schickt davon sogar noch Geld an die Familie ...
"Nicht alle sind so vernünftig."
Ist das Idylle im Schwabenland - oder Lakai im Schwabenland?
Oder führt Merkel eine moderne Form der Sklaverei wieder ein?
Warum nicht bei den Fakten bleiben, Philipp9x?
Dass sein Deutsch nicht gut genug sei, das war die subjektive Einschätzung von Lehrern und potentiellen Ausbildungsbetrieben. Er hat sie per bestandener Prüfungen praktisch Lügen gestraft.
125 Euro im Monat bekommt er nach Abzug dessen, was an das Jugendamt geht, diverse staatliche Leistungen wie z.B. Wohnungskosten muss er davon nicht mehr decken. Außerdem geht es hier nicht um einen Lohn, sondern um die Ausbildungsvergütung, in Bayern für die Branche durchschnittlich 713 Euro im ersten, 804 im zweiten und 896 im dritten Ausbildungsjahr. Ich stimme sofort zu: Ausbildungsvergütungen gehören Berufs-übergreifend massiv erhöht. Die duale Ausbildung ist aber eben ein Ausbildungs- und kein alleiniges Arbeitsverhältnis. Vereinfacht gesagt: Es gibt keine dicke Kohle, aber einen Abschluss, der etwas wert ist und vor gewissen Ausbeutungsverhältnissen schützen kann.
Und ja, nennen Sie es naiv, neoliberal, konservativ oder wie auch immer: Dass es sehr "vernünftig" sein kann, eine Ausbildung zu absolvieren, das unterschreibe ich uneingeschränkt. Es ist in diesem Sinne ebenso vernünftig, junge Geflüchtete in den Ausbildungsmarkt zu integrieren anstatt Sie in Ein-Euro-Jobs, Leiharbeit und andere Segmente des Niedriglohnsektors bzw. in gänzlich unregulierte und kaum statistisch erfasste Sphären des Arbeitsmarktes zu schicken.
Im Übrigen läuft das mit der berufsschulischen Bildung für junge Geflüchtete gerade in Bayern durchaus beachtlich: Das dortige Bildungsministerium hat schon 2011 die Berufsschulpflicht für Flüchtlinge und Asylbewerber bis 21, auf Antrag sogar bis 25 Jahre anerkannt und zieht das Programm der Berufsintegrationsklassen, die in zwei Jahren Sprach-, Berufsvorkenntnisse und somit Ausbildungsreife vermitteln sollen, immer größer auf, da natürlich der Bedarf, sprich: die Zahl der jungen Geflüchteten, enorm gestiegen ist.
Es ist nicht immer alles schwarz-weiß.
Ein beeindruckendes und spannend zu lesendes Portrait.