Die Klimakrise ist die größte Bedrohung, der die Menschheit momentan gegenübersteht. Es scheint unfassbar, dass immer noch so viel Unwissen über sie herrscht. Und vor allem, dass nicht einmal im Schulunterricht ein angemessener Umgang mit ihr gefunden wird.
Das Wissen über die Klimakrise sowie ihre Folgen und Ursachen haben wir mittlerweile seit Jahrzehnten. In dieser Zeitspanne hat die Politik jedoch nicht nur dabei versagt, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die Klimakrise einzudämmen. Sie hat ebenso grundlegend dabei versagt, über die drohende Katastrophe zu sprechen.
Ich bin mittlerweile 18 Jahre alt, mache dieses Jahr mein Abitur und blicke auf drei Jahre gymnasiale Oberstufe zurück. Während dieser drei Jahre habe ich in der Schule exakt einen Text zu Folgen der Klimakrise gelesen. Einen.
Dieser Text behandelte die Zuverlässigkeit von Klimaprognosen, die Blütezeit von Forsythien (die heute 17 Tage früher als sonst einsetzt) und – das muss man dem Text lassen – er erwähnt die zu erwartende Erwärmung der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts. Gänzlich unerwähnt bleiben jedoch die Folgen der Klimakrise für unsere Generation, für Menschen des globalen Südens, die Bedrohung durch Dürren, Missernten und Naturkatastrophen, welche Lebensräume unbewohnbar machen. Kein Wort auch zum 2015 verabschiedeten Pariser Klimaschutzabkommen. Wer diese Klimakrise verursacht hat? Sorry, darauf hatte der Text leider keine Antwort.
Wenn wir in der Schule in anderen Kontexten doch mal über Ursachen geredet haben, dann ging das nie über die typische Konsumkritik hinaus: Es wird Kindern und Jugendlichen erklärt, dass sie die Schuldigen an jeglichen Umweltproblemen sind, weil sie am Wochenende Nutella aus Palmöl gegessen und zu Weihnachten ein neues Handy bekommen haben. Dass nur 100 Konzerne über 70 Prozent der weltweiten Emissionen verursachen, das habe ich in der Schule nie gehört.
Wir können also festhalten: Die Klimakrise wird in der Schule nicht oder nur sehr wenig behandelt. Dabei wäre Bildung zu diesem Thema so wichtig. Um die Klimakrise noch wirksam eindämmen zu wollen, brauchen wir Veränderungen in Wirtschaft, Politik und unserem alltäglichen Leben, die so riesig sind, dass sie fast unmöglich erscheinen.
Um all das aber dennoch möglich zu machen, braucht es eine Gesellschaft, die bereit für diesen Wandel ist und die versteht, dass die Klimakrise sehr radikale Maßnahmen nicht nur rechtfertigt, sondern erfordert. Wenn das Thema aber immer nur in Nebensätzen abgehandelt wird, dann erscheint es logisch, dass das nötige Bewusstsein nicht entsteht.
So etwas ist wahrscheinlich bei vielen Themen ein Problem, doch da bleiben meist Jahrzehnte Zeit für Veränderung. Veraltete Werte können sich langsam verabschieden, während sich neue festsetzen. Bei der Klimakrise ist uns diese Zeit jedoch nicht gegeben: Wenn wir weiter emittieren wie bisher, dann haben wir in weniger als acht Jahren alle Emissionen ausgestoßen, die mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind. Mit jedem Jahr, in dem wir jetzt klimapolitisch untätig bleiben, müssen die Emissionen im darauffolgenden Jahr drastischer sinken. Wir haben planetare Grenzen – sie zu überschreiten, wäre das Fatalste, was wir als Menschheit tun können.
Unser Umgang mit der Klimakrise in den Schulen steht stellvertretend dafür, dass eigenes Denken kaum unterstützt wird. Lebensrealitäten der Schüler*innen finden kaum Aufnahme in den Unterricht. Nicht selten habe ich das Gefühl, dass wir dazu erzogen werden, still zu sein und unseren Verstand auszuschalten. Dass wir nicht über das hinausdenken sollen, was uns Lehrpläne oder sonstige Autoritäten vorgeben. Wir lernen: Etwas Eigenes einbringen oder Verändern, das ist nicht möglich.
Dabei gibt es nichts, was wir momentan mehr brauchen, als Menschen, die aktiv werden und die Möglichkeiten unserer Demokratie überall dort ausschöpfen, wo es möglich ist. Dass unsere Schulen progressives Denken und Handeln so stark unterbinden, wie sie es tun, macht mir Angst.
Bildung zur Klimakrise ist dringend notwendig. Ein Schulsystem, das zu Demokratie und Selbstermächtigung ermutigt, ist dringend notwendig.
Wenig Zeit bleibt, um gegen die Klimakrise aktiv zu werden, und noch weniger, um darauf zu warten, dass andere es tun. Dies ist ein Aufruf, die Klimakrise in alle Klassenzimmer, Lehrerkonferenzen, Wohnzimmer und Elternabende zu tragen. Fragen zu stellen. Genau dort, wo es unbequem wird.
Die Klimakrise aufzuhalten – das geht. Aber nur, wenn jetzt alle mit anpacken.
Kommentare 14
>>Dass nur 100 Konzerne über 70 Prozent der weltweiten Emissionen verursachen, das habe ich in der Schule nie gehört.<<
Und dass das Militär einer der ganz grossen Emissäre ist wird in der Regel auch schamhaft verschwiegen. Wenn man sagen würde: „Ihr habt es in der Hand, kauft weniger Kampfjets & Panzer!“ wäre das ja doch zu entlarvend.
wir stehen ja kurz vor dem großen anpacken!
die ärmel sind schon hoch-gekrempelt!
aber öffentliche tempo-limits auf der auto-mobil-bahn,
die private verfügungs-macht beschneiden?
das ist dann doch zu kollektivistisch, einschneidend,konsequent,
nicht die lösung bringend....
So, so, da bekam die angehende Abiturientin im Unterricht lediglich einen Text zum Thema Erderwärmung/Klimawandel zu lesen.Wie traurig.Kleiner, vielleicht tröstender Hinweis. Wenn ich mich für etwas interessiere, besorge ich mir Informationen, auch in Textform, selbständig. Die Quellenlage zum Thema Klimawandel ist vorzüglich und vielfältig. ;-)
Abiturienten sollten fit sein für das Selbststudium. Das heißt es sollte Ihnen möglich sein sich weitere Informationen zu beschaffen und auszuwerten bzw. zu bewerten. Ideen sind notwendig und keine Feststellung daß schon lange ein Klimawandel stattfindet und keiner was tut. Also ran ans Nachdenken und handeln.
Sie meinten wohl: " ... in die KASSEN!" ?
Liebe Pauline Brünger,
ich finde Ihr Engagement und das der FfF Bewegung super. Richtig so, weiter so. Wir brauchen Sie und Euch, vielen Dank!
Abzüglich der seltsamen Häme, mit der die FfF Bewegung oft konfrontiert ist, teile ich die Ansicht, dass Schule einen eher in die Lage versetzen sollte, sich die jeweils notwendigen Informationen selbst zu beschaffen und Sie zeigen ja, dass Sie das können. Ich würde sagen, sich allein auf die Schule zu verlassen, war noch nie eine gute Idee und wird es vermutlich nie werden.
Die einzige Gefahr sehe ich darin, dass das Klimathema (meine Einstellung dazu, in Kurzform: Man kann nicht 100% sicher sagen, was kommen wird. Aber, die bereits sichtbaren Veränderungen, die ich bezeugen kann, plus der statistischen Prognosen der Wissenschaft, plus dem ethischen Imperativ, dass wir eine Erde hinterlassen sollten, die die Kontinuität des menschlichen Daseins/das Überleben gewährleistet (Hans Jonas), plus einer weiteren ethischen Einstellung, die versucht ein insgesamt besseres, statt schlechteres Leben zu ermöglichen, reicht aus, um das Thema Klima zu den Top-Themen der Zeit zu machen) zu monothematisch abgehandelt wird, dass Klima also alles ist.
Die FfF Argumentation lautet, dass, wenn kein (menschliches) Leben mehr existiert, alle anderen Fragen ohnehin unnötig/überflüssig sind, das macht die ganze Geschichte aber zu einer Art Glücksspiel. Die andere Seite könnte fragen, was sie ja auch fragt, nämlich: Und wenn nicht?
Insofern würde ich von Anfang an darauf setzen, dass Thema Klima (also: auch menschengemachter Klimawandel, mit der Option, als Mensch und Menschheit was dran ändern zu können) sehr sehr ernst zu nehmen, aber die anderen Themen nicht zu vergessen. Demografie, Migration, Wohlstand, Infrastruktur, Cyber(un)sicherheit, Ressourcenknappheit, um nur ein paar zu nennen.
Da das per Verbot schwer zu regeln ist und automatisch zu Trotz und Widerständen führt, würde ich auf die Etablierung eines Bewusstseins in einer wachsenden Anzahl von Menschen setzten, die in der Lage sind zu erkennen, dass es mehrere Probleme gibt (leider wurde nicht nur das seit 50 Jahren bestehende Wissen um die Klimaproblematik ignoriert) und da sich mit dem Klima zu beschäftigen ohnehin schon eine komplexe Angelegenheit ist, denke ich, dass etliche der FfF auch die weiteren Themen erkennen werden.
Ich glaube, es ist nicht falsch, dass es dabei Gruppen wie Euch gibt, die einen bestimmten Aspekt des Ganzen schärfer in den Fokus nehmen und betonen. Es muss gesellschaftliche Expertengruppen geben, also Menschen, die sich mehr als andere, für bestimmte Themen/Bereiche einsetzen und darüber wissen, man muss nur am Ende des Tages so viel Übersicht behalten/gewinnen, dass man sich nicht gegen einander ausspielen lässt. Diese Jung gegen Alt Geschichte, die aus dem komplexen Geschehen einen simplen Zweikampf machen will, mit der Suggestion, wäre dieses eine Problem gelöst, würde sich alles andere automatisch in Luft auslösen.
Ich sehe überhaupt keinen Grund, dass wir uns da auseinander dividieren lassen und das Ziel die Erde im besten Fall etwas besser (nicht nur, aber auch ökologisch) zu verlassen, als wir sie betreten haben, ist meines Erachtens ein ehrenwertes Ideal.
Ansonsten, viel Glück beim Abi.
Abiturklasse, aber nicht weiter denken können, als der Lehrplaninhalt?
Klimawandel bremsen ohne die Ursachen zu benennen und ändern....? Wie soll das gehen? Im Kapitalismus ist 'weniger' nicht vorgesehen. Schlimmer noch, es ist 'teuflisch'. Lamentiert nicht über CO2, sondern darüber das 'best praxis', Kants kategorisch Imperativ und Platons Logik in unserem System keine normative Kraft haben. Wird ignoriert sobald das 'Wachstum' gefährdet sein könnte...
Befindlichkeitspolitik auf allen Kanälen.
>>Wenn man sagen würde: „Ihr habt es in der Hand, kauft weniger Kampfjets & Panzer!“ wäre das ja doch zu entlarvend.<<
Die gemeinsamen Aktionen von FFF und Friedensbewegung, zumindest in München zur Zeit anlaufend, sind da schon eher zielführend.
"Die Schule ist nicht das Leben."
Diese Erkenntnis ist also das, was Sie in der Schule für Ihr Leben gelernt haben?
Ihr Plan, dass die heutigen Schüler die Verantwortung für die Unterlassungssünden ihrer Vorfahren übernehmen sollen, damit ihre Kinder in der nächsten Generation die Verfehlungen ihrer Eltern ausbügeln sollen, ist schon abenteuerlich.
Was lernen Sie jetzt nach Ihrer Schulzeit und der heutigen Erkenntnis? Wie sieht Ihr Lösungsansatz aus?
Auszug aus dem Kapitel "Wer denken lässt, wird kein Experte" des Buchs "Digitale Demenz" von Manfred Spitzer
›Jeden Tag bekomme ich von Schülern und Studenten E-Mails etwa der folgenden Art:
Lieber Herr Professor,
ich/wir arbeite/n gerade an einem Referat [einer Hausarbeit/einer Bachelor-/Magisterarbeit/einer Dissertation] zum Thema Gehirn und x [setzen Sie für die Variable x jeden beliebigen Sachverhalt ein]. Können Sie mir/uns bitte die folgenden Fragen beantworten: (1) Wie funktioniert das Gehirn? (2) …
[Und wenn es sich beim Absender um Schüler handelt, findet sich nicht selten der folgende Schlusssatz.] Bitte beachten Sie noch, dass wir morgen abgeben müssen; es wäre also gut, wir hätten Ihre Antworten gleich …
Wenn ich überhaupt antworte (das hängt von meiner Tagesform, Zeit und der Nettigkeit des Schreibens ab), dann schicke ich Artikel, die von den Betreffenden selbst gelesen werden müssen. Und das sage ich ihnen auch. Denn wer im Netz einfach jemanden fragt, statt sich selbst mit einem Thema zu beschäftigen, der hat gar nicht begriffen, warum er diese Arbeit überhaupt macht: Die Schüler sollen ja lernen, selbst zu denken! So lässt sich vermeiden, was drei Schülern passiert ist: Sie sollten ein Referat über Georgien halten und lieferten eine sehr schöne PowerPoint-Präsentation ab – über Georgia!
Was mir sehr zu denken gibt, ist die Tatsache, dass sogar manche Lehrer und Professoren nicht begriffen zu haben scheinen, was Lernen eigentlich bedeutet. Denn Studenten schreiben mir nach meiner Verweigerung eines Interviews oder einer Fragenbeantwortung: »Ich bekomme eine schlechtere Note, wenn ich nicht Experten zum Thema befrage.« Den Lehrkräften würde ich dann gerne antworten (und zuweilen sende ich dem Schüler/Studenten einen entsprechenden Text): So wenig, wie man das Bergsteigen dadurch erlernt, wenn jemand einen auf den Gipfel trägt, wird ein junger Mensch zum Experten (für welches Sachgebiet auch immer), wenn er einen Experten fragt. Sich Wissen aus Quellen selbst anzueignen, es kritisch zu hinterfragen, abzuwägen, die Quellen selbst zu hinterfragen, die Details eines Puzzles zu einer sinnvollen Einheit zusammenzufügen – all das muss man selbst tun, um es irgendwann zu können. Dieses Können wird, wie jedes Expertentum, auch in der Kenntnis mancher Sachverhalte bestehen, aber es wird vor allem auf einer sicheren Kenntnis von Quellen und deren Zuverlässigkeit und vielem mehr beruhen. Kurzum: Ein Sachverhalt will durchdrungen sein.‹
Die Kommentare hier sind zum Teil echt unter aller Sau, weil unnötig paternalistisch. Mehrfach der Tenor: Abutiurienten sollten ja fähig sein, sich selbst weiterzubilden und sich die Infos zu beschaffen...Ja, genau, das ist doch der Punkt!!! Nicht umsonst schreibt doch die Urheberin des Textes selbst davon, dass das Bildungssystem so nicht zukunftsfühig ist, was sich am Thema Klimawandel eindrücklich zeigt. Zunehmend "lernt" man in der Schule eben nur noch was einem vorgesetzt wird. Ivan Illich nannte das "fabrizierte Reife".Und wenn es dann mal eine Person gibt, die das erkennt, nicht zuletzt durch ihr Engagement in einem bestimmten Gebiet, und es anprangert, was ist die Reaktion? Besserwisserische Wichtigzuerei und herablächelnde Überheblichkeit. Ich bin hart am Fremdschämen grade.
>>Ein Schulsystem, das zu Demokratie und Selbstermächtigung ermutigt, ist dringend notwendig.<<
So richtig diese Forderung inhaltlich auch ist: Wie kommen wir dahin?
Ich denke, gerade die Bewegungen wie FFF oder Mieterbewegung sind kleine Schritte auf dem Weg dahin. Denn sie entspringen der Selbstermächtigung, die nicht auf eine Regierung wartet die ganz andere Ziele vertritt. Es kann mehr werden.
>>Die FfF Argumentation lautet, dass, wenn kein (menschliches) Leben mehr existiert, alle anderen Fragen ohnehin unnötig/überflüssig sind,...<<
Ist das die neueste Erkenntnis der FfF-Forschung?
"Ich bin hart am Fremdschämen grade."
Wow, das ist doch mal ein Wort. Jetzt erzittert die gesamte FC und alles wendet sich auf magische Weise zum Guten. So wie das mit der Feststellung ist, dass die böse Schule nur einen (in Zahlen 1) Text zum Superthema geboten hat. Daraus lässt sich für eine 18-jährige mühelos schlussfolgern, dass das Bildungssystem nicht zukunftsfähig ist. Was aber wohl mehr Ihre Schlussfolgerung ist, da davon in dem Text nichts steht. Ist das nicht ein Grund zum Fremdschämen? Der Text dagegen enthält so viel Passivität, dass es mich echt graust. Haben die Schüler keinen eigenen Willen, der darüber hinausgeht zu lamentieren, was sie alles nicht vorgesetzt bekommen?
Welche konkreten Ergebnisse sind nach so langer Zeit FfF eigentlich erzielt worden. Damit will ich nicht auf so hochtrabende Sachen wie "Umbau der Gesellschaft" usw. hinaus. Aber die Kiddies sind doch alle gut vernetzt. Wo ist also mal eine belastbare Bilanz, welche Ergebnisse sie in ihrem unmittelbaren Umfeld Schule, Peergroups usw. erreicht haben? In der Schule wäre es ein Leichtes, Lehrer zu überzeugen, sich mit dem Lieblingsthema mehr zu beschäftigen. Stattdessen sehe ich an den Ergebnissen der Schulen ganz andere Tendenzen. Damit meine ich deren Produkte, mit denen ich es an der Uni zu tun habe. Nur wenige sind bereit und in der Lage, Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen. Sie sind ausgezeichnet darin zu sehen, wo sie mit dem geringsten Aufwand die formalen Forderungen erfüllen können. Das Kurssystem an den Gymnasien und das Auswählen von Fächern hat eine viel größere negative Auswirkung auf viele, die durch die positiven auf wenige nicht wettgemacht werden.