Sie sind die beiden prominentesten Vertreterinnen der Gender Studies in Deutschland und schalten sich auch jenseits akademischer Diskurse regelmäßig in gesellschaftliche Debatten ein: Genau dies haben die Soziologinnen Sabine Hark und Paula-Irene Villa nun mit Blick auf die Diskussionen um die Silvesternacht in Köln vor bald zwei Jahren getan und „Köln“ zum Anlass für ihr neues Buch genommen: Unterscheiden und herrschen: Ein Essay zu den ambivalenten Verflechtungen von Rassismus, Sexismus und Feminismus in der Gegenwart (transcript 2017, 176 Seiten, 19,99 €) ist vor kurzem erschienen.
der Freitag: Frau Villa, Frau Hark, zu welchen Verschiebungen hat „Köln“ Ihrer Meinung nach in der deutschen Gesellschaft geführt? Haben die Ereignisse in der Silvesternacht 2015/16 uns die Wahlerfolge der AfD beschert? Haben sie die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich Grüne und CSU bei den Sondierungsgesprächen in der Flüchtlingspolitik überhaupt einen Kompromiss vorstellen konnten?
Paula-Irene Villa: Ich halte nichts davon, ein soziales Ereignis ursächlich für andere soziale Ereignisse haftbar zu machen. Andererseits waren die Kölner Silvesternacht und die Art und Weise, in der diese verhandelt wurde, ein unzweifelhaft wichtiges Element in der politischen Thematisierung von Flucht und Migration – und sind es bis heute. Mit „Köln“ gab es ein spezifisches, konkretes und gleichermaßen skandalöses und skandalisierbares Ereignis, das Affekte und Haltungen von Unbehagen bis zum gewalttätigen Rassismus zusammenbinden und als legitime „Sorge“ normalisieren konnte.
Zur Person
Paula-Irene Villa, 49, ist eine deutsch-argentinische Soziologin. Sie unterrichtet Soziologie und Gender Studies an der LMU München. Sie beschäftigt sich insbesondere mit Subjektkonzepten und dem Körper als kultureller Inszenierung
Dass sexualisierte Gewalt öffentliche Aufmerksamkeit bekommt, ist an sich doch nicht schlecht?
PIV: Widerstand gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt wäre wunderbar. Es wäre nur logisch, wenn das Thema auch Teil der „Jamaika“-Sondierungen gewesen wäre. War es aber nicht, jedenfalls haben wir dazu nichts gehört. Was ja zeigt, wie wenig nachhaltig, ernst und intelligent mit den Themen sexualisierte Gewalt und Sexismus politisch beziehungsweise parlamentarisch umgegangen wird. Was wir dagegen mit „Köln“ gesehen haben, ist eine Instrumentalisierung von Feminismus in der Konstruktion eines Antagonismus Wir/Ihr – „unsere“ Werte und „unsere“ Rechte, die von „denen“ bedroht werden.
Heißt das, wir erleben einen „Femonationalismus“ – also die nationalistische Vereinnahmung feministischer Positionen?
Sabine Hark: Femonationalismus ist ein Begriff der italienischen Soziologin Sara Farris. Sie hat am Beispiel von Italien, Frankreich und den Niederlanden untersucht, wie rechtspopulistische Parteien feministische Inhalte und Prinzipien für Kampagnen gegen Migration und den Islam vereinnahmen. Feministische Vorstellungen seien dabei überwiegend von nationalistischen Parteien und neoliberalen Regierungen instrumentalisiert worden, ohne dass Feministinnen deren politische Programmatik aktiv unterstützt hätten. Diese Indienstnahme feministischer Argumente ist etwas, das zunehmend die politische Gegenwart westlicher Demokratien prägt. Jüngst präsentierte sich beispielsweise Marine Le Pen im französischen Wahlkampf als Kämpferin für Frauenrechte. Ihr gelingt es, sich als diejenige zu inszenieren, die für die Trennung von Religion und Staat eintritt – gegen einen aggressiven Islam, der genau diese Trennung, die laïcité, bekämpfe – und so die Gleichheit von Frauen und Männern verteidigt.
Ähnliche Positionen finden sich auch innerhalb des Feminismus. In Ihrem Buch sprechen Sie zum Beispiel in Bezug auf Alice Schwarzer von einem „toxischen Feminismus“. Wie kann man dem am besten entgegentreten?
SH: Die Therapie der Wahl bei Vergiftungen ist Entgiftung. Damit meinen wir, dass sich Feminismus sehr gezielt und genau mit seinen kolonialen und rassistischen Verstrickungen auseinandersetzen muss – was im Übrigen seit den 1980er Jahren auch geschieht. Eine feministische Antwort auf die Ethnisierung, Rassisierung beziehungsweise Orientalisierung von Sexismus und sexualisierter Gewalt kann weder, wie es bisweilen nach „Köln“ geschah, eine letztlich immer relativierende „Germanisierung“ sein, wie die Juristin Ulrike Lembke formuliert, noch eine unscharfe Internationalisierung des Problems. Das bedeutet, die sexualisierte Gewalt von Köln weder im Erklärungsmuster „islamische Sozialisation“ aufgehen zu lassen noch in dem pauschalen Verweis auf ein gewalttätiges islamisches beziehungsweise arabisches Patriarchat. Und sich ebenso wenig mit dem Hinweis zu begnügen, sexuelle Übergriffe gehörten auch zu „urdeutschen“ Veranstaltungen wie dem Münchner Oktoberfest oder dem rheinischen Karneval, wie mit der Behauptung, sexualisierte Gewalt träte in allen Gesellschaften und Kulturen auf. Gewalthandeln ist nur im Zusammenhang mit gewaltförmigen Verhältnissen zu verstehen, nicht als Ausdruck einer wie auch immer begründeten „Natur“ des (männlichen) Menschen oder „des Islam“. Erst durch die Berücksichtigung der konkreten sozialen und ökonomischen, politischen und kulturellen Verhältnisse wird ein Schuh draus.
Zur Person
Sabine Hark, 55, Professorin für Soziologie, gilt als Mitbegründerin der Queer Theorie in Deutschland. An der Technischen Universität Berlin leitet sie das Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung
Wie lassen sich sexistische Praktiken und patriarchale Werte in islamisch geprägten Kontexten thematisieren? Wie kann man über sexuelle Gewalttaten von arabischen Flüchtlingen sprechen, ohne rassistisch zu sein?
PIV: Das ist eine gute und wichtige Frage. Zunächst ganz einfach und trivial: indem man diese Taten nicht pauschal auf den „Araber“ engführt, aber zugleich nicht dogmatisch von Religion oder Region absieht. Soziale Positionierung ist intersektional, komplex: Schicht, Religion, Bildung, Alter, Geschlecht und mehr spielen eine Rolle, und dies wieder kontextspezifisch. Wie ist die konkrete Situation, wer sind die konkreten Täter, was ist die konkrete Tat? Personen sind geprägt, gemacht und positioniert. Ein arabischer Migrant, ein katholischer Lehrer aus Franken, eine protestantische Terroristin aus Niedersachsen – das sind relevante Zugehörigkeiten. Aber in welcher Weise diese Zugehörigkeiten eine Tat oder eine Haltung ausmachen, ist alles andere als evident.
Einerseits ist es Ihr Anliegen, keiner vorschnellen Evidenzlogik zu verfallen. So, als wüssten wir schon vorher, was passiert ist, weil die kulturellen Bilder dafür längst aktiv waren: der „arabische“ oder „schwarze“ Mann, der nicht anders kann, als die „deutsche Frau“ anzugreifen. Andererseits ist Ihnen das Benennen der Ereignisse wichtig, Sie positionieren sich gegen ein strategisches Schweigen gegenüber sexistischen Gewalttaten, wie es einige feministische Theoretikerinnen vorgeschlagen haben, um eine Allianz mit rassistischen Position zu vermeiden. Wie ist diesem Dilemma zu entkommen?
SH: Ich glaube gar nicht, dass wir diesem Dilemma entkommen können. Letztlich haben wir nur Paradoxien im Angebot, wie die Historikerin Joan Scott einmal formuliert hat. Wir müssen die Dilemmata also ausstellen, sie untersuchen und nicht versuchen, sie zu übergehen. Das heißt zunächst einmal anzuerkennen, dass es gesellschaftlich sowohl ein Rassismus- wie ein Sexismusproblem gibt. Es kann nicht darum gehen, Sexismus, Heterosexismus sowie Homo- und Transfeindlichkeit zu leugnen, um nicht in die Falle rassistischer Vorurteile zu tappen. Patriarchale, sexistische, misogyne, homo- und transfeindliche Werte und Praxen müssen sowohl in der deutschen Mehrheitsgesellschaft als auch in den migrantischen Minderheiten skandalisiert werden – eine Trennung im Übrigen, die empirisch nur begrenzt belastbar ist. Die Anprangerung von Sexismus darf allerdings keine Legitimation für fremdenfeindliche, gar rassistische Haltungen sein.
Auch in Ihrem Buch kommen die betroffenen Frauen der Silvesternacht nicht zu Wort, wie Sie im Buch selbstkritisch anmerken. Warum fanden Sie es wichtig, das Buch so zu schreiben, wie es ist?
PIV: Wir haben nach „Köln“ eine qualitative Veränderung des Diskursiven beobachtet. Formen der Rede und des Redens, die uns selbst zunächst sprachlos gemacht haben. Eine Fundamentalisierung und eine Dominanz des Agonalen – wir/die, unser/deren, Mann/Frau, gut/böse –, die wir für überwunden hielten. Zum Teil wurden unfassbar krude Sätze sagbar, über den „deutschen Mann“ als gewaltfrei und edel zum Beispiel. Zugleich gab es auch auf der „linken“ Seite sehr krude Positionen, eine Rückkehr biologistischer, vor allem aber kulturalistischer Deutungen. Das war der Anlass für uns, das Buch zu schreiben. Uns war klar, dass wir einige zentrale Probleme und Hinsichten von „Köln“ nicht aufgreifen und nicht angemessen thematisieren. So tragen wir in gewisser Weise dazu bei, das Problem – sexualisierte Gewalt gegen Frauen – erneut nicht durch die Opfer hindurch sichtbar zu machen. Wir hoffen aber, mit dem Buch auch einen Beitrag zu leisten, dass sich die Bedingungen der Sicht- und Hörbarkeit von sexualisierter Gewalt verbessern und dies nicht zu Lasten ganzer Menschengruppen gehen muss.
Info
Am 13. Dezember sind die Autorinnen zu Gast bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin; Informationen: gwi-boell.de
Kommentare 46
Aus meiner Sicht sind das viele Worte, um zu sagen: Wir wissen nahezu nichts, können es soziologisch auch nicht genau fassen, haben aber ein Buch darüber geschrieben.
Womöglich ist die ganze Thematik bei Kriminologen besser aufgehoben.
..."Mit „Köln“ gab es ein spezifisches, konkretes und gleichermaßen skandalöses und skandalisierbares Ereignis, das Affekte und Haltungen von Unbehagen bis zum gewalttätigen Rassismus zusammenbinden und als legitime „Sorge“ normalisieren konnte."...
Um im "Jargon" zu bleiben: ein globalisiert zusehends aufgefächert erscheinendes Patriarchat erfordert ggf differenziertes wie differenzierendes Hinsehen, um verändernden Bedingungen argumentativ begegnen zu können.
»verhandeln … zusammenbinden … normalisieren … Konstruktion … intersektional … kontextspezifisch … positioniert … relevante Zugehörigkeiten … das Diskursive … Dominanz des Agonalen« und so weiter.
Schön, wenn man sich die Wirklichkeit mit einer exklusiven Spezialsprache zusammenleimen kann. Der Anforderung, konkrete Aussagen tätigen zu müssen, ist man in diesem Teil der Sozialwissenschaften anscheinend enthoben – besonders schön zu sehen an PIVs Antwort auf die eigentlich recht einfache Frage: »Wie kann man über sexuelle Gewalttaten von arabischen Flüchtlingen sprechen, ohne rassistisch zu sein?« (In dem Absatz wirft die Dame besonders freigiebig mit Fremdwörtern um sich.)
Andererseits muß ich konstatieren: Hat seine Logik. Die Poststrukturalisten haben sich eh von der Wirklichkeit verabschiedet – gemäß der Parole, dass nicht die Geschehnisse als solche zählen, sondern vielmehr die Sprache darüber, der »Diskurs«. Folglich hat man sich auch nur noch mit Sprache zu beschäftigen – ganz praktisch, wenn man selbst dazu eine Meta-Sprache entwickelt hat, mittels der man – zumindest einigermaßen, halbwegs – Deutungshohheit beanspruchen kann (oder mindestens ein paar Professuren + Mittel- und Unterbau im wissenschaftlichen Betrieb).
Die Vorteile dieser Art Glaubenslehre sind im Interview schön zu besichtigen: Man muß selbst nie Position beziehen. Das oben zu lesende Ergebnis lässt sich jedenfalls recht einfach auf den Punkt bringen: Mehr »sowohl als auch« hört man allenfalls von Priestern.
Genau, das sehe ich auch so. Interessantes Kabarett dazu: https://www.youtube.com/watch?v=XLpNYspwaX0&t=346s
ja und die Opfer werden ein zweites Mal mißbraucht. Ihn fand ich gut dazu:https://www.youtube.com/watch?v=XLpNYspwaX0&t=346s
Ein wenig mehr Sachlichkeit und weniger Hysterie würde ich mir wünschen. Das können wir Deutschen aber wohl nicht. Erst mussten die Flüchtlinge für viele als Projektionsfläche für die eigene moralische Edelmütigkeit herhalten und wurden mit Teddybären empfangen. Und nach den Silvesterübergriffen einiger krimineller Ausländer waren die Flüchtlinge plötzlich allesamt Vergewaltiger und Diebe. Ich habe von Anfang an über beide Gefühlwallungen nur mit dem Kopf geschüttelt. Wenigstens sind die beiden Damen immer noch im Willkommensmodus. Der ist zwar doof aber wenigstens nicht menschenverachtend wie der Rassistenmodus. Bedauerlich finde ich bei den beiden Soziologinnen den Drang, Untaten anderer (hier nordafrikanischer Krimineller) damit zu relativieren, dass es ja auch deutsche Vergewaltger gibt. Das stimmt zwar, ist aber in diesem speziellen Zusammenhang nicht das Thema.
Ich muss mich korrigieren: Der Vorwurf der Relativierung betrifft die beiden nicht.
kommentare können zeigen,
daß der kommentator dem thema nicht gewachsen ist,
und/oder ihm die mühe zu verstehen, zu lästig ist.
dabei ist die femo-nationalisierung(weiß jemand ein besseres wort?)
durch rechte populisten, also die instrumentalisierung/nutzbar-machung
von frauen-/schwulen-rechts-positionen,
das umleiten von befreiungs-bemühungen auf die
erregungs-mühlen der von ressentiments lebenden,
eine in der öffentlichkeit noch zuwenig begriffene tat-sache.
gerade grob-schlächtiges bauch-denken
im umgang mit empörenden, öffentlichen ereignissen
(oft auch das verschweigen ,unterdrücken in medien ,
mit welcher absicht auch immer),
hat das potenzial zur generalisierung der menschen-verachtung,
wo kenntnisse über verteilung/festigkeit von prägungen/einstellungen
der fremden
(je nach alter, religiöser bindung,autoritäts-/traditions-gebundenheit etc.)
mangel-ware im deutschen, öffentlichen bewußtsein sind.
ja,
und man kann auch auf differenzierten umgang mit fremden dringen,
ohne willkommens-euphoriker zu sein.
das ist meine position.
„Krudes wurde sagbar“ -- der Titel bezieht sich sicher auf die Aussagen dieser beiden "Wissenschaftlerinnen"?
Wie meine Vorkommentatoren trefflich bemerkten, Erkenntnisgewinn = null; ein einziges verbales Herumgeeiere -- stark erinnernd an folgendes "Gruselett":
"Der Flügelflagel gaustert durchs Wiruwaruwolz die rote Fingur plaustert und grausig gutzt der Golz."
Christian Morgenstern
Man kann schon erwarten, dass sich Gäste unseres Landes benehmen und sich schleunigst vom Acker machen, wenn sie es nicht tun. Dafür braucht man nicht das sugar-coating mit diesen komplizierten Worten, sondern muss einfach die Arbeiterschaft entscheiden lassen, nicht das Kapital.
Denn eine Gleichheit zwischen Gästen und Gastgebern gibt es natürlich nicht, egal wie man es dreht und wendet. Alles andere ist Lügen in die eigene Tasche.
..und weiter geht das (zum teil heitere) abwehren von ein-sichten.
jeder darf sich auf auf selbst-gewähltem niveau blamieren....
"Ich glaube gar nicht, dass wir diesem Dilemma entkommen können … Das heißt zunächst einmal anzuerkennen, dass es gesellschaftlich sowohl ein Rassismus- wie ein Sexismusproblem gibt ... Patriarchale, sexistische, misogyne, homo- und transfeindliche Werte und Praxen müssen sowohl in der deutschen Mehrheitsgesellschaft als auch in den migrantischen Minderheiten skandalisiert werden – eine Trennung im Übrigen, die empirisch nur begrenzt belastbar ist."
--> "Uns war klar, dass wir einige zentrale Probleme und Hinsichten von „Köln“ nicht aufgreifen und nicht angemessen thematisieren. So tragen wir in gewisser Weise dazu bei, das Problem – sexualisierte Gewalt gegen Frauen – erneut nicht durch die Opfer hindurch sichtbar zu machen."
Diese beiden Aussagen, fast unmittelbar nacheinander getroffen, sind die stärkste Anti-Werbung, die man sich für dieses Buch vorstellen kann. Der Anspruch scheitert am eigenen Unvermögen. Was machen eigentlich Hochschullehrer mit Studenten, die solche Arbeiten abliefern?
Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll zum Rassismus und Sexismus schweigen!
Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll zum Rassismus und Sexismus schweigen!
"Schön, wenn man sich die Wirklichkeit mit einer exklusiven Spezialsprache zusammenleimen kann."
Mit Ausname des "Zusammenleimens"; Willkommen in der Wissenschaft! Ein jedes Fach hat seine spezifische Sprache. Und klaro, Definition bedeutet auch Exklusion. Das hast du richtig erfasst.
Schreibt ein Naturwissenschaftler seine Formeln an die Tafel, meint auch keiner "Böhh, versteh ich nicht! Drück dich doch mal klar aus!", aber wenn ein Sozialwissenschaftler seine Fachsprache verwendet, dann nölen die Leute immer rum. Die Begriffe des Alltags reichen halt nicht immer aus.
Welche Glaubenslehre. Ich habe gute und schlüssige Aussagen gefunden. Und ich finde es ebenso sehr gut, wenn die Vielschichtigkeit mancher Probleme thematisiert wird. Ihr Beitrag sagt mir nichts anderes als : "Ich weiß auch was, ich weiß mehr als die Damen".
Zitat aus dem Beitrag: "Mit „Köln“ gab es ein spezifisches, konkretes und gleichermaßen skandalöses und skandalisierbares Ereignis, das Affekte und Haltungen von Unbehagen bis zum gewalttätigen Rassismus zusammenbinden und als legitime „Sorge“ normalisieren konnte." Zitatende
Was ist für Sie daran unverständlich? Wieso plädieren Sie für einfache Wahrheiten in diesem Zusammenhang? Weil Frauen die Problematik dieses Ereignisses in all ihren verscheidenen Aspekten betrachten?
Danke, so ähnlich habe ich den Einwand auch empfunden. Herr Zietz orientiert sich hin und wieder mehr an einer gefühlen Mehrheitsmeinung, die sich hier bei solchen Beirägen immer zusammenballt und bedient die dann auch.
Wissenschaftler sollen und müssen eine Fachsprache haben, damit sie sich untereinander effektiv verständigen können. Das Interview ist jedoch für eine Wochenzeitung entstanden, die sich nicht ausschließlich an Soziologen wendet. Dann haben Wissenschaftler auch die verdammte Pflicht, sich verständlich auszudrücken. Die Gesellschaft lässt sich Wissenschaft eine Menge Geld kosten. Und es ist ein Privileg, als Wissenschaftler arbeiten zu dürfen.
Es gibt Persönlichkeiten, die ihr Fachgebiet hervorragend einem breiten Publikum darbieten konnten. Carl Sagan und Richard Feynman fallen mir sofort ein. Aber auch ein Werner Gilde aus der DDR konnte mit Nichtfachleuten sehr gut kommunizieren. Seine Bücher sollten heute nicht nur antiquarisch erhältlich sein.
Sicher, Akademiker entkommen selten ihrer akademischen Sprache. Wohltuende Ausnahmen gibt es aber wohl. Im vorliegenden Artikel finde ich es, bis auf ein paar Stellen (ja, "agonal" und so etwas sollte man sich klemmen), nicht so dramatisch und dafür tatsächlich auch griffige und klare Antworten. Ich sehe nicht, dass die Damen nur um einer "Spezialsprache" willen redeten.
»Schreibt ein Naturwissenschaftler seine Formeln an die Tafel, meint auch keiner ›Böhh, versteh ich nicht! Drück dich doch mal klar aus!‹«
Nur schreiben die beiden hier nicht »an die Tafel«. – Gemerkt, wo der Fehler liegt?
»Wieso plädieren Sie für einfache Wahrheiten in diesem Zusammenhang?«
Ich plädiere nicht für »einfache Wahrheiten«. Vielmehr bin ich der Meinung, dass diese spezielle Form von Wissenschaft per se ungeeignet ist, über irgendetwas valide Aussagen zu treffen. Das würde Frau Villa und Frau Hark nicht zwangsläufig mitbetreffen – würden sie sich hier als politisch denkende Personen äußern. Dies tun sie jedoch explizit nicht. Stattdessen schieben sie Erkenntnisse einer angeblich objektiven Wissenschaft vor. Da ebenjene Wissenschaft Glaubenssache ist, nehme ich mir das Recht heraus, das ganze für hochgeschäumten Quatsch zu halten.
Zu Ihrer vermuteten Orientierung meiner Person an einer gefühlten Mehrheitsmeinung: Keine Sorge – nichts könnte falscher sein ;-).
»Sicher, Akademiker entkommen selten ihrer akademischen Sprache. «
Stimmt – gottlob – nur noch sehr eingeschränkt. Wer heute publizieren will, tut gut daran, den akademischen Abschreckungsslang eben nicht zu pflegen. Ich habe die Veränderung recht gut bei den Historikern mitbekommen. Bei einigen herrscht noch immer diese typisch deutsche Form der Gelehrsamkeits-Zurschaustellung. Aber die kommen über die kleinen Fachverlage, die Nischen nicht hinaus. Ansonsten sind mittlerweile die meisten auf den angelsächsischen Mainstream umgeswitcht und pflegen eine verständliche, aufs Thema neugierig machende Sprache – Stockkonservative wie der Münkler übrigens ebenso wie weiter nach links orientierte. Nur bestimmte Zweige in den Sozialwissenschaften denken, diese spezielle Attitüde aus spätfeudalistischen Zeiten noch aufrechterhalten zu müssen – witzigerweise solche, die ihre spezielle Lehre gern als »links« oder »fortschrittlich« deklarieren.
Für mich hat das durchaus Logik. Wenn die Lehre derart vage ist und abhängig vom Glauben der Gläubigen (und noch hinzukommt, dass man nichts wirklich Verbesserndes zu den Verhältnissen beizutragen hat), liegt die Flucht in den Beeindruckungsjargon nahe. Was soll man sagen? Jede(r) schaut hat, wo er oder sie bleibt.
Ich denke der Text ist holprig, verschwurbelt und nichtssagend. Banalitäten umständlich formuliert. Weit weg von der häufig einfachen Realität. Daher wird sich auch nicht gerade ein großer Teil der Bevölkerung dafür interessieren.
Um mal ein Beispiel aus dem Interview zu nehmen:
Die Antwort auf die Frage "Wie lassen sich sexistische Praktiken und patriarchale Werte in islamisch geprägten Kontexten thematisieren? [...]" wäre auch ohne den gemeinen Leser belastende Vokabeln wie "intersektional" ausgekommen, zumal PIV ja ohnehin erklärt, was gemeint ist. Und mit diesen Erläuterungen, lesen wir eine klare Antwort: Wenn jemand eine sexuelle, oder wie auch immer motivierte, Gewalttat begeht, so sei verkehrt, daraus pauschalisierend auf alle Menschen zu schließen, die der gleichen Religion oder Herkunft zuzuschlagen seien.
Terminologie/Fachvokabular hat ihren/seinen Sinn im engeren Kreis jeweiliger Fachcommunities. Sobald Wissenschaftler aber hinaus in die "weite Welt" referieren, sollten sie sich so allgemein verständlich wie möglich ausdrücken. Das ist oft nicht einfach - aber man sollte wenigstens ein Gespür dafür haben, wie man mit wem reden kann. H. Münkler ist ein sehr gutes Beispiel. Der Mann kann verdammt gut reden (ich kenne ihn vor allem als Redner) und sich 'allgemeinpopulär' ausdrücken ohne dass er inhaltlich an Substanz verliert. Ich erinnere mich hier auch an einen Professor aus meiner Studienzeit, der in seinen populärwissenschaftlichen Büchern eine merkwürdige Mischung aus unterhaltsamem Populärstil und dieser, wie Sie sagen, "typisch deutschen Form der Gelehrsamkeits"-sprache pflegte. Das kollidierte schon hier und da. Aber seine Vorlesungen und Seminare waren schon top.
Ich würde sagen, es gibt eine Fachsprache und Fachbegriffe. Siehe Behördensprache, Juristensprache. Man kann vieles bestens ausdrücken und Sätze verständlich halten ohne Substanz zu verlieren. Bei Fachbegriffen wird es schon schwieriger.
Meist wird Fachsprache nur zur Abgrenzung benutzt und um Banales besonders wertvoll erscheinen zu lassen.
Auch ein Herr Sloterdijk hat sich vor laufender Kamera bei einem ellenlagen Satz mit tausend Nebensätzen schon so verstiegen, daß er aus dem Satz nicht mehr herausfand und abbrechen mußte. Die Aussage war eigentlich gar nicht so schwierig zu formulieren aber wenn mans kompliziert machen will ist manch einer überfordert. Der Zuhörer erst recht und macht die Ohren zu.
Krudes ist sogar sagbar. Wie dieses Interview zeigt.
»Wenn jemand eine sexuelle, oder wie auch immer motivierte, Gewalttat begeht, so sei verkehrt, daraus pauschalisierend auf alle Menschen zu schließen, die der gleichen Religion oder Herkunft zuzuschlagen seien.«
Whow! Und für die Binse, dass man nicht verallgemeinern sollte (natürlich mit möglichst viel Fremdwörtern umschrieben – sonst versteht der Pöbel noch, dass alles nur heiße Luft ist), darf man sich einen »Prof.« vor den Namen kleben, dass Ganze als »Wissenschaft« deklarieren und mehrere Tausend Zaster pro Monat nach Hause schleppen? Ich hab auch einen. Meiner Erkenntnis nach ist
2 + 2 = 4.
Hierfür hätte ich auch gern eine Professorenstelle.
Vom »Verarschen kann ick mir alleene« zum Münkler. Der kann zwar schreiben, auch verständlich, aber für seine reaktionäre Herrschaftsinteressen-Schwarte zum Dreißigjährigen Krieg würde ich mir am liebsten das Geld zurückgeben lassen. Denke, der zeitweilig hier inserierte Wilson wäre die bessere Wahl gewesen. Vielleicht sollte ich wirklich, wie angedacht, einen Verriss schreiben. Andererseits: der verplemperten Kohle auch noch (unbezahlte) Zeit hinterherschmeißen …?
ja , das ist tragisch:
lesen( ob drei minuten oder einen schinken)
und dann feststellen: da wächst mir keine erkenntnis zu,
hab ich und jeder klipp-schüler schon gewußt!
mein tip(p): zeit sparen, bücher sich bei amazon türmen lassen:
lese-versuche einstellen.
u.u. kommt da 'ne menge unverplemperter kohle zusammen,
sodaß professorinnen neidisch werden könnten!
ach ja, der prof. gilde: wenn der zu uns auf seiner hochseeyacht
beredt von seinen forschungen berichtete,
schweißte er uns zu einem verständigen hörer-kollektiv zusammen.
das fehlen von wikipedia erschien uns nicht als mangel...
..und aus dem fehlen leitungs-fähiger drähte
in den pyramiden konnte bewiesen werden:
schon die pharaos verfügten über drahtlose telegrafie!
(nachzulesen in: cargo-cult-science-papers, kokopo/herbertshöhe, 1914)
Ich denke die soziologische Sichtweise ist als Anregung interessant. Allerdings neigt sie zu einer Selbstdarstellung in ihrem Sprachgewirre, die so tut, als wäre es uns möglich ohne Vorurteile, Vereinfachungen und Verallgemeinerungen über die Welt und die Menschen zu reden. Dies immer mit dem Gestus der Besserwisserin.
Sprache ist Machtausbübung. Politisch motivierte Aussagen machen Politik (Alice Schwarzer)- sie als toxisch zu bezeichnen soll die Position des Anderen diskreditieren.
Manchmal wünsche ich mir zu erleben, wie wohl eine/ein Soziologe/Soziologin verantwortliche Entscheidungen gegenüber Menschen im Alltag zu vertreten hätte, gerade stehen müsste, es aushalten müsste, dass die Theorie der reinen Lehre in der Praxis schwer umzusetzen ist.
Der Faktor Mensch, wie kann frau ihn nur vergessen....
Eines meiner Lieblingszitate stammt aus Gildes Autobiographie "Leben ohne Rückfahrkarte".
"Wer bei ihm (Prof. Pohl) Augen und Ohren aufsperrte, lernte nicht nur Physik, sondern begriff auch die Verpflichtung eines Lehrers, die Wahrheit nicht nur zu lehren, sondern sie einprägsam zu lehren.
… Es gab viele (Professoren), die nur das für Wissenschaft hielten, was schwer zu verstehen war…
… Bei Büchern fand ich die Regel bestätigt: Je besser einer sein Fach versteht, desto einfacher stellt er es dar. Vielleicht entspricht dieser Satz auch einer Täuschung, denn seine Umkehrung gilt auch: Je einfacher jemand einen Zusammenhang darstellt, desto besser scheint er sein Fach zu verstehen."
Vielleicht hängt es ja an Ihnen. Wenn Sie was nicht verstehen, ist das eher Ihr Problem. Lesen Sie's halt nochmal.
Ich bin auch keine Soziologin und verstehe den Text durchaus. Sie haben hier - unterstützt von Zietz - eine absolute Scheindebatte implantiert. Nicht zum ersten Mal. Und - meist, wenn Frauen sich äußern.
"Whow! Und für die Binse, dass man nicht verallgemeinern sollte [...] darf man sich einen »Prof.« vor den Namen kleben"
Es geht ja nicht um die moralische oder ethische Feststellung, dies oder das sei nicht in Ordnung. Es werde Ihnen ja nichts Neues erzählen: In den Sozialwissenschaften und/oder der Soziologie geht es um Strukturen sozialen Handelns, um die Determinanten, Bedingungen, Zusammenhänge ... So wird oben auch keine Binsenweisheit formuliert, sondern angedeutet, dass der reflexhafte Schluss auf z. B. den Araber oder den Islam angesichts der Kölner Silvesternacht ein affektiver Kurzschluss sei und die Gründe für das Handeln der Männer auf der Domplatte in der Kombination mehrerer Faktoren zu suchen seien, die das Leben dieser Männer bestimmen.
Um mal einen Vergleich zu wagen: Wir alle sehen die Sonne auf- und untergehen. Die Aufgabe des Physikers ist nun aber nicht, uns die "Binse" mitzuteilen, dass die Sonne auf- und untergeht, sondern warum das so ist bzw., warum es uns so erscheint, dass sie auf- und untergeht. Er kann dabei z. B. irrige Behauptungen, dass die Sonne auf- und unterginge, richtig stellen und uns sagen, dass das mit der Kugelform und der Rotation der Erde zu tun hat. Es geht um die Zusammenhänge hinter Phänomenen. Und so ist es auch nicht Aufgabe des Sozialwissenschaftlers, zu sagen, dies oder das sei falsch oder böse, sondern dies und das stimmt so nicht, weil ...
"Meist wird Fachsprache nur zur Abgrenzung benutzt und um Banales besonders wertvoll erscheinen zu lassen."
Mag sicher sein. Viele gewöhnen sich das aber auch einfach sehr schnell, bereits mit dem Studienbeginn, wo der Fachsprech dann noch besonders ungeschickt und aufgesetzt wirkt, an, weil sie einfach meinen, man müsse sich diesen Stallgeruch zulegen.
Vielen Dank für Ihren küchenpsychologischen Blick.
Es ist in der Tat für möglich, die Aussagen im Interview zu verstehen, auch für mich. Aber ich weiß aus meinem realen Umfeld, dass dieses Interview von den meisten Menschen, auch wenn sie gutwillig sind, nach wenigen Sätzen beiseite gelegt wird. Das dürfte aber nicht die Intention sein oder irre ich hier? Zur Selbstbestätigung in der eigenen Blase ist es allemal geeignet.
Es gibt Typen, die kommen nicht gut drauf klar, wenn sie den Eindruck entwickeln, eine Frau weiß mehr als sie. Die werden dann ganz schön giftig.
Naja, und Sozialwissenschaft ist keine Frage des Glaubens. Glauben kann man in der Kirche. Aber sie ist eine unangenehme Wissenschaft. Da werden Erkenntnisse zu Tage gebracht, die einem nah gehen können. Und was einem unangenehm und nah geht, das drückt man gerne leicht weg, rationalisieren hilft da auch, anstatt sich damit auseinanderzusetzen.
»(…) Um mal einen Vergleich zu wagen: Wir alle sehen die Sonne auf- und untergehen. Die Aufgabe des Physikers ist nun aber nicht, uns die "Binse" mitzuteilen, dass die Sonne auf- und untergeht, sondern warum das so ist bzw., warum es uns so erscheint, dass sie auf- und untergeht. (…)«
Hmja … die aufgestellte Argumentation ist sicherlich ein nicht wegdiskutierbares Pro für die Sozialwissenschaften. Nichtsdestotrotz suche ich immer noch verzweifelt nach den Erkenntnis-Perlen, die sich hinter dem Fremdwörter-Verhau im Interview eventuell verbergen.
»(…) Da werden Erkenntnisse zu Tage gebracht, die einem nah gehen können.«
Um ehrlich zu sein: Die Zeit, wo sozialwissenschaftliche Texte noch nahegingen (also 1968 ff.), ist lang vorbei. Ob beinhartes Know-How für Marketing-Umfragen oder poststrukturalistische Wolke Sieben: Was heute unter »Sozialwissenschaften« firmiert, ist größtenteils systemaffirmatives Zeug. Ja – gern lasse ich mich vom Gegenteil überzeugen (bin auch nicht allwissend). Und Ja – das poststrukturalistische Zeug in der Butler-Schule fällt für mich ebenfalls in die Rubrik »systemaffirmativ« (auch da lasse ich mich gern vom Gegenteil überzeugen – überzeugend gelungen ist das bislang allerdings noch niemandem).
"Wie lassen sich sexistische Praktiken und patriarchale Werte in islamisch geprägten Kontexten thematisieren? Wie kann man über sexuelle Gewalttaten von arabischen Flüchtlingen sprechen, ohne rassistisch zu sein?Das ist eine gute und wichtige Frage. Zunächst ganz einfach und trivial: indem man diese Taten nicht pauschal auf den „Araber“ engführt, aber zugleich nicht dogmatisch von Religion oder Region absieht."
Ich kenne im Westen keine einzige Region oder Religion, die Ehrenmorde oder Steinigungen gutheisst. Auch Genitalverstümmelungen sind im Westen nicht üblich. In welchem muslimisch geprägten Land möchten die Autorinnen gerne offfen eine lesbische Ehe führen?
Man bekommt den Eindruck, der Artikel möchte berechtigte Kritik gegen
patriacharlische, frauenverachtende Gesellschaften mit Rassismus gleichsetzen.
Frauen, die die Frauenverachtung der islamischen Gesellschaften anprechen,
ja gar kritisieren,
werden in die rassistische Ecke gedrängt!
Aber nicht die Kritik ist rassistisch, sondern die Frauenfeindlichkeit!
Man kann es auch so sagen: die Weltfremdheit mancher Feministinnen kennt keine Grenzen!
Welch glückliches Land, dass sich solche Professuren und solche Diskussionen leisten kann. Sollte Frau Merkel doch Recht haben?
Wäre mir neu. Womit sollte Frau BK M. Recht haben?
ich möchte im zusammenhang
mit verständlicher soziologie
(als selbstverteidigungs-anleitung der gesellschaft)
hinweisen auf den herausragenden -->lars clausen(wikip.)
mit seinem büchlein: produktive arbeit, destruktive arbeit.
das maß-stäbe setzt!