Lauschangriff 5/08

Kolumne "Do you like rock music?", ist eine einfache Frage, also sollte sie uns nicht verwirren. Es gibt kaum noch Menschen in unserer Gesellschaft, die gar ...

"Do you like rock music?", ist eine einfache Frage, also sollte sie uns nicht verwirren. Es gibt kaum noch Menschen in unserer Gesellschaft, die gar keine Rockmusik mögen. Wir leben in einer Zeit, in der Präsidenten und Premierminister Wert darauf legen, mit U2 und Oasis Bekanntschaft zu machen. Aber es gibt auch noch Rockmusik, die eigenwillig und stur ist: Mainstream-Rock-Fans werden sich nicht zwangsläufig mit British Sea Power anfreunden.

Das neue, dritte Album der Band heißt nämlich: Do you like rock music?, und die Antwort in manchen Fällen wäre sicherlich: "Ja, aber British Sea Power ist mir zu schräg." Obwohl ihre Songs oft epische, sausende Gitarrenparts beinhalten, neigen sie oft zu eckigen und kantigen Arrangements. Benannt hat sich die Band nach der "mächtigen" seefahrerischen Vergangenheit Großbritanniens. Das Debütalbum 2003 hieß allerdings gleich The Decline of British Sea Power (Der Niedergang der britischen Seemacht). Die Band war früher dafür bekannt, dass sie in Uniformen aus dem 1. Weltkrieg aufgetrat und für die ausgestopften Eulen und das Laub, mit denen sie die Bühne dekorierten. In Interviews reden sie gern über Vogelkunde oder über den britischen Feldmarschall des 2. Weltkriegs Sir Bernard Law Montgomery. Sie waren zum 100. Geburtstag des britischen Hofdichters Sir John Betjeman eingeladen (der 1984 verstarb) und haben auf der Feier gespielt, um den Poeten zu würdigen.

Das klingt alles, als ob die Band ihre "Britishness" durchaus betonen wollte. Aber im Gegensatz zu Morrissey, der kürzlich schon wieder wegen latent rassistischer Bemerkungen in die Kritik geriet, verbindet sich bei British Sea Power damit kein fremdenfeindlicher Standpunkt. Auf der Singleauskopplung Waving Flags begrüßen sie die Osteuropäer, die in letzter Zeit nach England gezogen sind. "You are astronomical fans of alcohol, so welcome in", singt der Sänger Yan. Noch eine deutliche Note gegen Fremdenfeindlichkeit findet man im Lied No Lucifer, in dem die Meinung vertreten wird, dass böse gesellschaftliche Tendenzen aufzuhalten seien: "You can always say no to the anti-aircraft crew, the boys from Hitler youth."

British Sea Power stammt aus der Stadt Kendal in der Grafschaft Cumbria in Nordengland, sie lernten sich schon in der Schule kennen. Die Gegend ist ein Touristengebiet für Wanderer. Ihre Musik klingt bis heute nicht städtisch. Sie leben allerdings inzwischen in Brighton an der Südküste, wo sie auch erstmals Fans um sich scharten. Die Songs sind oft in einem weiten Sinne naturverbunden. Das neue Album entstand zum Teil in Kanada, in den Wäldern der Tschechischen Republik und in Cornwall-England, wo ein Studio direkt an den Klippen angemietet wurde; das Gebäude ist eine alte Festung aus dem 19. Jahrhundert.

Der Weg zum Erfolg war durch Hilfe von Prominenz gesichert. David Bowie bekannte sich dazu, ein großer Fan von British Sea Power zu sein. Die Band war mit dem großen Mann als Vorprogramm unterwegs und erreichte damit naturgemäß ein viel größeres Publikum als für kleine Indie-Bands üblich. Sänger Yan klingt wie eine leicht neurotische Version von Bowie. Oder wie Bowie auf seinen frühen Platten, Hunky Dory etwa. Oberflächlich betrachtet sind die Songs in der Struktur recht gewöhnlich. Erst durch die intelligenten, exzentrischen Texte und die inbrünstigen Arrangements wirken British Sea Power liebenswürdig und zugleich leicht übergeschnappt. Das Lied Canvey Island zum Beispiel thematisiert die Vogelgrippe, handelt aber in erster Linie von der Überflutung der kleinen Insel an der Themse. Der keine, unbekannte Fußballverein Canvey Island FC kommt auch vor.

British Sea Power haben sicher nicht den Coolness-Faktor von Bands wie Editors, Interpol, Arcade Fire, mit denen sie in der Vergangenheit verglichen wurden - dafür sind sie zu skurril. Aber wem das egal ist, der kann die Songs mitreißend finden.

British Sea Power auf Tour: am 18.02 München (Ampere), 19.02. Frankfurt (Cookys), 20.02. Berlin (Lido), 21.02 Hamburg (Molotow), 22.02 Köln (Gebäude 9).

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