Nach dem Willen von Verteidigungsminister Peter Struck soll die Kyritz-Ruppiner Heide in der Nähe von Wittstock bald wieder für Tiefflug-Manöver genutzt werden. Auf das 142 Quadratkilometer große "Bombodrom" im Norden des Landes Brandenburg könne die Luftwaffe nicht verzichten, meint die Bundesregierung und plant jährlich 1.700 Einsätze. Der Protest gegen das Mammutprojekt wird unter anderem von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns unterstützt, die ihrerseits eine Klage vorbereitet.
Freitag: Sie unterstützen gerichtliche Schritte gegen eine militärische Nutzung des sogenannten Bombodroms. Heißt das in der Konsequenz, dass der SPD-Ministerpräsident Ringstorff gegen den SPD-Verteidigungsminister Struck klagt?
Wolfgang Methling: Das hieße es. Die SPD-PDS-Regierung in Schwerin hat sich vor ein paar Wochen, also nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Verteidigungsministers, darauf verständigt, dass eine Arbeitsgruppe die Grundlagen und Chancen einer solchen Klage prüfen soll. In dieser Woche hat das Kabinett das Innenministerium beauftragt, die Klage vorzubereiten und zu formulieren. Mitte August werden wir uns erneut damit beschäftigen. Die Sache ist für uns eigentlich ziemlich klar. Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern lehnt die erneute Nutzung dieses Geländes als Bombenabwurfplatz ab. Deshalb geht es nicht um die Frage, ob das Land rechtliche Mittel nutzen will, sondern wie. Unsere politischen Bemühungen sind nicht erfolgreich gewesen, und so werden wir rechtliche Mittel nutzen, die uns zur Verfügung stehen.
Warum sind überhaupt die jetzigen Klagen nötig? Es gab doch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Dezember 2000, die eine militärische Nutzung des Areals untersagt.
Das Gericht hatte nur formal geurteilt. Es ist also nicht in der Sache entschieden, sondern gerügt worden, dass Kommunen nicht beteiligt wurden. In der Folge gab es gewisse Annäherungen zwischen dem Land Brandenburg, seinen betroffenen Gemeinden und dem Bund. Die Interessen der angrenzenden Regionen in Mecklenburg-Vorpommern wurden allerdings nicht berücksichtigt. Und so richtet sich der Bescheid des Bundesverteidigungsministers auch nicht an die Gemeinden, an die Kreise und an die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern. Das Bundesverteidigungsministerium ist der Auffassung, unser Land sei nicht betroffen. Wir sehen das anders. Lärmbelästigungen werden den Müritz-Nationalpark und den Tourismus erheblich beeinträchtigen. Das haben wir mehrfach auch gegenüber dem Bundesverteidigungsministerium zum Ausdruck gebracht.
Entgegen dem 1990 abgeschlossenen 2+4-Vertrag, der die Stationierung und Verlegung ausländischer Streitkräfte auf das Gebiet der ehemaligen DDR untersagt, ist nun auch die Rede davon, dass andere NATO-Staaten mit trainieren können.
Mich persönlich hat das nicht überrascht. Auch das Bundesverteidigungsministerium hat schon durchblicken lassen, dass solche Nutzungen im Bereich des Möglichen liegen. Dieser Bombenabwurfplatz soll schließlich auch aus wirtschaftlichen Erwägungen hier installiert werden. Bundesluftwaffe und Verbände aus anderen NATO-Staaten brauchen dann keine weiten Flüge nach Kanada, um dort zu üben. Den Verstoß gegen die ursprünglichen Absichten des 2+4-Vertrages sehe ich auch. Inwieweit das eine rechtliche Grundlage sein kann, um gegen eine militärische Nutzung des Bombenabwurfplatzes vorzugehen, ist noch zu prüfen.
Sehen Sie die Entscheidung von Struck auch als Konsequenz, die sich aus einer neuen Funktion der Bundeswehr ergibt?
Der Minister spricht selbst von strategischen Umorientierungen. Es gibt offenkundig einen Paradigmenwechsel - dahingehend, dass die deutsche Luftwaffe stärker bei Auslandseinsätzen aktiv sein wird, im Rahmen der sogenannten "Terrorismusprophylaxe". In diesem Kontext ist der Übungsplatz zu sehen. Ich bestreite nachdrücklich, dass es sich dabei um eine richtige Strategie handelt. Die Ereignisse der letzten Zeit haben mich darin nur bestärkt.
Nun hat das Ministerium in Berlin beteuert, es werde maximal 1.700 Einsätze pro Jahr geben, und Überflüge von Ortschaften am Rande des Geländes sollten vermieden werden. Ergibt sich daraus für Sie möglicherweise eine Verständigung?
Das war sicherlich eine Darstellung, die das Land Brandenburg und seine betroffenen Gemeinden davon überzeugen sollte, dass die Belastung nicht so groß sein wird und man sich Mühe gibt, diese Belastung weiter zu reduzieren. Zu fragen ist allerdings, was sich denn hinter der Zahl 1.700 verbirgt. Wenn eine Übung mit mehreren Flugzeugstaffeln als ein Einsatz zählt, dann steigt die Zahl der Flüge um ein Vielfaches. Deshalb rechnen manche bereits mit einer vier- bis fünffachen Belastung. Aber möglicherweise ist das noch nicht alles. Denn die Kampfjets werden kaum über ein paar hundert Kilometer das Areal anfliegen, um dann sofort wieder zurückzukehren. Vermutlich wird es mehrere Manöver während eines Fluges geben.
Wenn Sie mit Ihren Vermutungen recht haben, dann ist auch die EU-Kommission getäuscht worden. Denn ihr gegenüber wurde die Zahl 1.700 genannt, als es um die Umweltverträglichkeit des Projektes ging. Glauben Sie, dass der Protest gegen das Bombodrom durch entsprechende Interventionen aus Brüssel noch unterstützt werden könnte?
Das würde ich nicht ausschließen. Wenn sich herausstellen sollte, dass auf der Basis falscher Zahlen fehlerhafte Einschätzungen vorgenommen worden sind, müsste die Europäische Kommission eine erneute Prüfung ansetzen, weil sie ihre Stellungnahme offensichtlich nicht in voller Kenntnis der tatsächlichen Umweltbelastung abgegeben hat.
Den Widerstand gegen das Bombodrom gibt es seit dem Abzug der Sowjets, also im Prinzip fast zehn Jahre. Wie sehen Sie die Erfolgsaussichten für die jetzigen Klagen?
Ich bin kein Jurist. Ich denke aber, dass es gute Aussichten gibt, zunächst eine aufschiebende Wirkung durchzusetzen. In dem Bescheid von Verteidigungsminister Struck ist auch noch nicht der sofortige Vollzug angewiesen worden. Eine aufschiebende Wirkung zu erreichen, ist in jedem Fall das erste Ziel der Kläger. Das zweite und wichtigere Ziel besteht aber darin, das Projekt Bombodrom ganz zu verhindern. Die Chancen, ein vollständiges militärisches Nutzungsverbot durchzusetzen, sind wohl geringer. Aber das soll nicht heißen, dass es sie nicht gibt. Und solange es sie gibt, werden wir alles tun, was in unserer Macht steht.
Das Gespräch führte Jan-Malte Schacht
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