Des Kanzlers zweite Bewährungsprobe ist bestanden! Wie schafft er das nur, den Bundesrat, in dem seine rot-grüne Koalition keine Mehrheit hat, immer wieder auf seine Seite zu ziehen? Ist er ein so starker Mann? Ein Charismatiker gar? Ein Virtuose der Mediendemokratie?
Es lohnt sich, verschiedene Erklärungsmuster durchzuprobieren. Eines ginge so: Am Anfang hat er´s noch nicht gekonnt. Bei der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts verzichtete er auf die rot-grüne Vorlage und passte sich der Linie der FDP an, um wenigstens nicht direkt gegen die Unionsparteien zu verlieren. Später dann hatte er sein Handwerk gelernt. Oder wollte er beim Staatsbürgerschaftsrecht so unbedingt gar nicht gewinnen? Ein anderes Erklärungsmuster lässt sich mit dem genannten verbinden: Das Handwerk, das er lernte, bestand im Bezahlen. Man wundert sich, dass nicht schon frühere Kanzler auf die Idee kamen, die eigentlich ganz simpel ist - immer wenn die Opposition nicht will, bietet man den von ihr mitgeführten Landesregierungen Geld an, und diese lassen sich schön regelmäßig bestechen.
Ein dritter Erklärungsansatz scheint mir aber noch plausibler zu sein: des Kanzlers Erfolg ist eigentlich der Erfolg der Unionsparteien. Schröder führt aus, was Kohl plante. Natürlich musste die Union, da sie nun mal die Oppositionsbänke drückt, sich irgendwie kritisch äußern. Trotzdem kann sie doch mit dem Ausgang der Reformbemühungen zufrieden sein. Also gönnt sie Schröder den Sieg.
Allen Scheingefechten zum Trotz erinnern wir uns daran, dass die Unionsparteien schon vor längerer Zeit auf einer Strategietagung beschlossen haben, die Regierung nicht für ihre Steuer- und Rentenpolitik, sondern eher auf klassisch konservativen Feldern wie der Familien- und Bildungspolitik anzugreifen. Staatsbürgerschaftsrecht ist ja auch ein solches klassisches Feld, und da war es eben bezeichnend, dass die Union nicht ganz erfolglos agierte.
Wenn man es so sieht, ist Schröder gar nicht so ein starker Mann, mag er jetzt auch die architektonischen Riesenstiefel des von Kohl geplanten Kanzleramts tragen. Privat hat er´s zwar sichtbar geschafft, seine Karriere ist glänzend. Auch die darstellungskünstlerischen Fähigkeiten sind beeindruckend. Aber politisch hat er den Weg des kleinsten Widerstands, sogar des unendlich kleinen Widerstands gewählt. Gerade daran bewährt sich seine Darstellungskunst, dass man ihn trotzdem als glänzenden Macher bewundert. Und schon ist er dabei, die SPD in die nächste Kapitulation zu dirigieren: Abbau der Sozialhilfe, im Spiegel dieser Woche mit präzisen Angaben gemeldet, von einem Regierungssprecher pauschal und wenig glaubwürdig dementiert. Das Projekt soll erst nach der Bundestagswahl angepackt werden. Denn, wie gesagt: in Fragen der Karriereplanung ist Herr Schröder unschlagbar.
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