Ob man die Bayern-Wahl oder die Kommunalwahl in Brandenburg nimmt: Etwa die Hälfte der Wähler geht nicht zur Wahl. Müssen wir uns daran gewöhnen?
Ich denke nicht. Aber wenn es keine Polarisierung gibt, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass viele nicht wählen gehen. Das war in Bayern diesmal anders als 2003. Es ging um wichtige Fragen wie: Kann die CSU allein regieren? Und es sind viel mehr Parteien angetreten. In Bayern haben sich 58,1 beteiligt, aber auch bei der Kommunalwahl in Brandenburg ist die Wahlbeteiligung um vier Prozent auf 50,3 gestiegen.
In Brandenburg kommen CDU und SPD zusammen auf nur etwa 45 Prozent. In Bayern haben die beiden Volksparteien starke Verluste. Gibt Ostdeutschland hier einen allgemeinen Trend vor?
Ostdeutschland war zuletzt ein Dreiparteienland und differenziert sich inzwischen wieder mehr aus. Grüne und FDP sind parlamentarisch vertreten, jetzt auch Freie Wählergruppierungen - insofern wird in Ostdeutschland eine Entwicklung nachvollzogen, die es in Westdeutschland schon länger gibt.
Warum gelingt es den bürgerlichen Parteien in Ostdeutschland so schlecht, die Wähler für sich zu mobilisieren?
Nun ja, Manfred Stolpe und Kurt Biedenkopf konnten ganz gut mobilisieren. Man wird sich da jede einzelne Wahl angucken müssen. Aber was in Ostdeutschland der Fall ist: Man traut keiner Partei sonderlich viel Kompetenz in Wirtschafts- und Sozialpolitik zu. Das ist essentiell für eine Gesellschaft im Systemwandel. Die Vorbehalte gegenüber SPD und CDU auf diesen Politikfeldern waren dort immer größer als im Westen. In Ostdeutschland ist die Unzufriedenheit höher, weil es für die Menschen ganz andere Belastungen und Herausforderungen zu bewältigen gibt.
In vielen Städten und Kreisen Brandenburgs sitzen nun aber NPD- oder DVU-Kandidaten. Sind Rechtsextreme mittlerweile eine feste Größe in ostdeutschen Kommunen?
Feste Größe - das wäre übertrieben. Insgesamt haben wir in unseren Umfragen eher eine andere generelle Tendenz festgestellt: Seit 2004 geht die Wahlbereitschaft zugunsten von rechtsextremen Parteien zurück. NPD und DVU haben sich ganz Brandenburg aufgeteilt. Aber abgesehen davon glaube ich nicht, dass dieser Deutschlandpakt von NPD und DVU gut funktioniert. DVU-Chef Gerhard Frey nimmt man langsam seine sozial- und kapitalismuskritischen Parolen nicht mehr ab. Es muss sich jetzt zeigen, wie das bei der NPD ist.
Richard Stöss ist Politikwissenschafter und Parteienforscher an der FU Berlin.
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