Schwarz plus X

Kommentar Regierungsbildung in Österreich

Wolfgang Schüssel kann sich quasi seinen nächsten Regierungspartner aussuchen. Er hat Zeit, niemand läuft ihm davon. Unbedingt genommen werden möchte die FPÖ: Wenn wir schon so abgestürzt sind, dann wollen wir zumindest regieren. "Im Interesse des Staatswohles", so Parteichef Herbert Haupt, sei man bereit, weiter zu machen. Schüssel und die Seinen jedoch zieren sich. Nicht aus prinzipiellen Gründen, wohl aber aus taktischen Erwägungen. Schwarz-Rot ist verlockender, wenngleich man hier mehr Pfründe und Posten hergeben muss als an die maroden Freiheitlichen. Andererseits könnte man aber Vorhaben durchziehen, die man gegen eine halbwegs stabilisierte rot-grüne Opposition kaum durchbrächte. Der Kanzler meint nicht ganz zu Unrecht, dass ein noch rigoroserer Sozialabbau eher in der Großen Koalition durchsetzbar wäre und der auch hauptsächlich zu Lasten des Juniorpartners, also der SPÖ, gehen würde.

Aber auch die SPÖ will - die Staatspartei hat wohl Angst in der Opposition zu vertrocknen. Selbstbehalt in der Krankenversicherung, Darlehensmodell für das Studium, Hinaufsetzen der Alterspensionen, längere Durchrechungszeiten - für all das sind die Sozialdemokraten zu haben. Und wenn der oberösterreichische SP-Vorsitzende, Erich Haider, nun die Koalitionsgespräche gar als "einen Wettlauf um den Sozialabbau" bezeichnet, dann ist dem so. Aber was hat er anderes erwartet?

Die Große Koalition ist vielleicht überhaupt die größtmögliche Drohung. Seien wir sicher, die "Regierung, die sich was traut" (Schüssel) wird um einiges schlimmer sein als eine, die sich wenig traut. In der Orwellschen Neusprache bezeichnen Reformen übrigens Vorhaben, die "weh tun". So sitzen Kanzler Schüssel und SP-Chef Gusenbauer nun beisammen und beschließen, wem sie was wegnehmen. Schröpfen wir deine Beamten, dann kürzen wir auch unsere Pensionisten. Bauern legen und Arbeitslose drangsalieren ist angesagt. Wem schneiden wir was weg? - das ist die zentrale Frage, solange die Finanzierbarkeit und nicht die materielle Möglichkeit sozialer Leistungen im Mittelpunkt der Überlegungen steht.

Die Marschrichtung ist vorgegeben. Peter Rabl, Chefredakteur des Kuriers, lobt Gusenbauers neueste Reformvorschläge überschwänglich: "Tatsächlich müssen noch viel ärgere Schnitte ins System erfolgen, um es langfristig zu sichern." Niemand sage, eine Große Koalition bedeute Stillstand, im Gegenteil sie bedeutet eine ungeheuerliche Dynamisierung der sozialen Regression. Nicht, dass sich nichts tun wird, ist zu kritisieren, sondern das, was angeblich getan werden muss.

"Schwarz plus X" wird in Österreich das erledigen, was Rot-Grün in Deutschland tut. Zwar nicht so beinhart, aber dies nur, weil die öffentlichen Haushalte in Österreich weniger angeschlagen sind als beim großen Nachbarn.

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