Sprechen Sie Broiler?

Manche Wörter werden umso lustiger je öfter man sie wiederholt. Goldbroiler zum Beispiel. Einfach köstlich. Inzwischen muss nur einer der ...

Manche Wörter werden umso lustiger je öfter man sie wiederholt. Goldbroiler zum Beispiel. Einfach köstlich. Inzwischen muss nur einer der dauergrinsenden Fernsehnervtöter mit huldigender Geste das Kuriositätenkabinett des Ossistreichelzoos eröffnen und ich weiß, gleich kommt´s. Und dann kommt´s - Goldbroiler. Zum Brüllen. Das eigentlich Komische am Goldbroiler ist ja, dass es sich auch bei ihm um einen Ossi handelt. Oder besser um ehemaliges DDR-Geflügel, das sich in seinem sozialistischen Heimatland postum mit diesem ehrenvollen Titel schmücken durfte. Deshalb ist es so lustig, verstehen Sie? Wäre das Geflügel dagegen im Westen geboren, dann hätte es vielleicht mit ein bisschen Glück als Chickenwings bei McDonalds enden können. Aber lustig wäre das nicht gewesen, das müssen Sie zugeben. Obendrein wäre niemand dazu inspiriert worden, die Fernsehlandschaft mit einer weiteren heiteren DDR-Show zu schmücken. Doch dank Goldbroiler dämmert es nun auch den Wessis, dass es im Osten gar nicht so schlecht gewesen sein kann, wo man hier doch so drollige Wörter hatte. Und um ein Haar wäre das alles in der Versenkung verschwunden. Man vergisst ja viel zu schnell. Erst beim geselligen Wiederkäuen der lustigen Leckereien kehren die Erinnerungen allmählich zurück, so dass man des wirklich Wesentlichen gewahr wird. Und schließlich ist Goldbroiler nur eines von vielen gängigen Schlagwörtern, die seit dem Fall der Mauer unisono abgespult werden wie idiotogermanische Beschwörungsformeln. Mir zum Beispiel kommen heute oft Tränen der Rührung, wenn ich daran denke, wie mir meine Mutti morgens immer die Schlagersüßtafel reichte. "Hast du auch die Spreewaldgurken?", fragte sie dann jedes Mal augenzwinkernd. Ich meine, das hätte sie gar nicht tun müssen, denn Schlagersüßtafel ohne Spreewaldgurken, das wäre ja wie Rotkäppchensekt ohne FKK. Aber sie hat es trotzdem getan, einfach weil es so lustig war. Und dann bin ich - husch - über den Fußgängerüberweg mit dem putzigen Ampelmännchen, hinter dem grünen Pfeil nach rechts, in die Schule zum Fahnenappell. Anschließend hatten wir Staatsbürgerkunde, und wenn ich nachmittags aus meinem FDJ-Hemd geschlüpft war, kam auch bald mein Vati von der Arbeit, holte sich eine Club-Cola aus dem Kühlschrank und erzählte Neuigkeiten von seinem sozialistischen Kollektiv. Ja, so war das damals bei uns. Das Sandmännchen verpassten wir nie, und vor dem Abendbrot summten wir die Nationalhymne. Dann wurde zugelangt. Bei uns gab es immer Bambinaschokolade mit Soljanka, weil wir das so lustig fanden. Und wenn dann noch einer "Goldbroiler" sagte, haben wir natürlich flachgelegen.


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