Technik hört mit

Lauschen Selbst die Kryptohandys der Bundesregierung bieten keinen sicheren Schutz vor Spionage. Merkel und Westerwelle nutzen sowieso lieber die Telefone ohne Verschlüsselung
Ausgabe 44/2013
Technik hört mit

Foto: Johannes Eisele / AFP / Getty

Rund 1.500 Euro reichen, um das unverschlüsselte Parteihandy der Kanzlerin abzuhören. Mehr kostet es nicht, die kleine Box zu bauen, die sich IMSI-Catcher nennt und vortäuscht, eine Funkzelle des Netzbetreibers zu sein. Das Gerät muss jedoch immer in der Nähe des Mobiltelefons sein. So leicht, so schlecht. Bei dem Kanzlerhandy mit Verschlüsselung wird es schon schwieriger für die Geheimdienste. Doch selbst dieses Gerät bietet keinen sicheren Schutz vor Lauschangriffen.

Bei unverschlüsselten Nachrichten können die Geheimdienste direkt bei den Netzbetreibern ansetzen, an den Durchleitungspunkten der Gespräche. Vodafone, Telekom und andere Netzbetreiber müssen Schnittstellen für die Behörden zum Mithören vorhalten. Die Snowden-Enthüllungen zeigen: Hier setzen auch Auslandsgeheimdienste an, etwa der mit der NSA eng kooperierende britische Geheimdienst GCHQ. Unter dem Tarnnamen „Sozialist“ griffen die Briten den belgischen Telekommunikationsanbieter Belgacom an. Das Ziel ist in den geleakten Präsentationsfolien festgehalten: Zugang zu den Roaming Routern der Belgier zu erlangen. Wenn Angela Merkel in Brüssel telefoniert, könnte der britische Geheimdienst mithören.

Es wäre nicht der erste Angriff dieser Art. Der Netzanbieter der Kanzlerin, Vodafone, wurde bereits 2005 in Griechenland gehackt. Damals wurde der griechischen Premierminister bespitzelt. Auf den Vodafone-Servern fanden sich Schnüffelprogramme, die Telefonate an Prepaid-Handys weiterleiteten, die in der Nähe der US-Botschaft in Athen positioniert waren. Neben dem damaligen Premierminister wurden weitere Kabinettsmitglieder, Militärs, Geschäftsleute und auch linke Aktivisten abgehört.

Die Bundesregierung nutzt zur vertraulichen Kommunikation besonders gesicherte Mobiltelefone mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Etwa 10.000 solcher Kryptohandys sollen der Bundesregierung zur Verfügung stehen. Die Gesprächsdaten werden auf dem Handy verschlüsselt. In den Kommunikationsnetzen können die Telefonate dann zwar abgefangen, aber nicht abgehört werden. Erst auf dem Gerät des Gesprächspartners werden sie entschlüsselt.

Die moderne AES 256-Bit-Verschlüsselung gilt dabei zwar als sicher. Experten gehen davon aus, dass sie auch von der NSA bislang höchstens in Einzelfällen geknackt werden können. Allerdings müssen beide Gesprächspartner dieselbe Verschlüsselungstechnologie einsetzen. Nutzt ein Staatschef eine andere Technik, funktioniert dies nicht mehr. Zudem sind die Kryptohandys nicht so komfortabel wie herkömmliche Smartphones. Der scheidende FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler bekannte vor Journalisten, dass die Geräte nur selten eingesetzt werden.

Selbst die neuesten Kryptohandys der Bundesregierung garantierten keine absolute Sicherheit. Wilhelm Decker, Technischer Geschäftsführer des auf Telekommunikation spezialisierten Sicherheitsunternehmens Beaucom, sagt: „Durch maßgeschneiderte Schadsoftware können sie theoretisch kompromittiert werden, sodass die Verschlüsselungstechnik ausgehebelt wird.“

Jonas Rest ist freier Journalist und Experte für digitale Themen

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