Tristesse Royal

Ausstellung Eine kleine, aber informative Ausstellung dokumentiert Joseph Roths Überlebenskampf im Pariser Exil, wo der Schriftsteller von 1933 bis 1939 lebte

Wenn man die Ausstellung betritt, hört man als erstes den Radetzkymarsch aus einem Lautsprecher. Das ist stimmig und falsch. Stimmig ist die Installation, weil Roth mit seinem Roman Radetzkymarsch berühmt wurde. Aber der hat mit den Pariser Jahren nichts zu tun, denn er erschien schon 1932.

Über die Schweiz war Roth 1933 nach Frankreich geflohen. In acht Stationen bzw. Vitrinen dokumentiert die Ausstellung das schwierige Leben und den Kampf ums Überleben Roths als Schriftsteller im Exil. Die deutschsprachigen Exil-Zeitungen (Das neue Tagebuch, Pariser Tagblatt, Pariser Zeitung) hatten kleine Auflagen und zahlten wenig und unregelmäßig. Für Artikel in französischen Zeitungen brauchten die meisten deutschen Autoren einen französischen Übersetzer. Roths neue Romane – sieben in sechs Jahren (darunter Tarabas von 1934, Beichte eines Mörders von 1936, Kapuzinergruft von 1939 und Nacht ebenfalls von 1939) - wurden zwar von den holländischen Verlagen Querido und Allert de Lange auf Deutsch herausgebracht, fanden aber nur wenige Leser.

Der Alltag für den Schriftsteller Roth spielte sich in schäbigen Hotels oder in den Cafés „Le Tournon“ und „Deux Magots“ ab, in denen er arbeitete. In einer Ecke des Ausstellungsraums stehen zwei Kaffeehaustische mit Stühlen und Kopfhörern, mit denen man Texte Roths (Auszüge aus Die Legende vom heiligen Trinker von 1939) und anderer Autoren, die zu seinem Kreis gehörten, abhören kann. Zahlreiche Fotos und Zeichnungen illustrieren dieses bohèmehafte Milieu in seiner ganzen Tristesse. Roth selbst war dem Alkohol restlos verfallen. Kaum ein Foto zeigt ihn ohne Glas in der Hand. Der schleichende Verfall des Autors springt förmlich ins Auge. Zu den persönlichen Turbulenzen (Roths Frau Friederike war seit 1929 psychisch schwer erkrankt) kamen finanzielle Probleme. Roth wurde praktisch von Stefan Zweig über Wasser gehalten.

Einen in der Krone

1938, kurz vor dem Anschluss Österreich an Deutschland, hielt sich Roth in Wien auf und engagierte sich für den „christlichen Ständestaat“ und die Monarchie. Zum persönlichen Durcheinander gesellten sich zunehmend politische Auseinandersetzungen unter den Exilanten. Bei Roths Begräbnis – er starb am 27. Mai 1939 nach einem physischen Zusammenbruch – eskalierten die politischen Spannungen zum Tumult.

Denn Roth hatte zu Lebzeiten den einen erzählt, er sei Jude, den anderen, er sei getaufter Katholik. Manche hielten ihn für einen Kommunisten, viele jedoch für einen Monarchisten, der mit dem Erzherzog Otto von Habsburg (geb. 1912) die Donaumonarchie wiedererrichten wolle. Verbürgt ist, dass Roth die Monarchie als „Religion“ verklärte. Beim Begräbnis in Paris versammelten sich viele aus Wien, Prag und Berlin vertriebene Schriftsteller und Künstler, darunter Stefan Zweig, Klaus Mann, Soma Morgenstern, Walter Mehring und drei Geliebte Roths. Die Trauergemeinde war so heterogen, wie die politischen und religiösen Äußerungen Roths in den letzten Lebensjahren widersprüchlich.

Der Tumult brach aus, als Kommunisten und Sozialisten unter den Trauergästen revolutionäre Parolen skandierten, während der katholische Geistliche den Segen spendete und jüdische Teilnehmer laut nach dem Kaddisch – dem Gebet für Verstorbene – verlangten. Denn Kennern von Roths Leben und Werk bringt die Ausstellung wenig Neues. Wer nur den erfolgreichen Autor Roth und den Radetzkymarsch kennt, bekommt durch die Ausstellung aber einen Einblick in das Abgründige seines Lebensendes.


Joseph Roth, "Lexile à Paris 1933-1939. Musée dart et dhistoire du Judaisme, Paris. Bis 4.10.2009. Kein Katalog.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden