Turbulent

Im Kino In "Der Cuba Coup" von Daniel Diaz Torres werden aus Schweden Deutsche, aus Dieben Polizisten und Wirklichkeit gerät zum Märchen

Wir haben die Ideale, aber sie haben das Klima", seufzt die strenge Genossin Ninotchka in Ernst Lubitschs gleichnamigen Film, als sie frisch aus Moskau angereist die Nase in die milde Pariser Luft hält. Da weiß man schon, dass sie der Verführung durch die dekadenten Attraktionen des Kapitalismus am Ende nachgeben wird. In Der Cuba Coup von Daniel Diaz Torres kommt ein dekadenter kapitalistischer Krimineller nach Havanna - und kann schließlich den Verführungen der Anständigkeit nicht widerstehen. Kein Wunder, denn wir sind auf Cuba und in Cuba haben sie gewissermaßen sowohl die Ideale als auch das Klima.

Die stereotyp überzeichneten russischen "Genossen" haben Lubitschs Film aus dem Jahre 1939 nicht nur Freunde gemacht, gaben ihm aber die Möglichkeit, ein paar erschreckend scharfe Witze ("Die Schauprozesse sind ein großer Erfolg; es wird weniger, aber bessere Russen geben") unterzubringen. Auf Zuspitzungen dieser Art wartet man in Der Cuba Coup natürlich vergeblich. Schließlich handelt es sich um einen kubanischen Film, der trotz seines deutschen Hauptdarstellers nicht nur, aber doch vor allem für den einheimischen Markt gemacht ist und deshalb versucht, konsequent politisch harmlos zu sein. Aber ganz ähnlich wie bei Lubitsch liegt gerade in dieser gewollten Harmlosigkeit die größte Raffinesse. "Den Schweden spielen" lautet übersetzt der Originaltitel des Films, was umgangssprachlich schlicht für "sich dumm stellen" steht. So hervorgehoben ist das fast schon wieder eine politische Haltung.

Wie um gleich von Anfang an den Verdacht auf realistische Wiedergabe von Zuständen zu zerstreuen, beginnt Der Cuba Coup als Märchen: "Es war einmal in Havanna ...". Ein Polizist erleidet während einer Verfolgungsjagd einen Herzinfarkt und muss daraufhin in Rente gehen. Zu stolz, etwas anderes als eine ehrliche Arbeit anzufangen, überlässt er es seiner Frau und seiner Tochter, für den Lebensunterhalt zu sorgen, wobei er auch ihnen ständig damit in den Ohren liegt, kein "unehrliches" Geld zu nehmen. So ziehen Mutter und Tochter ängstlich zum Flughafen, um sich einen Touristen als Pensionsgast zu angeln, den sie ihrem Patriarchen als ganz legalen Freundschaftsbesuch unterjubeln können. Wie es das Glück so will, stoßen sie dabei auf die Idealvorstellung eines ausländischen Touristen: den blonden schwedischen Literaturprofessor Björn. So weit, so voraussehbar. Spätestens, wenn Peter Lohmeyer als weißblonder Schwede ins Bild kommt, wird allerdings klar: Die stereotype Überzeichnung der Figuren dient hier nicht dazu, über einfältige Touristen, sorgende Mütter oder die Doppelmoral von Polizisten zu lachen, sondern dazu, die Vorurteile über selbige komisch zu entblößen.

"Ich habe ja nichts gegen Schwarze", hört man einen Taxifahrer die Standardeinleitung aller Rassismen sagen, "aber nach Einbruch der Dunkelheit nehme ich keinen Dunkelhäutigen mehr mit." Und nur einen Moment später wird er ausgerechnet von jenem - blonden - Fahrgast ausgeraubt, zu dem er doch auf den ersten Blick Vertrauen gefasst hatte. Ein ähnlich schweres Los hat der dunkle Polizist, der den blonden ausländischen Kriminellen jagt - ganz selbstverständlich wird in der Kombination immer er für den Verbrecher gehalten.

Torres spielt mit der Verkehrung von Zuständen, die es so eigentlich ohnehin nicht geben darf: Dass in Havannas Altstadt Touristen überfallen werden, ist ein Tabu-Thema; dass in Der Cuba Coup schließlich die kriminellen Elemente ängstlich die Straßenseite wechseln, kaum dass ein Tourist am Horizont auftaucht, ist einer der komischen Höhepunkte des Films. So langweilig also das klischeehafte Figuren-Arsenal des Cuba Coup in seiner gewollt gemütlichen Alt-Havanna-Vitalität zuerst erscheint, so interessant ist es, wie hier alles ins Gegenteil umschlägt - bis dahin, dass am Ende die Halbwelt sich zur Verbrecherjagd zusammentut und ausgerechnet den anständigen Polizisten als Hauptverdächtigen ins Visier nimmt. Oft heißt es vorschnell von Komödien, sie seien "turbulent"; der Cuba Coup ist es tatsächlich und ganz buchstäblich werden hier die die Dinge wild durcheinander gewirbelt. Manch besonders schöne Absurdität geht dabei fast unter: Zum Beispiel die Frage, was einen geübten "schwedischen" Dieb dazu bringt, seinen Geschäften ausgerechnet in Cuba nachgehen zu wollen. Es muss das Klima sein.

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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