Waffen und Alkohol passen nicht zusammen? Das sieht man auf Schützenfesten ganz anders. Hier wird der Tradition des wehrhaften Bürgers (➝ Statistiken) gedacht, der seine Stadt mit Waffengewalt gegen Eindringlinge geschützt hat. Heute besteht das Schützenfest maßgeblich aus Schaulaufen und Herrengedecken. Schießt dabei einer den Vogel ab, dann wird er Schützenkönig. Drum herum gibt’s Blaskapellen, Kirmes und Bierzeltgarnituren. „Tage flossen wie Hefeweizen, nicht wie Wochen“, besangen Faith No More ihre Erfahrungen in Bayern. „Aber ich werde das Schützenfest niemals vergessen.“ Erstaunlicherweise ist trotz der potenziell tödlichen Kombination von Fusel und Flinte der Waffenmissbrauch selten. Viel häufiger kommt es zu tragischen Unfällen, wenn Kutschengespannen die Pferde durchgehen. Tobias Prüwer
Deutsche Politiker haben eine sehr effektive Waffengattung bisher unterschätzt: die als Staatsmann getarnte Bio-Waffe (➝ Zweckentfremdung). Wie nach der Erschießung Osama bin Ladens bekannt wurde, garantiert sie den USA ihre geopolitische Überlegenheit. Jon Stewart, US-Moderator der Daily Show, enthüllte jedenfalls, dass sich die USA am liebsten auf Schlaf-Flug-Körper verlässt. So schickten sie den Ex-Präsidentschaftskandidaten John Kerry nach Pakistan, um die Reste eines beim Osama-Einsatz beschädigten Helikopters heimzuholen. Mit Erfolg: Der 68-Jährige sprach derart langsam, dass Pakistans Verhandlungsführer die Teile sofort herausgaben, um ihr Leiden zu beenden. Unbestätigten Berichten zufolge prüft die deutsche Regierung nun Alternativen zum Quick-Response-System „Scharping“. Steffen Kraft
Er sagt nichts, und alles ist gesagt. Als dieser Alex aus A Clockwork Orange gleich zu Beginn mit seinen grotesk überzeichneten Augenwimpern von der Kino-Leinwand ins Publikum starrt, weiß man: Hier ist ein dämonischer Blick am Werk, der sich selbst in trällernder Fröhlichkeit bei seinen Gewaltorgien beobachten lässt (➝ Zweckentfremdung).
Stanley Kubricks Film um die „Droogs“ liefert wie all seine Werke eine perfekte Bebilderung eines modernen Abgrunds: „Die Waffen sind nicht nur Werkzeuge der Zerstörung, sondern auch der Wahrnehmung“, wie es Paul Virilio in Krieg und Kino umschreibt. Die „Simulatoren der Sinnesorgane“ sind aus den Militärapparaten nicht mehr wegzudenken. Kriege werden über und mit Medien geführt. Und das computergestützte Auge der Kamera zählt zu den wichtigsten Waffen. Auch im Kino. Susanne Lang
Ursprünglich eine auf der japanischen Insel Okinawa eingesetzte Bauernwaffe, erfuhr das Nunchaku als Bruce Lees Dreschflegel große Beliebtheit. Mit Filmen wie Der Mann mit der Todeskralle zog die schwingende Schlagwaffe das Publikum in ihren Bann. Weil die „Essstäbchen des Schmerzes“ leicht nachzubauen sind – es genügt, zwei armlange Holzstücke mit einer Kordel oder Kette zu verbinden –, übten nicht wenige Fans alsbald Nunchaku-Moves. Moderne Modelle bestehen zum Teil aus Aluminium und sind mit Kugellagern versehen. Als Sport- und Wettkampfwaffe gibt es Soft-Nunchakus aus gepolstertem Plastik (➝ Spielzeug). Obwohl man mit dem Nunchaku auch schlagen und stoßen kann, wurde es 1986 als „Würgeholz“ in Deutschland verboten. Seit 2006 gilt das Verbot auch für die Soft-Varianten. TP
Vor dem internationalen moralischen Gerichtshof sind die Waffen der Frauen geächtet. Sie kommen natürlich trotzdem zum Einsatz. Zum Beispiel im Fußball, einem Spiel für „Zicken, ihre Methoden, den Gegner zu stoppen, sind hinterhältig: Sie ziehen am Trikot. Kneifen und stellen ein Bein, wenn niemand hinschaut. Werden sie dabei erwischt, dann tun sie unschuldig und beschweren sich beim Schiedsrichter: vornerum die Regeln einhalten und hintenrum betrügen – typisch Mädchen“. Das sagt die Ethnologin Almut Sülzle. Aber es gibt Hoffnung. Die Fußballweltmeisterschaft der Frauen hat gezeigt, dass Frauen auch die Waffen der Männer beherrschen. Waffen, an denen nichts Hinterhältiges ist: Umsäbeln, umhauen, und ganz selten, wenn Gerechtigkeit anders nicht siegen kann, eine Schwalbe hinlegen. Michael Angele
Genau genommen ist das Laserschwert der Jedi-Ritter (➝ Spielzeug) die lächerlichste Erfindung der Science-Fiction. Es diente Star Wars-Regisseur George Lucas allein dazu, das Degen- und Mantel-Genre in seinen Filmen unterzubringen. Doch als Waffe war die einen Meter lange Klinge aus Plasmaenergie ein ziemlicher Reinfall. Was sollte sie ausrichten gegen einen gepflegten Vorderlader, der mit Wumms aus der Ferne schoss? Oder gegen einen Blaster, die Standardknarre aus dem Star Wars-Arsenal, die mit Laserstrahlen und beschleunigten Teilchen aus jedem Jedi Sondermüll machte? Star Trek, das Konkurrenz-Imperium, hatte auch seinen Blaster, er hieß nur anders: Phaser. Auch er ballerte mit Lasern, der Technik, die die Fantasie der Science-Fiction-Autoren am hellsten erleuchtete. MS
Es wird die Sensation der beginnenden Berliner Theatersaison 1928/29. Am 31. August 1928 ist große Premiere im Theater am Schiffbauerdamm mit einem neuen Stück von Bertolt Brecht. Für Bettler geschrieben, von Bettlern gespielt. Schon in der ersten Szene der Dreigroschenoper rast, tobt, trampelt des Publikum. Es hört Soldaten wohnen auf den Kanonen und verlangt ein Dacapo und noch ein Dacapo für den Kanonensong. Einen solchen Erfolg wird es in dieser Spielzeit nie wieder geben.
Brecht gehört zwar nicht wie Anna Seghers oder Erwin Piscator zum gleichfalls 1928 gegründeten Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. Doch dessen Credo „Kunst ist Waffe“ steht er nicht fern. Sein Theater will raus aus dem Theater. Weder den Zeitgeist spiegeln noch ihn bejubeln, sondern vor sich hertreiben. Kunst soll nicht sich selbst genügen – sie soll politisch und wenn nötig Waffe sein. Lutz Herden
Bertha war von plumper, um nicht zu sagen vierschrötiger Gestalt, schwerfällig allemal, bodenständig und doch auf reges Fortkommen bedacht. Wo Bertha hinlangte, wuchs kein Gras mehr. Da blieb von der Erde nichts als eine schlammverkrustete, blutgetränkte Scheibe. Aber sie verstand ihr Handwerk und wurde auch deshalb mit diesem schönen deutschen Vornamen „Bertha“ oder „Dicke Bertha“ gerufen. Was ganz gut passte, weil Bertha im Ersten Weltkrieg als deutsche Kanone französische Grenadiere das Fürchten lehrte. Bertha konnte bis zu 15 Kilometer weit schießen und zerpflügte mit ihren Hammerschlägen schon die Stadt Verdun, als das deutsche Heer noch weit draußen stand. Dabei war der Name nicht nur Hommage an die Höllenmaschine allein, mindestens ebenso an deren Spenderin Bertha Krupp, ohne deren Stahlwerke es die „Bertha“ wohl nie gegeben hätte. lh
Ein Auto, das ursprünglich für Farmer und Handwerker gebaut wurde, soll heute Kriege mitentscheiden? Die Produktgeschichte der Toyota-Pickups Hilux und Land Cruiser hat in den letzten 30 Jahren jedenfalls eine gewaltsame Wendung genommen. Bei den Kriegen Afrikas, in Afghanistan und Libyen werden sie benutzt – mit einem auf die Ladefläche montierten Geschütz (➝ Name) zum Gefechtsfahrzeug umgebaut oder mit Kämpfern besetzt als Truppentransporter. Toyotas Pickups sind extrem robust und konkurrenzlos billig. In die Geschichtsbücher haben sie es so auch geschafft. 1987 musste Libyen einem Waffenstillstand mit dem Tschad zustimmen, nachdem dieser von Frankreich mit 400 Pritschenwagen unterstützt worden war. Der Konflikt gilt heute als „Toyota-Krieg“. Jan Pfaff
Spritzpistolen waren gestern schon von gestern. Erst kamen die Pumpguns, mit denen sich die Halbstarken gegenseitig ihre Extra-Strong-Wetgel-Frisuren ummähten. Nun gesellt sich zu den Wasserduschen der Spielzeug-Wasser-MP noch der Pfeilehagel. Die Modelle der „X-Shot“-Serie können nicht nur spritzen, sondern auch Pfeile verschießen. Und sind damit die Sensation des Sommers.
Beim „Thundershot”, der Königsknarre der Kollektion, sind die Pfeile in Hülsen verpackt. Diese werden nach dem Abschuss ausgeworfen, was den Schützen (➝ Alkohol) im Strandbad so ein richtiges Häuserkampf-Feeling gibt.
Unmöglich, werden jetzt einige Erziehungsberechtigte denken, Spielzeugwaffen verderben den Charakter. Doch viele Psychologen sehen das anders. Sie sagen: Das Kräftemessen gehört zur Entwicklung von Jungs, und Waffenimitate sind eben ein Teil davon. Und: Das geht auch wieder vorbei. Zumindest bei den meisten. MS
Privatpersonen in Deutschland besitzen schätzungsweise 7,2 Millionen Schusswaffen, für die eine Waffenbesitzkarte erforderlich ist. Somit kommt auf fast jeden zehnten Bundesbürger eine solche Waffe. Nur wenige dürfen Pistole oder Gewehr auch in der Öffentlichkeit tragen: Experten gehen von knapp 4.000 Waffenscheinen aus, diese gelten jedoch zum Teil für mehrere Personen.
Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden im letzten Jahr 37.655 Verstöße gegen das Waffengesetz zur Anzeige gebracht. Bei 5.553 Straftaten wurde geschossen, 6.623 mal wurde mit einer Schusswaffe zumindest gedroht.
Deutschlands Waffen sind auch im Ausland beliebt: Nach Angaben des Stockholmer Sipri-Instituts ist die Bundesrepublik der weltweit drittgrößte Waffenexporteur. Mit 11 Prozent der globalen Ausfuhren liegt Deutschland nur hinter den USA (30 Prozent) und Russland (23 Prozent).
45 der 100 größten Rüstungsunternehmen haben ihren Sitz in den Vereinigten Staaten, sie verkaufen jährlich Waffen im Wert von insgesamt 247,2 Milliarden US-Dollar. In Deutschland liegt der Jahresumsatz der Rüstungsindustrie nach Branchenangaben bei 16 Milliarden Euro. 80.000 Menschen sind in diesem Bereich beschäftigt. Felix Werdermann
Der Einsatz eines Gegenstands, Tieres oder Menschen (!) als Waffe erfolgt zumeist aus Notwehr. Oder aus der Intention, den perfekten Mord begehen zu wollen („Ich sehe hier nur einen Lippenstift, das kann unmöglich die Mordwaffe gewesen sein...“). Literatur und Film erzählen unzählige solcher skurrilen Begebenheiten, die das wahre Leben ihnen diktiert. Verzweifelte oder bösartige Menschen werfen mit Igeln, Kleinkindern oder den Köpfen ihrer Feinde und stechen ihren Gegnern mit Füllfederhaltern und Essstäbchen die Augen aus.
Handelt es sich um den vorsätzlich zweckentfremdeten Einsatz, so spielt oft auch die Symbolik des Gegenstandes eine tragende Rolle. In A Clockwork Orange peinigt Oberbösewicht Alex (➝ Böser Blick) ein weibliches Opfer mit einer überdimensionalen weißen Penis-Skulptur. Auch über das Umfunktionieren von Sexspielzeugen zu Waffen aus Gründen der Vergeltung, gibt es einiges zu berichten, wie etwa zu Bomben umgebaute Vibratoren oder mit Glassplittern gefüllte Nachbildungen weiblicher Geschlechtsteile. So mannigfach wie die Abgründe des Menschen ist auch die Wahl seiner Waffen. Sophia Hoffmann
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