Niederlande Die Wahlen im März sind ein Indikator für die Stärke der Rechtspopulisten
Dass der Aufstieg Pim Fortuyns 2002 das erste Anzeichen eines politischen Kulturwandels sein würde, verstand man im Post-Millenniums-Europa von New Labour und Neuer Mitte zunächst nicht. In den folgenden Jahren erwies sich jedoch wieder einmal, dass den Niederlanden bei gesellschaftlichen Entwicklungen häufig eine Vorreiter-Rolle zukommt. Nicht nur die rechtspopulistische Revolte wurde hier erstmals sichtbar, sondern – ebenso wie in Frankreich – das nationalstaatliche Revival und die Ablehnung Europas im Referendum gegen die EU-Verfassung 2005.
2017 nun, genauer am 15. März, wird der gesamte Kontinent auf das kleine Land blicken – im Bewusstsein dessen, dass der Ausgang der Parlamentswahlen richtungsweisend sein wird für das Jahr, in dem die Protagonisten dieses Wandels abrechnen wollen mit der politischen Elite. Von einer „Revolution in Europa“ spricht Geert Wilders, Gründer und Fraktionsvorsitzender der Partij voor de Vrijheid (PVV), schon lange. Und als deren Schrittmacher sieht er sich. Abwegig ist dieses Bild keineswegs: Den letzten Umfragen zufolge kann die PVV mit 20 bis 24 Prozent der Stimmen damit rechnen, stärkste Partei zu werden. Zurzeit hat sie einen satten Vorsprung vor Premier Mark Ruttes regierenden Liberalen.
Über den Aufstieg der PVV wurde in den zehn Jahren ihres Bestehens viel geschrieben. Dauerhaft an die Spitze der Umfragen gelangte sie durch die Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen 2015. Diese wurde in den Niederlanden besonders rabiat geführt. Ausschlaggebend für das PVV-Abschneiden wird die Frage, ob ihre zahlreichen Sympathisanten anders als früher nicht in der Wahlkabine wieder auf eine etablierte Partei umschwenken. Die niederländische Ablehnung des EU-Ukraine-Vertrags, das Brexit-Votum sowie die US-Wahl könnten in diese Richtung deuten.
Sicher ist, dass die Wahl im Zeichen von Identität, Migration und Integration stehen wird. Ganz darauf setzt die PVV, die bereits im Spätsommer ihr Wahlprogramm „Die Niederlande wieder unser“ publizierte, das, wie sie stolz verkündete, auf eine einzelne Din-A4-Seite passt: „Null Asylsuchende neu dazu und keine Immigranten mehr aus islamischen Ländern: Grenzen dicht“, heißt es da. „Kriminelle mit doppelter Staatsbürgerschaft abschieben“ oder „Die Niederlande wieder unabhängig. Also raus aus der EU“.
Geprägt wird der Wahlkampf auch von der neuen Partei DENK (Freitag 50/2016), die sich mit einem dezidiert antirassistischen Programm in Position bringt. Auch gegen die Verhärtung der politischen Debatte bezieht man Stellung. Für Kritik sorgt die latente AKP-Nähe ihrer türkischen Gründer, der früheren Sozialdemokraten Tunahan Kuzu und Selçuk Öztürk. Laut Umfragen steht DENK bei einem Sitz. Im Diskurs und in der medialen Berichterstattung ist ihre Präsenz weit größer. Und wiederholt hat man angekündigt, migrantische Wähler und Politiker anderer Parteien anziehen zu wollen. Im Oktober traten in Alkmaar zwei türkischstämmige Kommunalpolitiker DENK bei. Eine Ethnisierung des Wahlverhaltens deutet sich an – und auch damit könnten die Niederlande wieder Vorreiter sein. Tobias Müller
Frankreich Der Ausgang der Präsidentschaftswahl wird die EU verändern

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Anfang der 50er Jahre stand das Land schon einmal am Abgrund. Regierungen folgten schnell aufeinander, aber Inflation und die Instabilität des Franc blieben. Auch außenpolitisch steuerte man dem Abgrund entgegen, der im Mai 1954 mit der katastrophalen Niederlage von Dien Bien Phu in Nordvietnam erreicht war. Zugleich begann in Nordafrika der algerische Befreiungskrieg, an dem die IV. Republik zerbrechen sollte. Frankreich stand damals mit dem Rücken zur Wand – politisch, militärisch, finanziell.
„Verwirrender Weise“, schrieb der Historiker Herbert Lüthy 1954 in seinem Buch Frankreichs Uhren gehen anders, gehörten damals französische Minister zu den radikalsten Predigern der europäischen Integration und lancierten laufend neue „revolutionäre Pool-, Zollunions-, Währungseinheits- und Investitionsbankpläne“, obwohl das Land als kranker Mann Europas galt. Bis zu den Römischen Verträgen und der Gründung der EWG dauerte es noch drei Jahre, der Motor für diese Union stand in Frankreich.
Doch Geschichte wiederholt sich nicht, auch wenn das Land heute kaum besser dasteht als vor sechs Jahrzehnten: Arbeitslosigkeit, das Haushaltsdefizit, der Ausnahmezustand seit November 2015. Das Verhältnis zu Deutschland wirkt belastet, der viel gelobte deutsch-französische Motor der Integration stottert.
Wie auch immer die Präsidentenwahl im Frühjahr 2017 ausgeht, für Angela Merkel und die EU wird es ruppiger. Gewinnt der Alt-Gaullist François Fillon, bekommen es Berlin und Brüssel mit Souveränitätsansprüchen der gröberen Art zu tun. Da kann jede agrarpolitische Petitesse ebenso zur Grundsatzfrage werden wie außenpolitische Alleingänge zum Problem oder gar zum Sprengstoff für EU und NATO. Und sollte gar Marine Le Pen vom Front National (FN) den Sprung in den Élysée schaffen – was eher unwahrscheinlich, aber nicht völlig ausgeschlossen ist –, muss Brüssel zahlen und beten oder die EU-Flagge einziehen.
Aber auch die deutsche Rechte von der AfD bis zu den Konservativen, die schon mal den Jargon von der „Überfremdung“ und der „Kriegsführung“ einüben, sollte sich nicht zu sehr freuen: weder auf Fillon noch auf Le Pen. Mehr Ressentiments als gegen die EU hegen die rechtskonservativen Eliten in Frankreich gegen die Aussicht, ihre deutschen Brüder und Schwestern – Rechte wie Konservative – könnten die zivilisierten Deutschen erneut umschulen auf „klare staatliche Kante“ und den Refrain, „dass sie ‚ein‘ Volk sind“, wie die FAZ zum Nationalfeiertag anmahnte. Damit gemeint war unter anderem der Übergang von der Willkommens- zur Abschiebekultur.
Ein Präsident Fillon wird Gefallen an einer gaullistischen Außenpolitik finden, die sich dem Realismus wie der nationalen Ambition verpflichtet fühlt, was Tabubrüche einschließt. Kaum Staatschef der V. Republik, erkannte Charles de Gaulle 1959 zum Ärger der Adenauer-Regierung in Bonn die Oder-Neiße-Grenze als Westgrenze Polens an. Fillon könnte ohne Rücksicht auf Berlin das Verhältnis zu Russland entkrampfen. Rudolf Walther
Italien Ein Land verliert seine Zuversicht: Kaum ein Italiener erwartet, dass sich 2017 etwas zum Besseren wendet

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Vielleicht ist es am bezeichnendsten für die Lage des Landes, dass die Offenheit, mit der ein neues Jahr beginnt, von fast niemandem in Italien zurzeit als Möglichkeit verstanden wird, dass sich irgendetwas zum Guten ändern könnte: Italien hat seit dem 7. Dezember keine richtige Regierung mehr, sondern bloß noch einen Platzhalter, einen Notbehelf unter dem denkbar blassen Ex-Außenminister Paolo Gentiloni, nachdem sich Premier Matteo Renzi mit seinem Vabanque-Verfassungsreferendum im Dezember selbst abserviert hat und jetzt auf Neuwahlen hofft, um eine zweite Chance zu bekommen. Italien hat aber auch kein Wahlgesetz mehr, sondern zwei je verschiedene Gesetze für Kammer und Senat. Das Wahlgesetz für den Senat ist zudem bloß noch ein Torso, nachdem das Verfassungsgericht es in Teilen für verfassungswidrig erklärt hat.
Um eine neue, handlungsfähige Regierung zu bekommen, müsste man Neuwahlen abhalten. Um Neuwahlen abhalten zu können, bräuchte es aber ein neues Wahlgesetz. So steht das politische Italien vor den Trümmern der Reformversuche der vergangenen Jahre, und es sieht so aus, als ob man sich im Jahr 2017 vor allem mit sich selber beschäftigen wird, um aus der gegenwärtigen Pattsituation irgendeinen Ausweg zu finden.
Die Vorstellung, mit einem tatkräftigen Premier wie Matteo Renzi aus dem Stillstand auszubrechen, hat sich als Illusion erwiesen, die sie möglicherweise schon von Anfang an war. Ein großes So-tun-als-ob: als ob Italien tatsächlich reformierbar wäre, als ob ein Generationenwechsel die Lähmung der politischen Institutionen überwinden könnte, als ob die Partei des Premiers, die Partito Democratico, an einem Strang ziehen könnte und sich nicht in Flügelkämpfen fortwährend selbst zerlegen würde.
Nichts davon ist eingetreten, und so sinkt man zurück in die Verdrossenheit und Desillusionierung, die ein gutes Drittel der Wähler schon so weit verinnerlicht hat, dass sie sich nur noch den ganz großen politischen Knall wünschen: Der Komiker Beppe Grillo und seine Fünf-Sterne-Bewegung sind längst keine vorübergehende Erscheinung mehr. Obwohl sie sich in Regierungsverantwortung noch nie bewährt haben, halten sie sich in den Umfragen beharrlich bei 30 Prozent. Und das mit dem Versprechen, das ganze politische System in die Luft zu jagen. Dazwischen ragt der politische Untote Silvio Berlusconi heraus, der nicht nur das neue Wahlgesetz mitgestalten wird, sondern sich auch bei den ab Sommer ziemlich wahrscheinlichen Neuwahlen erneut Chancen ausrechnen kann. Italien wird sich also weiter durchwursteln und versuchen, wenigstens die gröbsten Brandherde zu löschen: jene ins Schlingern geratenen Banken wie die Monte dei Paschi di Siena, die ein Fass ohne Boden zu werden drohen und so dringend benötigte Gelder aus dem Haushalt verschlingen.
Für Europa und für Deutschland heißt das aber, dass man auf Italien 2017 nicht wird zählen können: Weder wird Italiens Regierung stark genug sein, um dringend benötigte Kurskorrekturen in der EU-Sparpolitik einzufordern, noch verlässlich genug, um an einem neuen Europa als Gegengewicht zu den USA unter Trump zu bauen. In welcher Verfassung das Land ins neue Jahr startet, zeigt sich aber vielleicht mehr noch als in der Politik bei einem ganz anderen sozialen Phänomen: Es gebe, so eine aktuelle Schätzung, in Italien mehr als 800.000 badanti – Pflegerinnen, die, mehrheitlich ohne Arbeitsvertrag und oft ohne Aufenthaltspapiere, sich um Italiens Rentnerinnen und Rentner kümmern. Viele Italiener können sich ein Altenheim nicht leisten, also heuern sie Frauen aus der Ukraine oder Lateinamerika an, mit denen manch Greis dann noch ein paar angenehme Jahre verlebt. Naheliegend, und anscheinend nicht selten, dass sich da Beziehungen entwickeln, bis hin zur Heirat über Alters-, Sprach- und Nationalitätsgrenzen hinweg.
Das aber ist für die Söhne und Töchter ein Ärgernis. Man wartet ja oft selbst darauf, dass man endlich zum Erben wird, weil man sich in der derzeitigen Lage gewiss keine Wohnung aus eigener Arbeit leisten kann. Also häufen sich Rechtsstreitigkeiten, bei denen Greise für unzurechnungsfähig erklärt werden sollen, bei denen Kinder ihre Eltern zwingen wollen, das Erbe schon zu Lebzeiten herauszurücken: damit es nicht an die badante fällt, die dem nonno den Lebensabend versüßt. Weniger zukunftsgewandt könnte Italien gerade nicht sein. Pepe Egger
Griechenland Die Syriza-Regierung steht von innen wie außen unter starkem Druck

Foto: Louisa Gouliamaki/AFP/Getty Images
Er dürfte in Berlin, Frankfurt und Brüssel auf Gefallen stoßen, der Lebenslauf des potenziellen Nachfolgers von Alexis Tsipras als Ministerpräsident Griechenlands: Kyriakos Mitsotakis, seit genau einem Jahr Chef der konservativen Nea Dimokratia, hat bei einem Vorgängerinstitut der US-Bank JP Morgan Chase, bei McΚinsey sowie für griechische Banken gearbeitet, bevor er 2004 Parlamentarier und 2016 Oppositionsführer wurde. Er gilt als Wirtschaftsliberaler durch und durch. Mit 48 Jahren kommt er der relativ jungen Aura des 42-jährigen Tsipras zumindest nahe, seine Herkunft unterscheidet die beiden aber: Mitsotakis entstammt einer der großen Politikerfamilien des Landes, unter anderem war sein Vater zwischen 1990 und 1993 Ministerpräsident. Heute liegt Mitsotakis’ Nea Dimokratia in Umfragen sieben bis 15 Prozentpunkte vor der regierenden Linkspartei Syriza.
Eigentlich steht den Griechinnen und Griechen der nächste Urnengang erst 2019 bevor. Über vorzeitige Neuwahlen aber wird in Griechenland fast täglich spekuliert, zuletzt als die Kreditgeber im Dezember ihre Kuratel missachtet sahen, weil das griechische Parlament ohne Erlaubnis beschloss, vor Weihnachten 1,6 Millionen verarmten Rentnern eine Einmalzahlung zwischen 300 und 830 Euro zukommen zu lassen – je nachdem, wie niedrig ihre reguläre Rente ausfällt, und bezahlt aus dem Haushaltsüberschuss, den die Regierung 2016 erzielt hat.
Zudem setzte die Syriza-Regierung durch, dass geplante Steuererhöhungen auf einigen Ägäis-Inseln wie Samos und Kos 2017 ausgesetzt werden, weil diese schwer an den Kosten der Unterbringung von Flüchtlingen zu tragen haben. Prompt reagierten die Kreditgeber auf Geheiß des deutschen Finanzministers, indem sie Schuldenerleichterungen von ohnehin minimalem Ausmaß, wie sie die Eurogruppe Anfang Dezember gebilligt hatte, zunächst auf Eis legten. Davon nahmen sie erst wieder Abstand, als Finanzminister Euclid Tsakalotos in einem devot gehaltenen Brief zusicherte, die Maßnahmen würden diktierte Haushaltsziele nicht gefährden und, wenn doch, durch neue Rentenkürzungen kompensiert werden. Oppositionsführer Mitsotakis kritisierte sogleich, die Regierung würde sich zu Hause als Kämpfer gebärden, nach außen hin aber höchst unterwürfig handeln.
Am 26. Januar tagt die Eurogruppe das nächste Mal, und Griechenlands Regierung hofft auf eine Einigung bezüglich der von 2018 an zu erzielenden Überschüsse. Und auf wirkliche Schuldenerleichterungen, um sich so endlich für die Geldströme des Quantitative-Easing-Programms der Europäischen Zentralbank zu qualifizieren. Was jedoch die Kreditgeber dafür bisher an fortgesetzter Sparpolitik verlangen, will nicht einmal mehr der Internationale Währungsfonds (IWF) mittragen, weshalb eine Entscheidung über seine Beteiligung am dritten, längst laufenden „Rettungsprogramm“ weiter aussteht. Ohne Beteiligung des Internationalen Währungsfonds in Griechenland dürfte die Unionsfraktion im deutschen Bundestag aber auf die Barrikaden gehen. Sebastian Puschner
Großbritannien Der Supreme Court entscheidet, ob das Parlament beim EU-Austritt mitredet

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In Erwartung eines politischen Paukenschlags beginnt das neue Jahr auf der Insel. Noch im Januar wird der Supreme Court darüber urteilen, inwieweit das Parlament an den Brexit-Plänen von Premierministerin Theresa May beteiligt werden muss. Die Investmentbankerin Gina Miller hat zusammen mit anderen Bürgern die Regierung verklagt, die den Austritt aus der EU unter Ausschluss der Legislative durchziehen will. Sie ist nun ideales Hassobjekt für die Brexiteers. Miller ist dunkelhäutig, als Fondsmanagerin erfolgreich und darauf bedacht, Sympathisanten um sich zu sammeln. Seit die Klage läuft, wird sie beschimpft, mit Mord und Vergewaltigung bedroht.
Wie zu erwarten, hat Miller in der ersten Instanz klar gewonnen. Die drei Richter des High Court befanden im November, Theresa May müsse ins Unterhaus gehen, bevor sie den Austritt aus der EU nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrags in Gang setzt. Die Regierungschefin berief sich bis dahin auf das vom Königshaus eingeräumte Vorrecht, in der Außenpolitik allein handeln zu dürfen. Doch gelte dies nur, so der High Court, solange davon die Rechte von Bürgern des Vereinigten Königreichs nicht tangiert würden. Bei einem EU-Austritt jedoch sei der European Community Act von 1972 zu beachten, der die Rechte britischer Staatsbürger bezüglich der EU regelt. Darüber könne sich die Außenpolitik nicht hinwegsetzen.
Die Regierung rief daraufhin den Supreme Court an, der sich bis zum Jahresende die Argumente zum Pro und Contra beider Parteien anhörte und durchblicken ließ, dass die Premierministerin auch in dieser Instanz verlieren könnte. Das heißt, May wird für ihre Brexit-Agenda womöglich das Mandat beider Häuser des Parlaments brauchen. Dabei hat ihr Bestreben, genau das zu umgehen, einen einfachen Grund: In ihrer Mehrheit sind die Abgeordneten gegen den Brexit.
Während die Boulevardpresse nun die elf Richter des Supreme Court per Bild und Biografien vorführt und in drohendem Ton auf Europa-Affinitäten verweist, hat May im Unterhaus die Flucht nach vorn angetreten, um der nächsten juristischen Niederlage zuvorzukommen. Die Konservativen stimmten einem Labour-Antrag auf Parlamentsteilhabe zu. Allerdings verstand es May, geschickt zu taktieren, indem sie Labour eine Falle stellte, in die Jeremy Corbyn prompt hineingetappt ist. Seine Partei hatte sich zuletzt darauf festgelegt, den EU-Ausstieg im Unterhaus nicht zu stoppen, aber den Prozess in allen Details kritisch zu verfolgen, um den möglichen Schaden für die Bevölkerung zu begrenzen. May machte sich das eiskalt zunutze, als sie einen Zusatzantrag stellte: Ja, einverstanden, die Regierung werde ihre Pläne offenlegen, falls die Abgeordneten ihrem Zeitplan zustimmten, Ende März 2017 das Vorhaben des Austritts offiziell zu verkünden. Nur wenige Labour-Abgeordnete rochen den Braten und wollten sich verweigern, Corbyn aber ließ zustimmen. Die Opposition verspielte so einen Trumpf, die Regierung mit ihrer Brexit-Agenda auflaufen zu lassen.
Was sich nach alldem schon jetzt sagen lässt: Mit dem Abschied von der EU nimmt die parlamentarische Kultur auf der Insel schweren Schaden. Der fatale Glaube, am 23. Juni 2016 habe sich der Wille des Volkes offenbart, der unbedingt zu respektieren sei, hat einstweilen gesiegt. Nur wenige mutige Leute wie Gina Miller stellen sich der offenen „Tyrannei der Mehrheit“ – einer Mehrheit von 37 Prozent des Elektorats – noch entgegen. Michael Krätke
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