Jeder einmal Hausherr im Palacio de Carondelet von Quito - erst verteidigt der seit 1998 amtierende Präsident Jamil Mahuad das höchste Staatsamt. Dann fällt es einer Junta der Nationalen Rettung unter Führung des resoluten Oberst Lucio Gutiérrez in den Schoß, der sich wiederum mit der Indio-Konföderation (CONAIE) verbündet hat. Schließlich strandet die vagabundierende Regentschaft beim bisherigen Vizepräsidenten Gustavo Noboa, der sie wie eine Trophäe behalten darf, da ihn die in Aussicht gestellte Kredittranche des IWF in Amt und Schärpe hebt.
Drei Regierungen für Ekuador innerhalb von 36 Stunden - Politik im Wendefieber, auf dass die EU sogar glaubt, per Erklärung eine Art Sorgerecht für die Demokratie der Andenrepublik reklamieren zu müssen. Aber warum eigentlich? Weil in einem verarmten Land Südamerikas für Stunden die Macht buchstäblich auf der Straße zu liegen schien? Weil demokratische Institutionen, die einem korrupten System Absolution erteilten, von einer empörten Menge besetzt wurden? Oder weil Ekuador möglicherweise einer bisher unbekannten demokratischen Mündigkeit so nah schien wie noch nie? Die Rebellion der Indígenas am 22. Tag des 21. Jahrhunderts bäumte sich nicht nur gegen ein System der Käuflichkeit auf. Die mehr als 20.000 Indios zogen mit dem strikten Willen nach Quito, der ekuadorianischen Nation einen letzten Rest an Achtung und Selbstbestimmung zu erhalten. Präsident Mahuad hatte am 9. Januar gemeinsam mit einem willfährigen Kongress eine Schicksalsentscheidung getroffen, die in Brüssel kommentarlos - ohne öffentlich artikulierte Besorgnis - hingenommen wurde: Der Dollar war dazu auserkoren, künftig als alleinige Landeswährung zu fungieren. Das brasilianische Modell des festen Wechselkurses zur US-Währung in ultimativer Konsequenz. Angesichts der ökonomischen Malaise Ekuadors der Übergang vom Sturzflug zum freien Fall. Schon seit Mitte der neunziger Jahre war der ekuadorianische Sucre durch eine fixe Umrechnungsformel an den Dollar gebunden, um - wie es hieß - eine Inflation zu zügeln, die seinerzeit bei 30 Prozent lag. Das Resultat dieser ökonomischen Selbstentleibung bestand in einer Austeritätspolitik, die 1998 den staatlichen Sozialfonds auf sagenhaft niedrige 0,13 Milliarden Dollar herunterschraubte. Besonders für die Indios eine Verurteilung zu ökonomischem Siechtum. Auch als die Weichen für diese Dollarisierung, die Generationen eine menschenwürdige Existenz verweigert, gestellt wurden, war aus Brüssel nichts zu hören. Schließlich wurden in Ekuador nur jene sozialen Menschenrechtsstandards unterlaufen, die in der Regel außerhalb des Wahrnehmungsvermögens westlicher Zivilisationsagenturen liegen. Man wurde etwas hellhöriger, als vor drei Jahren der Oberste Gerichtshof in Quito den exzentrischen Staatschef Bucaram wegen "geistiger Unfähigkeit" des Amtes enthob und damit zu kaschieren suchte, wie ein selbstherrlicher Präsident mit nassforscher Selbstbedienungsmentalität öffentliche Kassen leerte. Schon damals drohte Ekuador in eine Staatskrise zu driften, doch ließ sich der Fall Bucaram "innerhalb der Familie" regeln, ohne Demonstrationen und Parlamentsblockade, selbstverständlich ohne Gefahr für die Demokratie.
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