Verursacherprinzip vs. Aufgabe des Staates

Risikospiele Die vielen Polizeieinsätze bei Fußballspielen kommen den Staat teuer zu stehen. Wer soll das bezahlen? Eine Frage, die nicht zum ersten Mal diskutiert wird
Ausgabe 33/2014
Thomas Carlyle definierte den liberalen Staat so: Anarchie plus Polizei
Thomas Carlyle definierte den liberalen Staat so: Anarchie plus Polizei

Foto: Micha Will / AFP / Getty Images

Sollen die großen Fußballvereine für die Polizeipräsenz bei wichtigen Spielen aufkommen? Für die Begleitung Tausender Fußballfans vom Bahnhof zum Stadion und wieder zurück? Für Einsätze in den Stadien, wenn dort Ordner des Vereins die Kontrolle über verfeindete Gruppen verlieren? Diese Frage wird mal wieder heftig diskutiert. Aber nicht zum ersten Mal.

Die einen sagen: Verursacherprinzip! Die Gefährdung der öffentlichen Ordnung hat ihre Ursache in den Veranstaltungen der Bundesligen. Also sollen sie für die Eindämmung der Gefährdung zur Kasse gebeten werden. Die anderen sagen: Die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung ist eine der Kernaufgaben des Staats, für die Steuern gezahlt werden und auf die jeder Anspruch hat. Thomas Carlyle definierte den liberalen Staat: Anarchie plus Polizei.

Carlyle ist ein britischer Historiker aus dem 19. Jahrhundert, aber der Rechtsstaat ist längst eine Sache von und für Juristen geworden. Da kann man nicht wissen, was bei einem Streit über diese Frage herauskommt. Also mag es richtig sein, die Sache von der pragmatischen Seite her zu beleuchten.

Die Ersten, die daran gingen, Nägel mit Köpfen zu machen, waren die Sozialdemokraten in Bremen. Die brummten ihrem Erstligaverein Werder die Polizeikosten auf. Dafür wurde dem Weserstadion vom Deutschen Fußballbund ein Länderspiel entzogen. Pragmatisch betrachtet ist es so, dass der SV Werder seit Jahrzehnten ein finanziell behutsam geführter Verein ist – im Gegensatz zum Stadtstaat Bremen. Sollte der Verein seine Wirtschaftspraxis ändern und sich wie andere Vereine schwer verschulden, könnte er kaum zahlen. Das Stadion gehört zur Hälfte der Stadt und zur Hälfte dem Verein. Bremen würde sich wohl auch die Miete stunden lassen, wie es in anderen Städten schon geschieht. Bei drohender Insolvenz würden die Werder-Fans zu Zehntausenden vor dem Rathaus stehen, und die SPD würde tun, was alle anderen Parteien auch täten. Die Stadt müsste finanziell helfen. Gegenwärtig also wird der Verein dafür bestraft, dass die Stadt ihm nicht helfen muss.

Pragmatisch betrachtet ergeben sich auch Schwierigkeiten mit dem Verursacherprinzip im öffentlichen Raum. Wenn eine heftig umstrittene Partei eine Demonstration anmeldet und diese genehmigt werden muss, ist oft ein großes Polizeiaufgebot zur Gewährleistung der Sicherheit auf dem angemeldeten Demonstrationsweg notwendig. Die Partei kann das nicht zahlen – eine entsprechende Gruppierung auch nicht. Aber daran kann nicht das Demonstrationsrecht scheitern. Zudem: Der Bundesligaverein zahlt Steuern, die Partei nicht. Man mag sagen: Das Bundesligaspiel ist ein kommerzielles Unternehmen, die politische Demonstration nicht. Eben. Deshalb zahlt auch der Verein Steuern, die Partei nicht.

In Nordrhein-Westfalen ist jetzt der Innenminister Ralf Jäger auf die Idee gekommen, zumindest bei Spielen, bei denen kein hohes Krawallpotenzial besteht, die Polizeipräsenz drastisch einzuschränken. Das hört sich gut an, hat aber seine Haken. Zum einen entwickeln sich – das weiß man von Ausschreitungen bei Demonstrationen – Ausschreitungen gemeinhin dann, wenn man vorher nichts erwartet hat. Wo man genau hinschaut, bleibt es ruhig. Zum anderen unterstellt man hier, dass es die Fans seien, die im Stadion oder außerhalb den Krach herbeiführten, anders ist die Begründung mit Risikospielen kaum zu erklären. Nun weiß man aber und sagt es immerzu, dass es nicht die Fans sind, die Randale wollen, sondern die Hooligans, die am Sport uninteressiert sind. Ist das richtig, werden diese sich künftig Spiele aussuchen, die als unriskant eingestuft worden sind.

So kommt man nicht weiter. Der Staat kann sich nicht drücken, wenn es um Sicherheit und Ordnung geht.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden