Von Academy Award über Kokoschka bis Lafontaine: Alle Oskars
Berühmt Keiner weiß, weshalb der wichtigste Filmpreis der Welt Oscar heißt. Dass Louis de Funès’ „Oscar“ 1967 keinen Oscar bekam, ist frech. Aber warum heißt es „frech wie Oskar“? Das oscarträchtige Lexikon
Abgrund Er ist die Verkörperung bayrischer Widerständigkeit. Der große Schriftsteller Oskar Maria Graf. Nach dem Ausbruch aus kleinstbürgerlichen Verhältnissen fester Bestandteil der Münchner Boheme um Erich Mühsam und Gustav Landauer, gelang ihm mit dem autobiografischen Roman Wir sind Gefangene der Durchbruch. Die Nazis versuchten, ihn als Volksschriftsteller zu instrumentalisieren, doch er war tödlich beleidigt, dass sie seine Bücher nicht verbrannten. Ein Artikel, in sämtlichen großen Tageszeitungen veröffentlicht, forderte: „Verbrennt mich!“
Der unvermeidliche Gang ins Exil führte über Wien, die Tschechoslowakei und die Niederlande in die USA. 1936 erschien sein Debüt „Der Abgrund“. In N
chien sein Debüt „Der Abgrund“. In New York pflegte er einen gutbayrischen Stammtisch für deutsche Emigranten. Erst mit dem Erlangen der US-Staatsbürgerschaft besuchte er Nachkriegsdeutschland wieder. Dass er bei Lesungen darauf bestand, seine Trachtenlederhosen zu tragen, sorgte für Wirbel. Marc OttikerBBionische Katze Einen tragischen Unfall erlitt der schwarze Kater Oscar aus Jersey im Jahre 2009. Ein Mähdrescher trennte ihm beide Hinterpfoten ab, und die Überlebenschancen standen schlecht. Doch Noel Fitzpatrick, ein engagierter Tierchirurg, entschied, dass Oscar aufgrund seines jungen Alters ein idealer Patient für eine bahnbrechende Operation sei. Der Kater erhielt als erstes Tier bionische Gliedmaßen, spezielle Implantate, die sich mit dem Knochen verbinden und an denen dann prothetische Füße angebracht werden konnten. An der Katzenprothesen-Entwicklung waren zudem Spezialist:innen vom biomedizinischen Institut des University College London beteiligt. Oscar erlangte danach Weltruhm als „bionic cat“ und wurde ein Medienstar. Im letzten Jahr feierte er seinen 15. Geburtstag und bestätigt die Mär von den neun felinen Leben. Susann MassuteFFrech In der Freien deutschen Schulzeitung soll die Redewendung 1872 erstmals gedruckt worden sein: „frech wie Oskar“. Eher keine Ermunterung zur Aufsässigkeit, als noch der Rohrstock regierte, doch später umso gewitzter gegen den „Rohrstock“ gebraucht. Versprechen von Eigensinn – viele Buchtitel zehren davon, wie die gleichnamige Lausbubengeschichte von Franz Bauer 1942 oder die gesammelten Aussprüche von Oskar ➝ Lafontaine 1990. Und wenn in Kinderbüchern irgendein Oskar auftaucht – Dutzende gibt es davon –, weiß man schon, dass ihn spannende Abenteuer erwarten, ob mit Insekten oder einem rätselhaften Wesen namens „Großer Och“, ob mit dem Geheimnis der verschwundenen Kinder oder einfach nur sauren Gurken. Auch im DDR-Kinderbuch Gestatten – Oskar von Peter Brock (1969) – inzwischen nachaufgelegt – folgt ein Junge seinem eigenen Weg, obgleich er auf dem Titelbild wie alle anderen einen brav-blauen Anzug trägt. Wo die Floskel auch herkommen mag (vielleicht vom jiddischen „ossoker“, was freche Person bedeutet): Wer sein Kind Oskar nennt, wünscht ihm einen starken Charakter. Irmtraud Gutschke HHilary Swank Als Hilary Swank 2000 ihren Oscar als beste Hauptdarstellerin entgegennimmt, ist das einer der wenigen Augenblicke in der Geschichte dieses Preises, in denen die Ausgezeichnete die Trophäe adelt. Sie spielt in Kimberly Peirce’ Boys Don’t Cry den trans Mann Brandon Teena, ermordet 1993. Lange bevor das Thema ins Bewusstsein der Gesellschaft ploppt, schildert der Film die tragische Geschichte einer Selbstbehauptung im ganz und gar toxischen Umfeld US-amerikanischen Subproletariats. Ob heute noch, im Zuge der überhitzten Identitätsdebatten, eine cis Frau einen trans Mann spielen dürfte, ist fraglich, was einen weiteren Schatten auf ideologische Verbohrtheiten wirft. MOJJazz Manchmal wünscht man sich eine Zeitmaschine. Diese hier sollte mich zurückbringen in die 2010er Jahre, in denen ich gerade erst mit dem Jazzhören angefangen hatte und mich beim ersten Hören sofort verliebte in einen zauberhaften Anschlag: den von Oscar Peterson am Klavier. So gern hätte ich ihn einmal live gehört, auch einhändig nach einem Schlaganfall, aber der 1925 geborene Pianist und Komponist war bereits 2007 verstorben. So bleiben seine Alben, die ich ausschließlich als Abend- und Nachtmusik, dann aber umso lieber höre. Die Preise für sein Werk sind kaum überschaubar, zwar keine Oscars (➝ Zufallsname), aber etliche Grammys. Beate TrögerMMännerwirtschaft Der eine hat braune oder grüne Sandwiches – „entweder sehr altes Fleisch oder sehr junger Käse“ – im Angebot, der andere serviert zur Pokerrunde feinste Canapés. Oscar Madison und Felix Ungar könnten gegensätzlicher nicht sein. Einen Kontrollfreak und einen Messie dasselbe Apartment teilen zu lassen, war die Idee des Boulevardmaestros Neil Simon. Auf den Broadway-Hit Ein seltsames Paar (1965) folgte drei Jahre später die Filmversion mit Jack Lemmon und Walter Matthau. Samt Oscar-Nominierung. Ordnung gegen Chaos, das Rezept war unwiderstehlich. Und so variationsreich, dass es für 114 Episoden einer TV-Adaption mit Jack Klugman und Tony Randall (bei uns als Männerwirtschaft populär) reichte. Joachim FeldmannNNiemeyer Zurück zum Beton: Wie kein anderer prägte der Architekt Oscar Niemeyer die brasilianische Moderne. Zahlreiche Gebäude entwarf er für die Hauptstadt Brasilia, für die er als Bauamtschef offiziell Verantwortung trug. Auch wenn das Planstadt-Experiment kolossal scheiterte, bleiben Niemeyers Monumente in der dünn besiedelten Kernstadt in Erinnerung. Seinen Nachnamen verdankt er übrigens deutschen Vorfahren. Beton war sein Werkstoff, Rundungen bestimmen seinen Stil. Mancher sieht in seinen Arbeiten eine Sinnlichkeit, die der Rationalität von Gropius und Le Corbusier. Sein letzter realisierter Entwurf besteht aus einer einzigen Rundung. Die Niemeyer-Kugel aus weißem Sichtbeton und Glas wurde 2020 in Leipzig eröffnet – acht Jahre nach seinem Tod. Tobias Prüwer SSpeer Als es um den Namen für den zweiten Zwilling ging, war uns die Bedeutung von „Oskar“ nicht bekannt: Altgermanisch leitet er sich vom nordischen „Ásgeirr“ ab – „Speer Gottes“. Bis jetzt ist er aber ganz friedlich. Und glaubt an keine Gottheit, höchstens (unter Vorbehalt) an die Menschheit. Damals, vor 19 Jahren, stand der Name plötzlich im Raum, vorgeschlagen von seiner künftigen Schwester. Der andere Zwilling wurde „Anton“ genannt. Sein exkatholischer Papa fand das cool: „Ich bin das A und das O“, heißt es in der Offenbarung, „der Anfang und das Ende“ – das „A bis Z“ auf Bibelgriechisch. Oskar hat dann auch als Letzter den Mutterschoß verlassen. Gott sei Dank ohne Speer! Katharina KörtingTTonne Wir waren eine Straße zu weit umgezogen, was dazu führte, dass ich nicht die großbürgerliche weiterführende Schule besuchen durfte, sondern in der Orientierungsstufe Hannover-Hainholz landete. Nach vier Jahren auf einer Öko-Grundschule, an der soziales Leid kein Thema war, plumpste ich unversehens in ein Schulzentrum in einem sozialen Brennpunkt. Es war eine andere Welt. Armut, Verrohung, Gewalt, fehlende elterliche Fürsorge. Das kannte ich nur aus dem Fernsehen. Kinder, die Hunger hatten und die Schulpizza gierig verschlangen. Kinder, die immer noch nicht richtig lesen und schreiben konnten. Dieser zweijährige Blick in den sozialen ➝ Abgrund hat mich Demut gelehrt. Daher schätze ich Jim Hensons „Sesamstraße“ nicht nur für Figuren wie den mürrischen Oskar aus der Tonne. Dieser Griesgram, der seinen Müll mehr mag als die Menschen und doch immanenter Bestandteil des Sozialgefüges ist. Die Fernsehserie gibt armen Kindern eine letzte Chance auf Bildung. Jan C. BehmannZZufallsname Einfach mal versuchen, why not? „Dear Press Office, I really would like to know where the name ‚Oscars‘ comes from. Why is the trophy called ‚Oscar‘?“ Die Academy reagiert nicht. Man weiß, die Césars wurden nach dem französischen Bildhauer César Baldaccini benannt, der die Trophäe für den Filmpreis entwarf. Und Oscar? Der Ritter mit Schwert, der auf einer Filmrolle steht, 35 Zentimeter hoch, vier Kilo, innen eine Zinnlegierung, die Goldschicht millimeterdünn. „Academy Award of Merit“, hieß er bis in die 1930er Jahre. Ein Filmkritiker weiß auch nicht Bescheid. Aber vielleicht Maren Ade, 2017 für ihren Film „Toni Erdmann“ oscarnominiert (➝ Männerwirtschaft)? Nö, Schweigen. Bleibt also nur die Legende, anno 1939. Eine Mitarbeiterin der Academy habe gesagt, der goldene Ritter sehe ihrem Onkel ähnlich. Und der hieß eben Oscar. MLKKokoschka Er ist der größte Oskar in der Kunst. Einige Stationen im Leben Oskar Kokoschkas: 1886 in Pöchlarn an der Donau geboren, 1901 Umzug nach Wien, 1904 Aufnahme in die Wiener Kunstgewerbeschule, 1906 Zulassung zum freien künstlerischen Studium. Es entstehen erste Aktzeichnungen und Bildnisse, aber schon bald auch eigene Dichtungen, denen Kokoschka wundervolle, noch deutlich vom Jugendstil geprägte Lithografien beigibt. Kokoschka war nicht nur der gefeierte Maler und Grafiker des Expressionismus, sondern auch Schriftsteller (➝ Frech). Er schrieb Dichtungen, Dramen, Komödien, auch Varieté-Kritiken, die er ebenfalls selbst illustrierte. Nach der gescheiterten Liebe zu Alma Mahler und der freiwilligen Meldung zum Kriegsdienst wurde Kokoschka 1915 und 1916 lebensbedrohlich verletzt. 1980 verstarb er. „Talent ist einfach nicht genug. Worauf es wirklich ankommt, ist das Stehvermögen“, hat der Expressionist einmal geschrieben. Marc Peschke LLafontaine Er war der „Lebemann von der Saar“, beim Karneval 1998 trat er mit Napoleon-Hut auf, manche Affäre mag angedichtet sein, andere sind verbürgt. Die Liedermacherin Bettina Wegner hat sich verknallt, als Oskar bei einem Abendessen georgische Weisen zum Besten gab. Der frankophile Vorkämpfer linker Ideale, Villenherr und Weinkenner, Provokateur und Pazifist, der von einer linken Sammlungsbewegung träumt – als ewiger Solitär. Maxi LeinkaufLouis de Funès Der geniale französische Komödiant spielte 1967 in einem Film mit dem Titel Oscar. Die Handlung des Films ist völlig verquirlt, aber wen interessierte das schon? Kabinettstück reiht sich an Kabinettstück. Eine Freundin, die in der Nähe eines Freiluftkinos wohnte, zählte mit, wie oft das Gelächter anschwoll. Ausschnitte gibt’s auf Youtube. Er gilt als Klassiker der Louis-de-Funès-Filme. Ein Oscar für Oscar! Magda Geisler