Von B wie Berlin, Berlin bis F wie Futurama

A-Z Spezial Fernsehen ist blöd? Stimmt gar nicht. Freitag-Autoren geben Jugendschwärmereien preis und stellen ihre liebsten Serien vor

Berlin, Berlin

Auch wenn ich dafür schon von vielen Freunden Spott geerntet habe, kann ich nicht anders, als jede Staffel zu lieben und mir immer wieder auf DVD anzuschauen. Serienheldin der von 2002 bis 2005 im Vorabendprogramm der ARD ausgestrahlten Serie ist Landei Lolle, frisch in Berlin gestrandet. Ihr Traum ist das Comiczeichnen. Passend dazu gibt es Sequenzen mit einem Comic-Alter-Ego von Lolle. Die Animation macht das, was Lolle gern tun würde – sie haut mit einem Vorschlaghammer blöde Sprüchemacher in den Boden oder versteckt sich in einem Känguruhbeutel, wenn sie sich schämt. Eigentlich braucht die echte Lolle das gar nicht, denn sie behält ihre Gefühle nie lange für sich. Die Handlung und die Charaktere von Berlin, Berlin sind so authentisch, dass jeder daran etwas wiedererkennt, aber zugleich auch so gekonnt überzogen, dass man einfach darüber lachen muss. Irene Habich


Dr. House


Das Einzige, was interessiert, ist die Wahrheit. So offensichtlich und so simpel diese Einsicht ist, so völlig unbekannt ist sie in Kreisen von Medienschaffenden, Kreativdirektoren und Politikberatern: Überall herrscht die Meinung vor, die Masse wolle „umworben“ werden, sehne sich nach schönen Worten und dem Gefühl, ernst genommen zu werden. Man solle auf die Verpackung achten: Sexy solle sie sein, eingängig und hübsch. Und um geliebt zu werden, müsse man selbst lieben, oder jedenfalls so tun, als sei einem der Leser, der Kunde, der Nächste unglaublich wichtig und wertvoll. Alles Humbug! Spätestens nach der letzten Segnung, spätestens mit der Diagnose „Krebs“ wird die Leere der Höflichkeit unerträglich – und für alle anderen, die nur einen Funken Verstand haben, schon sehr viel früher. Spätestens ab der Pubertät und der Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit. Jedenfalls nach gefühlten hunderttausend netten Arztserien nach Art von Schwarzwaldklinik und Emergency Room kam Dr. Gregory House einer Erlösung gleich: Ein Arzt, der an wissenschaftlicher Erkenntnis interessiert ist und nicht am Patientengesülze, der keine Rücksicht auf die Gefühle seiner Mitmenschen nimmt und dafür auch hinreichend oft von seinen Mitmenschen gemobbt wird, aber doch berechenbar einen Weg geht. Weil – neben der Wahrheit ist alles, einschließlich vorgeblicher menschlicher Wärme, kalter Kaffee. Leider gibt es gar nicht so viel erzählenswerte Wahrheit. Nach einem furiosen Start gingen den Drehbuchautoren schnell die Ideen aus und seit ein paar Staffeln lebt die Serie ganz von der Nostalgie. Ulrich Kühne


Fastlane

Ein zugegebenermaßen dunkles Kapitel sowohl in Hollywoods als auch in der persönlichen Serienhistorie. Dafür ist das Setting griffig und auch nicht zu kompliziert: Mit Midlifecrisis-Schlitten, Goldkettchen, dicken Knarren und viel Testosteron mischen die beiden Undercover-Cops Deaqon Hays und Van Ray die Unterwelt von L.A. auf. Alle fünf bis zehn Minuten geht etwas in Flammen auf (vorzugsweise Autos) und scharf geschossen wird quasi ununterbrochen. Das daraus entstehende akustische Potpourri ist unterlegt mit hämmernden Hiphop- oder Elektrobeats, wie sich das fürs Actiongenre gehört. Der Geräuschpegel führt dazu, dass man Fastlane nicht nur auf Grund des Peinlichkeitsfaktors, sondern auch um des guten Nachbarschafts-Verhältnisses Willen ausschließlich mit Kopfhörern sehen sollte. Was nach schlechtem B-Movie in Serienformat klingt, entbehrt nicht einer gewissen, wenn auch wahrscheinlich unfreiwilligen Komik: Die beiden Beaus sind derart von der Darstellung ihrer Männlichkeit in Anspruch genommen, dass ihnen die Bösewichte meistens auf der Nase herumtanzen. Die Halunken bedienen jedes in der Geschichte des Gangsterfilms auftauchende Klischee, vom fetten schwarzen Gangsterrapper bis zur heißen Verbrecherbraut. Angst und bange wird dem Zuschauer da höchstens auf Grund der Vielzahl leichtbekleideter Damen – er merkt aber auch, dass die Macher viel Spaß hatten bei der völlig überzogenen Umsetzung ihrer kleine-Jungs-Fantasien. Fastlane ist Fastfood für den Serienjunkie, aber wer genehmigt sich nicht ab und an mal gerne einen Hamburger? Nele Jensch


Freunde fürs Leben

Wird heute im Fernsehen das Fußballlied „You`ll never walk alone“ gegrölt, muss ich immer an Dr. Junginger denken. Die Hymne war nämlich Titelsong von „Freunde fürs Leben“, meiner Lieblingsserie als Kind. Dr. Stefan Junginger, Arzt für Allgemeinmedizin, war einer der Hauptdarsteller. In der Serie hat er mit zwei richtig dicken Freunden eine Gemeinschaftspraxis. Sie sind drei ganz verschiedene Typen, als kleines Mädchen konnte ich mich deshalb nicht entscheiden und war abwechselnd in die Ärzte verliebt. Mal war es der biedere Junginger, gespielt von Schönling Michael Lesch, meistens eher der Frauenarzt Dr. Bernd Rogge, der ein wildes Leben führte, schöne schwarze Locken hatte und schwere Schicksalsschläge zu erleiden. Manchmal auch der liebe Kinderarzt Dr. Daniel Holbein, ein Fahrradfahrender Öko, der seine Patienten zum Eis einlud. Die Serie startete lustig und wurde dann immer ernster, es gab Scheidungen und Tode und Streit zwischen den Freunden. Die „Freundschaft fürs Leben“ wurde aber immer recht glaubhaft hochgehalten und die Ärzte halfen sich gegenseitig über ihre Verluste hinweg. Bis mein Liebling Dr. Rogge einen tödlichen Unfall hatte. Ein neuer Serien- Charakter ersetzte ihn zügig, übernahm seine Praxisräume und auch seine verwaisten Freunde. Schnell war er der neue dritte im Bund. Dass die Freundschaft eben wirklich nur fürs Leben gelten sollte und danach ersetzbar war, hat mich als Kind sehr gestört. Sie hatten eine treue Zuschauerin verloren. Irene Habich


Futurama

Es gibt ein ganz einfaches Erfolgsrezept für Fernsehserien, Shakespeare kannte es schon: Nimm eine simple Oberflächenhandlung mit plumpen Brüllern und Schenkelklopfern für den Geschmack der breiten Masse. Und garniere das ganze mit fein angedeuteten Insiderwitzen die ein zehnjähriges geisteswissenschaftliches Universitätsstudium erfordern. Zettel, Schnock und Schnauz auf der einen Seite; Hermia, Demetrius und Lysander auf der anderen. Mat Groening hat die Technik in seiner Fernsehserie Die Simpsons zur Perfektion getrieben – Homer für die Prolls, Lisa für die Schöngeister. Seit 1989 und nach 21 Staffeln noch immer ein Gassenfeger ohne absehbares Ende. Angestachelt von diesem schönen Erfolg engagierte Mat Groening 1999 den Harvard-Physiker David X. Cohen, um gemeinsam eine neue Zeichentrickserie zu konzipieren. Im Mittelpunkt Philip J. Fry, der nette, ungebildete Pizzabote, der Sylvester 1999 mal wieder alles vermasselt, versehentlich in einem kryogenischen Labor eingefroren wird, und genau 1000 Jahre später auftaut. Auch dort, in der Zukunft, reicht seine intellektuelle Qualifikation nur für den Job eines Botenjungen, wenngleich auf dem intergalaktischen Paketausliefer-Raumschiff seines Ur-Ur-Ur-...-Neffen Hubert J. Farnsworth, einem 160-jährigen, verrückten Professor und Transportunternehmer von „Planet Express“. Der Witz des Ganzen hat die Massen nicht überzeugt und nach nur vier Staffeln wurde Futurama abgesetzt. Derweil findet man gelegentlich promovierte Wissenschaftsphilosophen, Freitagleser und greise Vertreter des längst untergegangenen Bildungsbürgertums, die brüllend und schenkelklopfend sich daheim im Verborgenen auf DVD die alten Folgen anschauen. Ulrich Kühne

Gute Argumente sind das beste Geschenk

Legen Sie einen Gutschein vom digitalen Freitag ins Osternest – für 1, 2 oder 5 Monate.

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden