Wer gehofft haben sollte, die USA seien derzeit militärisch ausgelastet, sieht sich getäuscht. George Bush bleibt seiner strategischen Logik verhaftet und ein zuverlässiger Feind des Iran. Wann auch war die Gelegenheit je günstiger, die Islamische Republik anzugreifen? Sie kann von zwei Seiten unter Druck gesetzt werden: Es stehen US-Truppen in Afghanistan und damit an der iranischen Ostgrenze, es gibt US-Truppen an der Westgrenze - im Irak.
Und überhaupt, das zermürbende Besatzungsregime an Euphrat und Tigris dürfte aus amerikanischer Sicht ziemlich sinnlos erscheinen, würde Iran im Mittleren Osten faktisch zur Nuklearmacht aufsteigen. Damit wäre nicht allein die strategische Exklusivität des Atomstaates Israel erschüttert, sondern zugleich jene seit Jahrzehnten bestehende regionale Machtasymmetrie, die als Conditio sine qua non für Bushs Nahostpolitik gilt. Nicht zufällig ist Iran mit dem 11. September 2001 zum "Schurkenstaat" erklärt worden. Allerdings verharrt die Islamische Republik seither keinesfalls in Demut, sondern gedenkt möglicherweise das Gleiche zu tun, was Israel im Interesse seiner Sicherheit für unverzichtbar hält - und dafür weder international geächtet noch mit Sanktionen bedroht wird. Nur reicht bei Teheran schon der bloße Verdacht, es könnte sich atomar bewaffnen, um unter die Fuchtel der US-Präventiv-Doktrin zu geraten. Es war jüngst dem deutsche Außenminister vorbehalten, das vorzüglich auf den Punkt zu bringen, als er Irans Präsidenten Khatami wissen ließ, der solle sich vor "einer Fehleinschätzung der Reaktionen der internationalen Gemeinschaft" hüten.
Die Frage ist, ob die USA gegen Teheran eine der Irak-Invasion vergleichbare Operation riskieren. Vermutlich nicht. Denkbar erscheinen selektive Militärschläge gegen mutmaßliche iranische Atomdepots nach dem Vorbild ähnlicher Aktionen gegen irakische Anlagen dieser Art 1981 und später. Ein solches Vorgehen würde sich nahtlos in den Unilateralismus des Weißen Hauses einfügen, der nur durchzuhalten ist, wird mit dem militärischen Übergewicht stets auch der geostrategische Vorteil gewahrt. Steht deshalb die Iran-Diplomatie der so genannten EU-3 vor dem Scheitern? Noch am 15. November hatten Frankreich, Deutschland und Großbritannien Teheran die Konzession abgerungen, vorerst alle Aktivitäten rund um die Anreicherung von Uran zu unterbrechen. Dieser "Erfolg" der EU-3 sorgte temporär für Entlastung und offenbarte zugleich das Dilemma der europäischen Verhandlungsphilosophie, Iran Atomwaffen ausreden zu wollen, die Israel stillschweigend zugestanden werden. Wer so vorgeht, muss früher oder später scheitern. Schließlich zeigen die jetzigen Drohungen der Bush-Regierung, dass Iran seine Sicherheitsinteressen zu Recht geltend macht. Was denn sonst? Alles andere liefe auf eine Kapitulation vor den imperialen Ansprüchen der USA hinaus.
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