Was für Frau Merkel spricht

KOMMENTAR Die "K-Frage" vor der Entscheidung

Natürlich deutet alles auf Stoibers Kandidatur. Während er von seiner Partei, der CSU, geschlossen unterstützt wird, scheint es unter den CDU-Granden mehr Gegner als Befürworter Frau Merkels zu geben, besonders im Süden der Republik. Wie will sie daher noch verhindern, dass die Fraktion der Unionsparteien im Bundestag die Sache an sich zieht, und das heißt: sie zum Verzicht nötigt, falls sie nicht schon vorher im Vier-Augen-Gespräch mit Stoiber aufgibt? Und müsste nicht in beider Augen alles für Stoiber sprechen? Der Mann ist in Umfragen beliebter, er hat sich ja auch als bayerischer Ministerpräsident bewährt. Frau Merkel hingegen ist nicht einmal Fraktionsvorsitzende. So jemand ist noch nie Bundeskanzler geworden.

Doch in Wahrheit ist die Logik nicht so eindeutig auf Stoibers Seite. Auf die Fragestellung seiner Befürworter kann sich Frau Merkel durchaus einlassen: Wer im Wahlkampf gegen Schröder die besseren Chancen habe. Ist das wirklich der Bayer? Gewiss gibt es den Grundsatz-Vorbehalt norddeutscher Wähler nicht mehr, von einem Mann aus München regiert zu werden. Stoiber hat das Seine dazu getan, indem er sich, anders als sein Vorgänger, nicht wie ein Holzbub aufführt, sondern penetrant seriös. Das trägt sicher zu seiner relativ großen Beliebtheit bei. Indessen zeigen die Umfragen, dass er bei weitem nicht so beliebt ist wie Gerhard Schröder und Joschka Fischer. Die sind denn auch nicht faul, einen solchen Vorteil auszunutzen, indem sie auf einem gemeinsamen Wahlplakat posieren werden. Merkel kann also argumentieren, es sei sonnenklar, dass jedenfalls der Beliebtheits-Vorsprung ihres Konkurrenten die Bundestagswahl nicht entscheidet. Die Frage, wer die besseren Chancen hat, ist schon richtig gestellt, wird sie sagen - aber über das Kriterium einer guten Antwort müssen wir noch streiten.

Sie könnte an die Hamburger Wahl erinnern. Die wäre von der CDU nicht ohne die Schill-Partei gewonnen worden. Roland Schill hat angekündigt, an der Bundestagswahl werde seine Partei nur teilnehmen, wenn Frau Merkel kandidiere. In diesem Fall könnte sich das Hamburger Szenario wiederholen: Frau Merkel fischt Stimmen der "Mitte" - besser doch wohl als Stoiber - und die Schill-Partei schöpft rechts; sie ist auch für Teile der SPD-Anhängerschaft wählbar; wenn sich der Rauch verzogen hat, wird Frau Merkel Kanzlerin und Schill folgt auf Schily. Hier wird die "K-Frage" endlich auch für Außenstehende interessant. Denn wir kennen den Einwand der Stoiber-Befürworter: Es sei Unionstradition, den rechten Rand zu integrieren, und um keinen Preis dürfe er sich auf Bundesebene parteilich verselbständigen. Der Preis wäre immerhin hoch. Die Union müsste insgesamt weiter nach rechts rücken, würde trotzdem - oder gerade deshalb - die Bundestagswahl verlieren und könnte schließlich bestenfalls, schlimmstenfalls einen weiteren Rechtsruck auch noch der SPD bewirken.

Heißt das nicht, dass am Ende niemand etwas davon hätte?

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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