Was ist ein Streik

SÄCHSISCHE ZEITUNG Nieder mit dem Glück der Unterwerfung

Guck mal die Affen, sagte Max-Anton (6), die haben's gut. Die springen herum und treiben Unfug. Kriegen dafür Futter, einen warmen Stall und viel Beifall. Ja, klar, sagt Max-Anton und lacht, das ist ihr Job. Aber was ist ein Streik? Wenn Du gut gearbeitet hast und dafür eins über die Mütze kriegst; wenn du gut arbeiten willst und die lassen dich nicht.

Schade, dass es hier zu teuer ist, sagt unvermittelt Max und schaute den Tresen an. Ich will gar kein Eis. Soll heißen, wenn ich schon kein Eis kriege, dann will ich auch keines gewollt haben. Kleine Jungs sind gewiefte Taktiker und manchmal gute Philosophen. "Hier ist es nicht teuer, Max, gar nicht - ich muss nur den Zaster zusammenhalten..." Soweit das Gespräch zwischen Vater und Sohn am 3. Dezember im Zoorestaurant Dresden bei Pommes mit Ketchup und Spaghetti Bolognese mit Parmesan. Wir haben uns auf Vanille geeinigt. Nieder mit dem Glück der Unterwerfung.

Streik also und ausgerechnet bei der Sächsischen Zeitung. Mich wundert das Wundern über den Konflikt. Ob nun echt oder vorgeschoben. Loyalität hat Loyalität zur Voraussetzung, und Verlässlichkeit braucht Raum im Verlässlichen. Zeitungsarbeit lebt von Talent und Können, Sprache und Stil, Engagement und Motivation ... Das sind Binsenweisheiten. Glaubt ein Unternehmen, dergleichen erzwingen zu können, mit Zuckerbrötchen und Stockschlägen in den Magen, oder übt es gänzlich Verzicht auf solche Eigenschaften, läuft das auf Selbstzerstörung hinaus. Im Sommer machte der böse Spruch von den Qualitätseinbußen die Runde, die "wir" in Kauf nehmen - vermutlich an Zahlungs statt. Das erinnert fatal an das Treiben eines Impresarios, der seine Artisten drischt, damit sie ins Publikum lächeln.

Zeitungsleute machen im allgemeinen ihre Arbeit gut und gerne gut. Qualitäts einbußen lassen sie sich ungern anweisen, und sie wollen sie sich auch nicht nachsagen lassen. Selbst dann nicht, wenn der Vorwurf stimmt. Kommen solche Vorwürfe zu Hauf und zu Unrecht, bleiben Zynismus, Selbstverleugnung und irgendeine Form des Abgangs. Feuilleton ist nach Alfred Polgar das, was eher nicht in die Zeitung gehört, aber aus gutem Grund drin steht. Zeitungen leben von Anzeigen - wohl wahr - aber gute Zeitungen leben von Texten, wie Gruner+Jahr Vorstand zumindest für Berlin weiß. Und die sind nicht nur billig zu haben.

Der Konflikt in der Sächsischen ist nicht neu, (man will schon ein paar Monate ganze Lokalseiten nicht mehr in den Redaktionen fertigen, sondern möglichst billig einkaufen), dass er bis zur Streikreife gedieh, ist dem ständigen Druck auf die nackte Existenz der freien Mitarbeiter, sogenannter Pauschalisten, geschuldet. Trotz eines bestehenden Vertrags sahen sie keinen Pfennig. Als Disziplinierungs- und Unterwerfungsmaßnahme nicht misszuverstehen.

Unterschreib, Vogel, damit du zu fressen hast. Die meisten haben unterschreiben müssen. Ihre Arbeit ist jetzt weniger wert, ein Sozialhilfeäquivalent, um genau zu sein. Mit dieser Scham ist schwer umzugehen.

Ein Zeitungsstreik ist angewandte Dialektik, angestrengte Nicht-Arbeit für bessere Arbeit. Nieder mit dem Glück der Unterwerfung - außer in der Liebe.

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