Was läuft falsch an der Strategie gegen Rechts, Herr Wagner?

Nachgefragt Das von Ihnen im Jahr 2000 gegründete Neonazi-Aussteigerprogramm EXIT wird nicht mehr gefördert. Warum? Bis jetzt wurde uns vom Bundesministerium ...

Das von Ihnen im Jahr 2000 gegründete Neonazi-Aussteigerprogramm EXIT wird nicht mehr gefördert. Warum?
Bis jetzt wurde uns vom Bundesministerium für Arbeit keine offizielle Begründung genannt. Der Termin für einen positiven Bescheid ist verstrichen, daher muss das Projekt zum Jahresende die Arbeit einstellen.

Weshalb ist das Bundesarbeitsministerium zuständig?
EXIT ist eine Querschnittsinitiative. Wir wenden uns nicht nur an Jugendliche, sondern versuchen auch, die Leute in Arbeit zu bringen. Wir haben mit Politik, Sicherheit und Recht zu tun. Das ist vielleicht ein Teil des Problems: Die Initiative passt nirgendwo richtig rein, weil sie vom Ansatz her nicht der misslungenen Logik der staatlichen Förderungspolitik entspricht.

Was meinen Sie mit misslungen?
Ich kann bei der Förderung keine gesamtstaatliche und inhaltlich ausgereifte Strategie erkennen. Jedes Land, jede einzelne Kommune macht hier etwas und dort etwas, es gibt keine zielgerichtete Kooperation. Rechtsextremisten hingegen arbeiten gesamtstaatlich, deshalb kommt man ihnen mit vielen isoliert arbeitenden Einzelprojekten nicht bei. Diese Zerrissenheit stimmt mich nicht sehr froh.

Wieviele Aussteiger aus der Neonaziszene hat EXIT seit seiner Gründung betreut?
Wir haben über 300 Personen beim Ausstieg unterstützt, dann gibt es natürlich noch eine Vielzahl von Familien, die Kinder an die rechtsextreme Szene verloren haben, um die wir uns kümmern. Gegenwärtig betreuen wir noch 40 Aussteiger, die, wenn es EXIT nicht mehr gibt, keine Ansprechpartner mehr haben werden, das heißt zum Beispiel, sie sind Bedrohungen aus der rechtextremen Szene ausgesetzt und mit akuten Problemen auf sich allein gestellt.

Es gibt staatliche Stellen für Ausstiegshilfe. Ersetzen die EXIT nicht?
Nein, man darf beides nicht gegeneinander ausspielen. Staatliche Stellen wie die Verfassungsschutzbehörden haben zwar bestimmte Möglichkeiten. Aber Betreuungen sind nicht ihre Aufgabe. Sie sind darauf auch nicht eingestellt. Dabei sind Aussteiger auf bürgergesellschaftliche Unterstützung angewiesen, wie der Suche nach neuen Kontakten, einer Lebensperspektive, der Schaffung von Sicherheiten und der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Wir brauchen hier eine längerfristig angelegte Kooperation.

Das Gespräch führte Connie Uschtrin

Bernd Wagner ist Rechtsextremismus-Experte und Gründer von EXIT Deutschland

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