Buchmarkt Unter Konzernbedingungen kann man keine guten Bücher machen – antikapitalistisch muss man aber nicht sein. Ein Debattenbeitrag der Verleger von luxbooks
In den USA arbeiten zahlreiche Qualitätsverlage, darunter City Lights - hier ein Buchladen des Verlags in San Francisco
Foto: Justin Sullivan/Getty Images
Es hat etwas arg Absurdes, wenn der Untergang der Buchkultur wie in dem im Freitagpublizierten Einwurf von André Schiffrin ausgerechnet an der Fusion von Verlagskonzernen festgemacht wird – ein Zusammenschluss von jenen Konzernen wohlgemerkt, die mit Buchkultur überhaupt nichts am Hut haben. Das alte Geschäftsmodell des klassischen Buchverlags mag ja möglicherweise tatsächlich nicht mehr funktionieren.
Es funktioniert für Qualitätsverlage schon seit vielen Jahren nicht mehr. Das aber liegt doch eben zu einem gar nicht geringen Anteil am Wirken genau dieser Konzernverlage. Aus deren Scheitern lässt sich lediglich ablesen, dass Buchverlage unter Konzernvoraussetzungen nicht profitabel genug sind. Das ist nicht notwendigerweise etwas Schlechtes o
oraussetzungen nicht profitabel genug sind. Das ist nicht notwendigerweise etwas Schlechtes oder gar ein Vorbeben für den Untergang des Buches. RenditeerwartungenIn der Buchkultur war nämlich eigentlich nie Platz für Konzerne. Sie sind nicht miteinander übereinzubringen. Wohlbemerkt: Buchkultur und Geldverdienen passen an sich sehr gut zusammen. Ein Qualitätsverlag kann viel Geld umsetzen und er kann einiges an Gewinn erwirtschaften, aber für einen Verlags-Konzern ist das ja nun mal nicht genug. Denn ein Qualitätsverlag kann gewiss nicht quartalsweise wachsen und schon gar nicht stetig zunehmende Renditeerwartungen erfüllen. Mischkalkulation und Nebenrechtsverwertung erlauben es Verlagen aber eigentlich, sich der fatalen Quartalslogik zu entziehen und Programm, Autorenschaft und Mitarbeiter kontinuierlich abzusichern. Erfolg misst sich vor allem an der Qualität der Bücher, an ihrer Wirkung und an der Durchsetzungskraft des Verlags, an seiner gesellschaftlichen Relevanz, die sich nicht ausschließlich in Verkaufszahlen ausdrücken lässt. Ein Haus wie Suhrkamp hat keinen sinnvoll bezifferbaren ökonomischen Wert. Das kulturelle und gesamtgesellschaftliche Kapital ist Milliarden wert, das laufende Geschäft nach Börsenkriterien vielleicht einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Kein Zusammenhang mit der Buchkultur Funktionierende Qualitätsverlage sind jedoch gewiss kein Hort des Antikapitalismus – der Kapitalismus bietet viel zu viele Möglichkeiten und ist für manches gar die Voraussetzung. Ein guter Verlag beherrscht beides, doch die Betonung liegt auf „beides“. Ein Qualitätsverlag kann mit einem funktionierenden Geschäftsmodell zweifelsohne besser und für die Mitarbeiter, Eigentümer und Autoren stressfreier und gesundheitsschonender arbeiten, allerdings ist die Gewinnerzielung bei einem Qualitätsverlag eben nur Mittel zum Zweck. Dieser bleibt: große, wichtige, bewegende, pulsierende Bücher dauerhaft an den Leser zu bringen und Autoren ein Publikum zu finden. Geld ist dabei genau das, was es in einer funktionierenden Gesellschaft idealerweise sein soll, ein entscheidendes Hilfsmittel, notwendiges Werkzeug, bisweilen ein Erleichterer. Anders dagegen der Selbstzweck der prozentualen Geldvermehrung, dem die Konzernverlage notwendigerweise folgen müssen. Sie – nicht Qualitätsverlage, die dann erfolgreich sind, wenn sie wichtige Bücher machen und in die Gesellschaft vermittelt bekommen –, die Konzernverlage fechten den eigentlich aussichtslosen, erfolglosen Kampf. Sie versuchen nämlich das Buch zum hauptsächlichen Zweck der Gewinnerzielung herzustellen und zu vertreiben. Eine lachhafte, dumme Vorstellung, genauso dumm wie die Idee, Gefängnisse, Altenheime, Universitäten und Krankenhäuser renditeträchtig von Konzernen betreiben zu wollen: eine skandalöse Perversion, die schon bei oberflächlichem Nachdenken massive Schäden in Aussicht stellt. Kurzum eine Un-Kultur.Die Rolle der Lyrik Wer unbedingt zuvörderst seine Rendite maximieren will, sollte dringend noch mal ein paar neoliberale Fibeln lesen und ein bisschen rechnen, statt Bücher zu verlegen. Ein Buch kann nie eine gleich gute Rendite wie ein Burger erwirtschaften. Eine gute Rendite aber erwirtschaften Bücher allemal, auch streng ökonomisch betrachtet. Das muss für ein so wichtiges Gut genügen.Wenn die Konzernverlage die technologischen und gesellschaftlichen Umwälzungen nicht überleben, mag es schade um ihren durchaus interessanten Anteil an der Mainstreamkultur sein. Das war’s aber dann auch an traurigem Nachruf. Mit Buchkultur haben sie nichts, aber überhaupt gar nichts zu tun. Ihr Verschwinden dürfte mittelfristig für die Buchkultur eher eine Chance bedeuten. Gerade in den USA, dem Heimatland der scheinbar kalten kapitalistischen Lehre, arbeiten zahlreiche Qualitätsverlage: Melville House Press, Graywolf, Copper Canyon, Norton, New Directions, City Lights, Dalkey Archive, Wave. Daneben die University-Presses: Chicago, Yale, Wesleyan, California, NYU, Princeton, etc., die allesamt aufregende Programme machen. Auch die US-Holtzbrinck-Tochter Farrar Straus & Giroux (FSG) ist nach wie vor wagemutiger als mancher deutscher Qualitätsverlag. Fast alle genannten Verlage haben interessanterweise große Lyriksparten. In den USA gilt offenbar nach wie vor, dass ein Verlag, der ernst genommen werden will, nicht auf Lyrik verzichten darf – aber das nur am Rand.Krückstock-ModellNatürlich gibt es in Deutschland Suhrkamp und Hanser – und da ist nichts Vergleichbares in den USA. Doch von diesen wirklich einzigartigen Verlagen als Vergleichsmodell abgesehen, stehen die Leser in den USA nicht wesentlich schlechter da. Was den US-Lesern den Großteil der Qualitätsverlage bewahrt, ist die Einrichtung des Non-Profit-Publishers, eines Verlagstyps also, der Spenden entgegen nehmen und Quittungen ausstellen darf, ein Verlag, der kostendeckend, aber nicht profitbringend arbeiten muss. Ein interessantes, wenngleich ein Krückstock-Modell, das zumindest anerkennt, dass Verlage keine reinen Wirtschaftsunternehmen sind und dennoch die Freiheit des Marktes brauchen.In Deutschland ist ein solches Modell nicht machbar, da der Gesetzgeber von Buchverlagen erwartet, Profite zu erwirtschaften. Ein Verlag darf weder Spenden quittieren, noch bekommt er Subventionen. Allenfalls werden seine Autoren und Übersetzer gefördert. Niemand aber würde von Museen, Theatern oder auch von Film- und Fernsehproduzenten erwarten, dass sie ohne staatliche Hilfe auskommen. Dreistellige Millionenbeträge an Subventionen stehen dafür bereit. In Österreich und in der Schweiz gibt es relativ großzügige Fördermittel für Literaturverlage. In Deutschland aber, dem Heimatland Gutenbergs, stehen Qualitätsverlage ohne staatliche Unterstützung da. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Es ist und bleibt Fakt. Statt Hilfe, hat sich der Gesetzgeber, der dennoch sehr wohl um die gesamtgesellschaftliche Bedeutung von Verlagsarbeit weiß, ein Zwangsenteignungsprogramm überlegt: Jeder Verlag ist gesetzlich verpflichtet, drei Exemplare eines jeden Buchs, das er veröffentlicht, kostenfrei an die Deutsche Nationalbibliothek und die jeweils zuständige Landesbibliothek abzuführen.Auch das Internet hilftIn Deutschland werden Qualitätsverlage vor allem durch die kleinen Buchhandlungen (ihrerseits durch die Buchpreisbindung geschützt) am Leben gehalten. Auch durch die Existenz der Feuilletons, bzw. durch das grundsätzliche Interesse der Radioredaktionen und Printmedien, Bücher zu besprechen, haben Qualitätsverlage eine Basis. Letztlich, man darf es kaum sagen, hilft auch das Internet. Der Markteintritt fällt durch den Onlinebuchhandel und neue Druckmethoden sehr leicht. Wenn sich an diesen Rahmenbedingungen etwas ändert, wäre bestimmt rasch Schluss mit der Vielfalt der deutschen Independent-Verlagslandschaft.Um die Buchkultur ist es uns aber schon allein deshalb nicht bang, weil zahlreiche Qualitätsverlage teilweise seit Jahrzehnten auch ohne funktionierendes Geschäftsmodell und ohne staatliche Hilfe wichtige Bücher veröffentlichen. Wie sie das machen? Sie bleiben schlicht da. Sie machen einfach. Sie halten aus, bis es nicht mehr geht. Etwas, das sich ein Konzernverleger nicht vorstellen kann: Eine Sache in erster Linie um der Sache willen zu tun und sie auch dann noch zu tun, wenn sie nicht profitabel, aber eben wichtig ist. Ist es nicht viel absurder, etwas essentiell Wichtiges NICHT zu tun, bloß weil man nicht ausreichend Gewinn oder Verlust erwirtschaftet? Werden Sie fürs Zähneputzen oder Guten Tag sagen bezahlt? Wollen Sie das? Alle Qualitätsverleger sind fest davon überzeugt, dass ihre Bücher die gesellschaftliche Wichtigkeit von Zähneputzen und Guten-Tag-Sagen haben. Es sind teilweise recht kluge Leute darunter: unter Umständen haben sie recht.Denn letztlich ist doch alles ganz anders, als die Pessimisten verlautbaren: Dem Buch geht es so gut wie vielleicht noch nie, weil es den Profit-Maximierern endlich entrissen wird. Oder mit den Worten Stanley Kubricks, der das Geheimnis aller kulturell bedeutsamen Werke und letztlich auch das Mysterium funktionierender Gesellschaften auf diese eine Formel zusammenstaucht: „Either you care about something or you don’t.“ Qualitätsverlage beweisen seit der Erfindung des Buchdrucks, dass dieser Satz in jeder Gesellschaftsordnung Bestand hat. Daher haben wir nur einen Appell an Leser: bitte seien Sie etwas egoistischer und halten Sie Ihren eigenen Kopf und was in ihm vorgeht weiterhin/wieder/erstmalig für wichtig. Geist ist geil. Dann kommen Qualitätsverlage schon zurecht, versprochen.
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