Was wir wollen

Freitag-Kabinett Deutschland könnte so schön sein, wenn wir alles anders machen könnten. Ein Scherz? Nein, im Gegenteil, sogar so etwas wie ein Regierungsprogramm haben wir schon
Ausgabe 38/2013
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Alle Fotos: Daniel Seiffert für der Freitag

Für einen echten Atomausstieg

http://img547.imageshack.us/img547/1896/ec4r.jpgÜber den Atomausstieg spricht heute niemand mehr. Alles schon beschlossene Sache. Keinesfalls! Bisher handelt die Politik nur halbherzig.

Im westfälischen Gronau darf die Urananreicherungsanlage weiterlaufen, dort wird der Brennstoff für Atomkraftwerke weltweit hergestellt. Mit den Zentrifugen lässt sich auch spaltbares Material für Atomwaffen herstellen, weswegen die Urananreicherungsanlage im Iran höchst verdächtig erscheint, in Deutschland aber angeblich total ungefährlich sein soll. Ein Ende der Urananreicherung? Nicht in Sicht.

Deutschland exportiert Atomtechnik in alle Welt. Mit staatlichen Bürgschaften kann der Bau von Reaktoren in Schwellen- und Entwicklungsländern ermöglicht werden. Das muss verboten werden. Bislang konnte zwar durch Bürgerproteste eine Bürgschaft für das brasilianische AKW Angra3 verhindert werden, es gibt jedoch schon weitere Anfragen aus Großbritannien, Finnland, Indien ...

Zudem wird die Atomforschung von Deutschland mit Millionenbeträgen finanziert. Die Bundesrepublik ist nämlich immer noch Mitglied der Europäischen Atomgemeinschaft Euratom, die im Jahr 1957 ins Leben gerufen wurde, als die Kernspaltung noch als umweltfreundliche Technologie betrachtet wurde. Zeit, zu kündigen.

Die kommerziell betriebenen Atomreaktoren in Deutschland könnten wesentlich früher abgeschaltet werden als derzeit geplant. Nach Gesetzeslage dürfen die meisten noch über das Jahr 2020 hinaus Strahlenmüll produzieren. Gleichzeitig werden Gaskraftwerke stillgelegt. Und Deutschland exportiert immer noch Strom ins Ausland. Technisch ist ein zügiges Abschalten möglich. Es muss nur gewollt sein. Felix Werdermann, Politik-Redakteur

Für eine neue Verfassung

http://img34.imageshack.us/img34/4736/r78h.jpgAls die Vereinigung der beiden deutschen Staaten sich vollzog, war kurz die Rede davon, dass sich jetzt das deutsche Volk eine neue Verfassung geben möge. Dazu kam es nicht. Das ist ein Versäumnis. Aber es ist nicht die Entwicklung der Einheit, die eine neue Verfassung erforderlich macht. Es ist die Entwicklung der Demokratie selbst.

Das Grundgesetz sieht einen solchen Schritt vor. Artikel 146 regelt die Abschaffung aller vorherigen Artikel für den Tag, „an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Offenbar ist dieses Grundgesetz noch nicht das letzte Wort. Da kommt noch was. Da wird der Weg ins Eschatologische frei gemacht. Es ist der Weisheit der Verfassungsväter zu danken, dass sie diesen Artikel aufnahmen. Es ist allemal besser, die Verfassung trifft die Vorkehrungen für ihre Veränderung selbst, als dass andere sie treffen.

Jetzt wäre es so weit: In der Postdemokratie werden die repräsentativen Mechanismen der Demokratie ausgehöhlt. Von allen Orten, an denen Politik gemacht wird, gehört das Parlament zu den unwichtigen. Das ist nicht mehr zu übersehen. Als Gegengewicht zur exekutiven Vormacht der Regierung und zum kaum kontrollierenden Einfluss der Interessengruppen braucht es jetzt eine Stärkung des plebiszitären Elements.

Der Schweizer Weg der Volksabstimmungen ist für Deutschland nicht praktikabel. Aber ein direkt vom Volk gewählter Bundespräsident würde der Machtbalance einen notwendigen, weiteren Pol hinzufügen. Jakob Augstein, Chefredakteur

Eine Bürgerversicherung, die den Namen verdient

http://img208.imageshack.us/img208/7678/kc3t.jpgDeutschland ist das einzige Land in Europa, das sich eine teure und ungerechte Zweiklassenmedizin leistet. Eine Minderheit reist auf der Yacht, die Mehrheit auf einem Tanker, der in schwere See kommen kann.

Wir wollen, dass sich alle – Erwerbstätige, Hausbesitzer, Couponschneider und Beamte – auf einem Schiff einfinden und sich entsprechend ihren Vermögensverhältnissen ein Billett für die Kranken- und Pflegeversicherung kaufen. Es braucht keine irgendwie künstlich am Leben gehaltene Privatversicherung, und wir sind auch gegen alle Ausnahmen, wie die SPD sie vorschlägt.

Einer für alle, alle für einen! Keine Frage mehr nach dem Versicherungsstatus, keine Vorzugsversorgung mehr in der Arztpraxis oder im Krankenhaus.

Rentner sind automatisch Mitglied in der Bürgerversicherung. Mit 35 Arbeitsjahren erhalten sie eine Grundrente von 1.000 Euro, Kindererziehungsjahre werden voll angerechnet. Das Renteneintrittsalter soll nach den Bedürfnissen der Betroffenen flexibilisiert werden. Ulrike Baureithel, Freitag-Autorin

Für wahre Wahlfreiheit

"Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre" – mit dieser Formulierung von Ulrich Beck könnte man die Familienpolitik der etablierten Parteien beschreiben. Das Beziehungsleben mit und ohne Kinder ist vielfältiger und unübersichtlicher geworden. Und die meisten Männer beteiligen sich heute gern mehr an der Kindererziehung als früher.

Die Politik reagiert auf diese Veränderungen nur rhetorisch: „Familie ist da, wo Kinder sind“. Klingt gut, nur was folgt daraus? Das Ehegattensplitting ist trotz jahrelanger Debatten noch nicht abgeschafft und durch eine stärkere direkte Förderung von Kindern ersetzt, obwohl unverheiratete Paare, getrennt lebende Eltern und Alleinerziehende so benachteiligt werden.

Noch wichtiger ist aber, dass Menschen mit Kindern ermöglicht wird, Beruf und Familie dauerhaft zu vereinbaren. Heute endet die Möglichkeit, Elternzeit zu beantragen, mit dem dritten Geburtstag des Kindes. Es sei denn, der Arbeitgeber gesteht zu, dass man einen Teil der Elternzeit bis zum achten Geburtstag nimmt. Nur weiß aber jeder, dass Kinder mit drei Jahren nicht schlagartig groß sind. Warum also nicht die Elternzeit bis zum 14. Geburtstag ausweiten, sodass Erziehungsberechtigte eine Auszeit nehmen können, wenn Kinder sie brauchen? Und so, dass sie selbst entscheiden können, ob sie lieber Vollzeit oder Teilzeit arbeiten? Mehr Wahlfreiheit würde unsere Arbeitswelt verändern – und davon könnten alle profitieren. Jan Pfaff, Stv. Ressortleiter Kultur

Für das bedingungslose Grundeinkommen

http://img6.imageshack.us/img6/3992/3inx.jpgEs ist viel den Sozialsystemen gebastelt worden, geändert aber hat sich nichts. Wir verwalten Arbeitslosigkeit, indem wir Menschen ohne Job ein Existenzminimum garantieren. Mit einem würdigen Leben hat das aber nichts zu tun. Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel: Wir brauchen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das Prinzip ist einfach: Jeder Bürger erhält vom Staat 1.000 Euro. Damit würde der Staat anerkennen, dass jeder das Recht auf eine menschenwürdige, durch die Gemeinschaft finanzierte Existenz hat.

Das Fundament unserer Arbeitsgesellschaft wird immer brüchiger. Das Versprechen, das jeder durch Lohnarbeit oder selbstständige Betätigung am Wohlstand teilhaben kann, gilt für immer weniger Menschen. Für Millionen Bezieher von Hartz IV und Arbeitslosengeld, aber auch für immer mehr Leih- und Zeitarbeiter gilt dieser Anspruch offenbar nicht mehr. Gleichzeitig öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter. Nach Berechnungen sind hierzulande etwa 15 Prozent arm oder von Armut bedroht. Das sind 12 Millionen Menschen.

Studien zeigen, dass ein Grundeinkommen kein „Recht auf Faulheit„ wäre: 70 Prozent sagen, sie würden nicht zu Hause bleiben, sondern die Arbeitszeit reduzieren. Das wäre ebenfalls im Sinne einer gerechteren Verteilung von Arbeit; außerdem würde auch das ehrenamtliche Engagement und die Arbeit in den Familien anerkannt.

Die Summen, die dafür bewegt werden müssten, sind gewaltig: etwa 800 Milliarden Euro, ein Drittel des Bundeshaushalts. Andererseits: Schon jetzt gibt der Staat für Transferleistungen, die ja bei einem Grundeinkommen wegfallen würden, rund 750 Milliarden Euro aus.

Finanziert wird das durch eine Steuerreform: Bezieher hoher Einkommen werden stärker zur Kasse gebeten als bisher, außerdem wird eine Luxus- und Spekulationssteuer eingeführt sowie eine Grundeinkommensabgabe von 25 Prozent, in der alle Einkommenssteuern zusammengefasst werden. Philip Grassmann, Stv. Chefredakteur

Für ein deutsches Peace Korps

http://img694.imageshack.us/img694/8539/iv6v.jpgNicht humanitäre Interventionen, sondern humanitäre Missionen sollten der Bundesrepublik Deutschland künftig international zu Respekt und Einfluss verhelfen. Wir halten uns daher an das Vorbild der „Grünhelme e.V.“, die sich seit mehr als einem Jahrzehnt als Helfer in Not für die Rückkehr einstiger Krisen- und Kriegsgebiete zu lebenswerter Normalität einsetzen. Ihr Beispiel liefert das ideelle Fundament für ein deutsches Peace Korps.

Ein solcher Verband wird von der Regierung unterstützt, von Nichtregierungsorganisationen geführt und aus Freiwilligen rekrutiert. Dieses Korps verantwortet Wiederaufbau- und Bildungsprojekte ebenso, wie es einen Dialog der Ethnien, Kulturen und Religionen fördert, wo immer der gebraucht wird, um Hass und Zwietracht zu überwinden.

Dabei gilt das Gebot, wir kommen als Gast – es geht um ein Vorankommen zum gegenseitigen Vorteil, kein Vordringen der westlichen Zivilisation. Wir verabschieden mit dem Peace Korps die Doktrin bisheriger Bundesregierungen: Als europäische Führungsmacht übernimmt Deutschland vor allem dann Verantwortung, wenn es zu weltweiter militärischer Präsenz fähig ist. Die Herausforderungen – Rohstofftransfer, Handelswege, Terrorismus, Piraterie, Migration, Flüchtlingswellen – lassen sich nur friedlich regulieren.

Wer Gewalt androht, wird Gewalt ernten. Es ist nicht die starke Waffe eines Soldaten, die den Baum fällt – es ist die Axt eines Helfers. Jana Hensel, Stv. Chefredakteurin

Für eine starke Ostpolitik

http://img818.imageshack.us/img818/1526/t00n.jpgEs sollte ein Neuanfang ohne Tabus sein, der Tugenden belebt, wie sie die bundesdeutsche Außenpolitik geprägt haben, als es noch eine bipolare Weltordnung gab. In diesem Sinne brauchen wir in den nächsten Jahren eine neue Ostpolitik, die das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland entkrampft und den fatalen Eindruck entkräftet, die West-Ost-Konfrontation der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde durch den Europa-Russland-Konflikt des 21. Jahrhunderts ersetzt.

Deshalb verweigert sich die künftige Bundesregierung jeglicher Abschottungsdoktrin gegenüber der Macht im Osten. Russland darf nicht länger behandelt werden, als könne es bald wieder ein Gegner sein. Wir werden der Versuchung widerstehen, zwischen Freunden und Feinden auf dem unübersichtlichen Spielfeld der russischen Innenpolitik zu unterscheiden, und stattdessen abweichende politische Kulturen respektieren. Das russische Volk, seine gewählten Vertreter und Autoritäten müssen selbst entscheiden, was ihr Land braucht an Demokratie und Ordnung, Rechtsstaat und Marktwirtschaft.

Nach dem Prinzip – Sicherheit ist wichtiger als Ideologie – betrachten wir in den kommenden Jahren die deutsch-russische Partnerschaft als Keimzelle einer erneuerten internationalen Diplomatie. Sie wird sich der Abrüstung und Wirtschaftskooperation ebenso widmen wie der Vermittlung bei regionalen Konflikten. Als vorrangig betrachten wir gemeinsame Initiativen, um in Syrien den Bürgerkrieg einzudämmen und in Afghanistan keinen mehr zuzulassen. Lutz Herden, Politik-Redakteur

Für ein anderes Konzept von Nationalität

http://img819.imageshack.us/img819/7135/ufu6.jpgWie existenziell ein Recht auf Asyl ist, sehen wir zurzeit in Syrien. Mehr als zwei Millionen Menschen sind dort auf der Flucht vor dem Grauen des Krieges.

Die Bundesregierung hat diesen Menschen 5.000 Asylanträge zugesagt. Das ist ein schlechter Scherz. Deutschland ist ein reiches Land, wir haben das höchste Bruttoinlandsprodukt Europas. Wir sind ein Land, über dessen Grenzen jährlich rund hundert Milliarden Euro aus der Exportwirtschaft fließen. Deshalb dürfen wir unsere Türen nicht vor jenen verschließen, die vor Hunger und Tod aus ihrem Land flüchten müssen – weder vor politischen noch vor ökonomischen Flüchtlingen.

Langfristig müssen für alle Länder die gleichen Visa-Bestimmungen gelten, und über neue Konzepte von Nationalität muss nachgedacht werden. Ist der Pass in einer derart globalisierten Welt noch zeitgemäß? Kurzfristig müssen die Aufenthaltsbedingungen Asylsuchender verbessert werden. Dazu gehört ein allgemeines Abschiebeverbot, eine sofortige Arbeitserlaubnis, Zugang zu Bildungseinrichtungen sowie kostenlose Sprachförderung. Und dazu gehört die Abschaffung der Residenzpflicht und von Sammelunterkünften. Nur so kann gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet werden. Juliane Löffler, Redakteurin Online

Für ein freies Netz

http://img845.imageshack.us/img845/9620/sbao.jpgZeitgemäße Netzpolitik muss dafür sorgen, dass sie dem Credo „Online muss sich (wieder) lohnen“ voll und ganz Folge leistet – im Privaten wie im Beruflichen. Dafür ist es unerlässlich, dass Wahlsprüche wie „Freies WLAN für alle!“ Wirklichkeit werden, dass der Netzausbau voranschreitet und alle Bürger Zugang erhalten.

Denn dort, wo Mobilität groß geschrieben wird (in der Wirtschaft), könnte sie dank des Internets Wirklichkeit werden. Nicht wir müssen zu unserem Arbeitsplatz kommen, sondern der Arbeitsplatz zu uns. Per Knopfdruck.

Eine zeitgemäße Netzpolitik darf nicht bei „free as in free beer“ aufhören. Sie muss gewährleisten, dass der Zugang zum Netz für alle gleich (schnell und teuer) ist. Netzneutralität muss gesetzlich verankert werden, um Chancengleichheit zu stärken, Innovation zu fördern und freie Rede zu garantieren. Freiheit gegen Regulierung und Kontrolle einzutauschen ist keine Option.

Eine zeitgemäße Netzpolitik muss dafür sorgen, dass Geheimdienste nicht gemäß dem Motto „Spion vs. Spion“ verfahren, sondern Bürgerrechte, die aufblühende Internetwirtschaft und zukünftige Arbeitsplätze gesichert werden. Ganz zu schweigen von der Demokratie selbst.

Eine zeitgemäße Netzpolitik muss eine einfache Teilnahme an der Demokratie ermöglichen. Daher ist es unumgänglich, in Zukunft auch online politisch Einfluss zu nehmen.

Eine zeitgemäße Netzpolitik darf nicht zum Spielball machtpolitischer Interessen werden. Sie muss wichtig und richtig bleiben. Jan Jasper Kosok, Ressortleiter Online

Kostenloser ÖPNV für alle

http://img203.imageshack.us/img203/7243/ub5t.jpgUnsere Mobilität wird individueller, anspruchsvoller und komplexer. Das öffentliche Verkehrsnetz muss sich diesen gesellschaftlichen Veränderungen anpassen. Und günstiger werden!

Warum muss eine Familie in manchen deutschen Städten für nur wenige Stationen in die Innenstadt und zurück mehr als zehn Euro ausgeben? Da bleibt man lieber zu Hause oder nimmt das Auto. Metropolen wie Paris oder Brüssel zeigen, dass es auch anders geht. Dort sind die Preise doppelt so niedrig als etwa in Stuttgart. Und Tallin in Estland hat auf Wunsch seiner Bürger die Preise fürs Bus- und Bahnfahren ganz abgeschafft.

So kann man Menschen animieren, ihr Auto einfach mal stehen zu lassen. Das macht nicht nur ökologisch Sinn, sondern ist auch sozial und wirtschaftlich: So werden Staus, Lärm, Abgase und Unfälle verringert. Man spart nicht nur CO2, sondern erhöht auch das für den Konsum verfügbare Haushaltseinkommen.

Die belgische Stadt Hassel, die 1997 ihren öffentlichen Nahverkehr kostenlos gemacht hat (inzwischen kostet eine Busfahrt 60 Cent), ist beispielsweise in kurzer Zeit zur viertwichtigsten Einkaufsstadt Belgiens aufgestiegen. Man könnte diese Subventionierung des Nahverkehrs mit kleinen Umlagen auf jeden Haushalt gegenfinanzieren. Die in Deutschland bewährten Semestertickets für Studenten zeigen ja: Wenn alle zum Kauf verpflichtet sind, verringern sich die Preise. Das Recht auf räumliche Mobilität ist ein Menschenrecht. In der täglichen Praxis erfordert es sozial verträgliche Fahr- und Ticketpreise. Dann muss man auch niemand mehr schwarzfahren! Maxi Leinkauf, Redakteurin Kultur/Alltag

Für ein Recht auf Remix

http://img855.imageshack.us/img855/8680/b8i4.jpgDie aktuelle Regelung zum Urheberrecht entspricht nicht mehr dem Gerechtigkeitsempfinden der Internetnutzer. Der britische Hargreaves-Report bringt es auf den Punkt: „Es ist schwierig nachzuvollziehen, warum es erlaubt sein soll, einem Freund ein Buch auszuleihen, aber keine digitale Musikdatei.“

Wer im Internet unterwegs ist, will selbstverständlich Daten speichern, verbreiten und verändern. Das muss erlaubt sein. Zugleich müssen Produzenten angemessen entlohnt werden. Das einzige zeitgemäße Modell dafür ist eine Kulturflatrate. Das aktuelle deutsche Urheberrecht kriminalisiert die Entstehung von Kultur im Netz. Das betrifft nicht nur Kreative, sondern auch Eltern, Arbeitgeber, Bildungseinrichtungen. Die Kulturflatrate macht Abmahnwellen überflüssig, bietet Rechtssicherheit und reduziert die Überwachung der Internetgesellschaft.

Alle Internetnutzer sollen eine pauschale Abgabe zahlen. Diese wiederum wird anteilig an diejenigen ausgeschüttet, die Inhalte im Netz produzieren. Ein solches Modell gibt es in Deutschland bereits seit dem Jahr 1966: die Verwertungsgesellschaft. Die Kulturflatrate ist dessen konsequente Fortsetzung. Jetzt müssen wir das Modell auf das Internet ausdehnen.

Aber ich gehe noch einen Schritt weiter. Kultur wird zwar zunehmend, aber doch nicht nur im Internet produziert. Ich denke an das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Die Rundfunkgebühren sind kaum noch vermittelbar. Die öffentlich-rechtlichen Sender müssen ihrem Kulturauftrag wieder nachkommen und ipso jure vom Quotendruck befreit werden.

Und ich denke an die Zeitungen. Hier sind Modelle staatlicher Förderung zu entwickeln, die nicht an der inhaltlichen Autonomie dieser Medien rütteln. Michael Angele, Ressortleiter Kultur

Für die Einführung ökonomischer Wahlen

http://img51.imageshack.us/img51/2941/mzr7.jpgDie Arbeitswelt braucht zwei Innovationen: Erstens muss auf dem Arbeitsmarkt Waffengleichheit für Nachfragende und Anbietende geschaffen werden.

Sie besteht nicht, wenn die Anbieter gezwungen sind, ihre einzige Ware Arbeitskraft notfalls auch unter Wert anzubieten, weil sie anders nicht überleben können. Die Folge kann nur sein, dass sich verzerrte Preise einpendeln. Dies hört auf, wenn wir das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt haben. Denn dann steht es nicht nur Unternehmern frei, Arbeit nachzufragen oder nicht, sondern auch allen anderen, Arbeit anzubieten oder nicht.

Befreit vom Zwang, zugleich aber begierig danach, sich auszuleben, werden die Menschen darauf bestehen, dass ihnen nur noch gute Arbeit angeboten wird. Gut im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen, aber auch darauf, dass nur noch gute, also ökologisch vertretbare oder sonst für die Gesellschaft nützliche Produkte her- und Dienstleistungen bereitgestellt werden.

Deshalb die zweite Innovation: Statt dass Lobbygruppen über die Grundlinien der Produktion entscheiden, wird es die Gesellschaft in freien, ökonomischen Wahlen selber tun. Die neue Möglichkeit, online zu wählen, wird es ihr erleichtern. Michael Jäger, Freitag-Autor

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